„Uns liegt sehr an einer vitalen Innenstadt“: Ein Interview mit Thomas Wörle (Wirtschaftsförderung der Stadt Aichach)
myheimat: Im Interview des letzten Jahres berichteten Sie, dass Ende 2015 acht von elf Gewerbegrundstücken im Gewerbepark Ecknach verkauft waren. Wie sieht Ihre Bilanz am Endes Jahres 2016 aus? Alles ausverkauft?
Wörle: Ja, alles ausverkauft! Von den elf entwickelten Grundstücken sind alle verkauft worden. Wie letztes Jahr schon angedeutet, ging es hier in erster Linie darum, kleineren Betrieben aus der Region entsprechende Flächen für ihre Entwicklung anbieten zu können. Unsere Untersuchungen hatten ergeben, dass gerade an solchen kleineren Flächen enorme Nachfrage besteht. In dieser Größenordnung verfügte die Stadt Aichach aber über keine Gewerbeflächen mehr und der Acht 300 Gewerbepark bot solche Grundstücksgrößen nicht an. In der Kürze der Zeit sind schon fünf Hallen entstanden. Dem Ersten Bürgermeister Herrn Klaus Habermann und dem Kämmerer Herrn Rottenkolber, die die Idee zur Entwicklung dieser kleinteiligen Flächen hatten, kann man zu der mit Weitblick geprägten Anregung nur danken.
myheimat: Der Online-Handel ist eine immer größer werdende Konkurrenz für die „echten“ Geschäfte. Warum will Aichach zusammen mit der Stadt Schrobenhausen eine Online-Plattform schaffen, in der Händler und Dienstleister übersichtlich aufgelistet werden und wo sie zeigen können, welche Waren sie anbieten?
Wörle: Der Stadt Aichach und dem Ersten Bürgermeister Herrn Klaus Habermann liegt sehr an einer vitalen Innenstadt und das möchte man aktiv fördern. Zu einer vitalen, aktiven Innenstadt gehören vor allem auch erfolgreiche Ladengeschäfte im Einzelhandel. Vor diesem Hintergrund wurde überlegt, ob und wie man den lokalen Einzelhandel möglicherweise über eine Internetlösung in seinem Erfolg zusätzlich unterstützen kann. Das ist der Grundgedanke zu der Untersuchung. Die Universität Augsburg (Lehrstuhl für Humangeographie) ist für uns der kompetente Partner, der die Untersuchung mit umsetzt, um Wege für den innovativen Umgang mit diesen digitalen Herausforderungen zu finden. Die beauftragten Wirtschaftsgeographen analysieren für Aichacher Gewerbetreibende das Potential einer möglichen Internetlösung. Ob und in welcher Form Aichach von einer lokalen Internetplattform profitieren kann, werde die Studie zeigen. Dabei arbeite man ergebnisoffen an dieser bislang wenig erforschten Thematik. In einem ersten Schritt erfolgt eine Situations- und Bedarfsanalyse, um die entsprechenden Anforderungen zu klären. Hierzu werden ca. 7-10 Interviews mit Akteuren aus Einzelhandel, Verwaltung, Dienstleistung, etc. geführt mit dem Ziel, Umfang und Funktionalität einer lokalen Internetlösung in Aichach vorzudefinieren. Darauf folgt ein Workshop mit allen Akteuren zur Präsentation und Diskussion der Ergebnisse. Dies dient als Grundlage für den weiteren Gang der Untersuchungen. Dann erfolgt in einem zweiten Schritt ein Benchmarking bestehender Konzepte für lokalen Internethandel. Hier werden Unterscheidungskriterien der bestehenden Konzepte definiert, das Benchmarking durchgeführt und die unterschiedlichen Konzepte ausgewertet. Die so ermittelten Benchmarkingergebnisse werden mit den Bedürfnissen der Einzelhändler in Aichach abgeglichen. Es folgen 4 bis 6 Interviews mit Managern bestehender Plattformen für lokalen Internethandel, Wissenschaftlern, Anbietern, mit dem Ziel, hieraus die essentiellen Bausteine eines möglichen lokalen Internethandels auszuwählen. Ziel ist es, auf den Punkt gebracht, mit relativ geringem Aufwand ein passgenaues "Aichacher-System" zu entwerfen. Die Stadt Schrobenhausen hat inzwischen erfreulicherweise ebenfalls ihr Interesse und Teilnahme an diesem Projekt mitgeteilt. Ferner haben die Kammern Schwaben und Oberbayern signalisiert, dieses Projekt zu begleiten.
myheimat: Zusammen mit den Aichacher Stadträten besuchten Sie im Frühjahr 2016 das neue Norma-Logistikzentrum im Acht300 Gewerbepark. Was hat Sie dort am meisten fasziniert und welche Bedeutung hat die Ansiedlung dieses Unternehmens für den Wirtschaftsstandort Aichach?
