173000 Euro für die Volksmusik
Volksmusik zu einer Renaissance verhelfen, gleichzeitig Identität und touristische Werte schaffen – das sind die Ziele eines Projektes, das vor wenigen Tagen in den beiden Landkreisen Aichach-Friedberg und Dachau startete. Dabei entsteht in den nächsten drei Jahren eine regionale Musikbibliothek, man knüpft ein Netzwerk von rund 300 Musikgruppen, mündlich überliefertes Liedgut soll niedergeschrieben und verlegt werden. Damit auch die nachfolgenden Generationen in regionalen Traditionen ihre Wurzeln finden, bietet man in den Kindergärten und Schulen Seminare an. Im besten Falle können dabei unter den Lehrkräften Multiplikatoren ausgebildet werden, die die kulturelle Arbeit nachhaltig fortsetzen.
Rund 173000 Euro wird das Projekt kosten. Dessen Träger sind die Lokalen Aktionsgruppen (LAG) „Wittelsbacher Land“ und Dachau Agil. Die beiden Regionalentwicklungsvereine geben knapp 86400 Euro in den Topf. Der Rest sind Fördergelder des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Leader in ELER). Der zuständige Leader-Manager Erich Herreiner übergab jüngst in Altomünster den Zuwendungsbescheid an die Projektträger. Dabei erklärte er: „Ich bringe hier keine Geschenke. Die Förderung ist mit Zielen verbunden: Wir unterstützen die ländliche Region auf ihrem selbstbestimmten Weg, ihre natürliche und kulturelle Identität zu erhalten.“
Dies ist auch nach den Worten von Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer wichtig: „Wir wären um vieles ärmer, wenn wir die Werte, die über Jahrhunderte gewachsen sind, verlieren würden“, meinte er. Diese Gefahr ist gegeben, bestätigt Siegfried Bradl. Der schwäbische Bezirksmusikpfleger im Landkreis Aichach-Friedberg und stellvertretender Vorsitzender des Vereins für Bairische Sprache stellt fest, dass in den Familien und Schulen traditionelle Kultur immer weniger gepflegt und überliefert werden. Brauchtum, Liedgut und Dialekt gingen so verloren – und damit auch das Selbstbewusstsein der Dörfer und Menschen. Sowohl im Dachauer als auch im Wittelsbacher Land sorge die Nähe zu den Großstädten München und Augsburg dafür, dass heimische Kultur verdrängt würden von einer beliebigen Allerwelts-Lebensart, die die Menschen entwurzle und heimatlos mache.
Im November 2012 wurde deshalb ein „Verein für Volkskultur im Dachauer und Wittelsbacher Land“ gegründet. Er hat sich neben der Pflege der Musik auch der Bewahrung von Sprache, Brauchtum und Tanz verschrieben. Der Verein wird das Volksmusikprojekt maßgeblich begleiten und es nach dem Jahr 2015 dauerhaft weiterführen. Vereinsvorsitzender Rupert Reitberger, stellvertretender Landrat des Landkreises Aichach-Friedberg, spricht von einer „Herkulesaufgabe“. Die begleitet in den nächsten beiden Jahren ein Projektmanager, der auf Honorarbasis die Grundsteine für die geplante Musikbibliothek, für die Vernetzung der Kulturschaffenden und die Ausbildung der Multiplikatoren legt. Die Stelle des Projektmanagements wird demnächst ausgeschrieben.
„Volksmusik im Wittelsbacher und Dachauer Land“ ist ein bayernweites Pilotprojekt zum Erhalt regionaler Kultur. Das Konzept ist zudem ungewöhnlich, weil es über die Regierungsgrenzen hinaus angelegt ist: Das Wittelsbacher Land ist Teil Schwabens, das Dachauer gehört zu Oberbayern. Freilich sind diese Grenzen nur verwaltungstechnisch und politisch gewollt; kulturell gehören die beiden Landkreise zweifelsfrei zu Altbayern. Erst die Gebietsreform 1972 schlug sie zwei verschiedenen Regierungsbezirken zu. Heinz Eichinger, Bürgermeister von Vierkirchen und Vorsitzender von Dachau Agil, ist zuversichtlich: „Wir werden dem Projekt über die Grenzen hinweg zu Erfolg verhelfen.“ Es sei ja nicht so, dass Volksmusik am Aussterben ist. „Volksmusik wird ja nach wie vor gerne konsumiert. Aber immer weniger ausgeübt.“
Bürgerreporter:in:Konstantin Kohler aus Aichach |
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