„Das Milchwerk ist ein echter Magnet“: Ein Interview mit Thomas Wörle (Wirtschaftsförderung der Stadt Aichach)

Wirtschaftsförderer Thomas Wörle | Foto: Stadt Aichach
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myheimat: Sinkende Umsätze beim stationären Handel, Leerstände in den Innenstädten – diese Probleme waren schon vor der Pandemie bekannt. Wie können Leerstände aus Ihrer Sicht vermieden werden?
Wörle: Das Thema ist nach meiner Meinung sehr komplex. Eine reduktionistische Betrachtungsweise wird hier keine Lösungen finden lassen. Leerstände in den Innenstädten sind zwar ein für den ersten Anblick einfaches sichtbares Erscheinungsbild, die Ursachen aber sind komplex und wenn, nicht einfach zu beeinflussen und zu stoppen wohl gar nicht. So wie die Ausstellung „Stadt im Wandel“ zeigt, dass sich Städte wandeln, so wandelt sich auch der Handel, ja vielmehr fast alle Bereiche unseres Wirtschaftslebens. Eine Hauptursache ist das Digitale, das in alle Wirtschaftsbereiche und Prozesse einzieht, dort vieles verändert und manches auch überflüssig macht. Unsere Bedürfnisse ändern sich, und ändern Angebot und Nachfrage. Und wenn für ein Angebot keine entsprechende Nachfrage besteht, dann ist es schwierig. Eine Kommune kann Rahmenbedingungen gestalten, steuern und auch neu schaffen, so dass sich wirtschaftliches Leben und Handel optimal entwickeln und entfalten können. Eine Maßnahme, die sich für den innerstädtischen Handel vielversprechend anhört, ist die autofreie Zone am Stadtplatz, eine andere Maßnahme war das Acht300 Gewerbegebiet. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass von Seiten der Kommunen keine ursächlichen Maßnahmen zur Stützung des Handels oder der Wirtschaft ergriffen werden können. Eine umfassende Unterstützung des innerstädtischen Handels, um Leerstände zu vermeiden, ist nicht möglich. Und stellen Sie sich nur mal hypothetisch vor, die drei am Stadtplatz ansässigen Banken schließen ihre Geschäftsstellen, was könnte da eine Kommune machen? Herausstellen möchte ich, dass in der Aichacher Innenstadt Leerstand momentan kaum ein Thema ist. Ganz im Gegenteil. Gerade in dem Bereich Bekleidung sind mit den Geschäften Heimatsport, Lieblingsteil und Zartherb in den letzten Jahren drei neue Geschäfte hinzugekommen, die sich bestens etabliert haben. Generell kann man sagen, dass der Aichacher Einzelhandel mit seinen Unternehmerpersönlichkeiten einen Weg gefunden hat, im stationären Einzelhandel erfolgreich zu sein.
myheimat: Viele Wirtschaftsexperten raten lokalen Händlern schon seit Jahren dazu, auf ein sogenanntes Multichannel-System zu setzen – also die Verbindung von Online- und Offline-Verkaufskanälen. Dazu zählen unter anderem eine eigene Webseite, Social Media, E-Commerce durch einen eigenen Online-Shop, digitale Marktplätze sowie Versandlogistik. Was können Sie von Seiten der Wirtschaftsförderung tun, um den stationären Handel auf diesem Weg zu unterstützen und zu begleiten?
Wörle: In der Tat bekomme ich fast täglich eine E-Mail eines Wirtschaftsexperten mit tollen Vorschlägen. Aber da Teile des Einzelhandels schon seit geraumer Zeit Probleme haben, stellt sich mir schon die Frage, ob diese Experten gute Ratschläge verteilen, oder ob sich doch nicht so viel dahinter befindet? Sonst dürfte der Einzelhandel keine Probleme haben. Wie ich oben schon angedeutet habe, ist die Thematik nicht ganz so einfach und es drängt sich mir der Gedanke auf, dass vieles von dem geäußerten Expertenwissen eher Glaubensbekenntnisse der verschiedenen Autoren oder Dienstleistungsanbieter sind. Im Bereich Wirtschaft ist es nicht so wie im Handwerk oder vielen Wissenschaften, dass Prognosen und Ratschläge immer richtig sind, da kann es auch ganz anders kommen als vorhergesagt. Warum sich viele Händler nicht auf die Online-Schiene begeben, ist, weil das Online-Geschäft ganz anderen Erfolgs- und Anforderungskriterien unterliegt als der stationäre Handel.

myheimat: Welche Rückmeldungen zum digitalen Schaufenster der Stadt Aichach haben Sie im abgelaufenen Jahr bekommen?