Wörle: Es war in der Tat sehr interessant und faszinierend, einen Blick hinter die Kulissen moderner Logistik zu werfen. Die hochmoderne Logistik bei Norma muss man einfach als State of the Art bezeichnen. Mit dem Logistikzentrum im Acht 300 Gewerbepark hat Norma ein Referenzobjekt geschaffen, an dem sich die Logistikindustrie orientieren kann. Das neue Logistikzentrum ist Basis für die bedarfssynchrone Belieferung der einzelnen Filialen, für ein sozusagen „Just in Time“ im Lebensmitteleinzelhandel. Nur über intelligente Logistik kann sichergestellt werden, dass die jeweiligen Filialen bedarfsgerecht beliefert werden und dass dann vor Ort anzuschauen, darüber waren sich wohl alle einig, war schon sehr beeindruckend. Dabei ist das in anderen Industriesparten aus reiner Wirtschaftlichkeit geforderte Unternehmenssteuerungskonzept „Just in Time“ im Lebensmittelbereich zusätzlich auch aus anderen guten Gründen unabdingbar. So müssen z.B. Salat und Obst auf Grund ihrer Haltbarkeit schnell, pünktlich und frisch geliefert werden. Natürlich spielt bei intelligenter Logistik auch der Standort des Logistikzentrums eine sehr bedeutende Rolle. Dass sich der Lebensmittel- und Logistikprofi Norma für den Acht 300 Gewerbepark entschieden hat, unterstreicht einmal mehr die Qualität des Standorts. Aber auch die ganze Region profitiert davon, dass sich Norma hier niedergelassen hat. Norma stellt hier rund 160 Mitarbeitern gute und sichere Arbeitsplätze zur Verfügung. Die unmittelbar davon ausgehenden Multiplikatoreffekte und auch von vergebenen Aufträge an lokale Unternehmen oder Handwerksbetriebe wirken sich stimulierend auf das wirtschaftliche Leben im Wittelsbacher Land aus.
myheimat: Die Sortimentsbeschränkung zum Schutz der Geschäfte in der Aichacher Innenstadt wurde – nach dem sie unbemerkt abgelaufen war – unbefristet verlängert. Was bedeutet das für den innerstädtischen Einzelhandel und die Kunden?
Wörle: Wenn man sich den innerstädtischen Einzelhandel aus der Perspektive der Leerstände im Stadtkern gesehen anschaut, muss man sagen, dass Aichach sehr gut im Verhältnis zu anderen Städten dasteht. Es gibt kaum Leerstände, das spricht eindeutig für Aichach und unterstreicht, dass auch die Stadtentwicklung federführend um Bürgermeister Klaus Habermann die richtigen Weichen gestellt hat. Ein Baustein, dass in Aichach die Situation so vorteilhaft ist, ist in der Sortimentsbeschränkung begründet. Sie wurde seinerzeit speziell für den innerstädtischen Einzelhandel ausgearbeitet und umgesetzt. Ziel der Sortimentsbeschränkung ist es, zu verhindern, dass in der Peripherie große Einkaufszentren entstehen können und die Innenstadt somit „ausstirbt“. Grundlage ist ein Einzelhandelsgutachten der LMU München um die Mitarbeiter Heinritz & Salm, das im Jahr 2006 erstellt wurde. Es definiert eine Liste der Sortimente, die nur in der Innenstadt verkauft werden. Auch über die Ausweitung auf die Martinstraße und die Sudetenstraße könnte nachgedacht werden. Eine Nachfrage bei den Experten hat aber ergeben, dass eine Aussage dazu ohne Aktualisierung der zehn Jahre alten Erhebungen nicht möglich sei.
myheimat-Team:Joachim Meyer aus Friedberg |
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