Wörle: Das digitale Schaufenster ist ein Online-Platz, auf dem sich Aichacher Unternehmen präsentieren und werben können. Ganz zentral auf der Website der Stadt Aichach. Viele Unternehmen haben sich dort bisher eingetragen. Mehr ist es nicht. Für den Raum Aichach betrachtet gibt es keine häufiger besuchte Internetseite. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass einige vielversprechende Apps, oder Vorhaben, die die Aichacher Geschäftswelt bewerben wollten, aufgrund mangelnden Nutzens bzw. Akzeptanz wieder eingestellt wurden.
myheimat: Auf dem ehemaligen Milchwerkareal tat sich im abgelaufenen Jahr einiges. Es wurde ein Büro- und Geschäftshaus errichtet und auf ein bestehendes Gebäude ein zusätzliches Stockwerk aufgesetzt. Was sagen Sie zu dieser erneuten Belebung des Areals?
Wörle: Ich finde es sehr gut, dass das Areal eine weitere Belebung erfahren hat. Was sich seit 2012 auf diesem Areal alles getan hat, kann zweifellos als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Es ist ein echter Magnet und eine Bereicherung für die Einkaufsstadt Aichach. Von der hohen Zugkraft profitiert auch die Innenstadt. Jetzt wurde entsprechend des städtebaulichen Gesamtkonzeptes ein vierstöckiges Büro- und Geschäftshaus im Süden des Areals errichtet. Das viergeschossige Gebäude verfügt über eine Fläche von ca. 270 m² pro Stockwerk. Das Erdgeschoss bezog ein Sanitätshaus, den ersten Stock eine Zahnarztpraxis. Den zweiten Stock nutzt eine Steuerkanzlei und im dritten Stock ist eine Praxis für Physiotherapie zu finden. Im Norden des Milchwerkgeländes wurde auf dem bestehenden Gebäude ein weiteres Stockwerk in Holzständerbauweise mit Glasfassade errichtet, das der Energiebauern GmbH die Möglichkeit zur Erweiterung ihrer Bürofläche gibt. Zusammen mit dem zusätzlichen Stockwerk stehen der Energiebauern GmbH und der Vallosol GmbH insgesamt rund 980 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung.
myheimat: Der Gewerbepark Acht300 der Stadt Aichach und der Gemeinde Dasing boomt weiterhin. Dort betreibt die Deutsche Post seit Juni 2021 einen neuen Zustellstützpunkt und versorgt bis zu 20.000 Haushalte mit Briefen und Paketen. Auf dem rund 6000 Quadratmeter großen Grundstück hat die Post einen Neubau mit modernster Technik und Logistik gebaut. Welche Faktoren waren dafür ausschlaggebend, den Stützpunkt ins Interkommunale Gewerbegebiet zu verlegen?
Wörle: Ich glaube, dass es einige Faktoren gegeben hat, warum die Post einen neuen Stützpunkt errichtet hat. Warum aber die Post ihren neuen Zustellstützpunkt genau dort im Acht300 Gewerbepark Aichach Dasing errichtet hat, liegt sicherlich an der verkehrstechnisch guten Lage. Für ein Logistikunternehmen wie die Deutsche Post, das die Endverbraucher im Raum Dasing und Aichach bedient, gibt es wohl schwer eine bessere Lage als dort im Gewerbepark.
myheimat: Die große Leistungs- und Verkaufsschau im Wittelsbacher Land, Wi-la, wurde zunächst verschoben und dann für das Jahr 2021 ganz abgesagt. Nun soll sie vom 6. bis 8. Mai 2022 stattfinden. Welche Zukunft haben derartige Gewerbeschauen in Zeiten des Internethandels?
Wörle: Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Gewerbeschauen, wie die Wi-la auch zukünftig erfolgreich sein können. Das unterstreichen auch die hohen Besuchszahlen der Vergangenheit. Generell werden Messen in erster Linie wohl nicht mehr gerbraucht, um sich über irgendwelche Sachverhalte zu informieren. Rein zur Wissensvermittlung gibt es heutzutage andere Medien. Was an Messen aber nach wie vor interessant ist, ist zum Beispiel der direkte Kontakt zu dem Unternehmen, das auf der Messe seine Leistungen vorstellt. Da kann es dann sehr schnell praktisch und konkret werden. Auf jeden Fall darf bei solchen lokalen Gewerbeschauen die Geselligkeit nicht zu kurz kommen. Hier müssen Gastronomie und anderes mit eingebunden werden, so dass eine attraktive Veranstaltung für alle Bürger entsteht.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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