Heinrich Seidenfaden wird am 6. Februar 1837 in Rinteln hingerichtet
Am 6. Februar 1837 wurde in Rinteln der Raubmörder Heinrich Seidenfaden, Anführer einer 300 Köpfe zählenden Räuberbande und aus Obernkirchen stammend, mit dem Schwert enthauptet. Deutschlandweit zog das Ereignis ein großes mediales Interesse nach sich. Scharfrichter Johann Heinrich Dietz (1792-1841) handelte nämlich mangelhaft, was zu Grauen und Empörung unter den anwesenden Menschenmassen führte. Er musste unter dem Schutz der Behörden in Sicherheit gebracht werden.
„In Rinteln wurde ein gewisser Seidenfaden aus Obernkirchen, eines der gefährlichsten Mitglieder der Diebsbande, welche in den Jahren 1825 c. im Schaumburgischen hauste, mit dem Schwerte hingerichtet. Der Scharfrichter Dietz von Nienburg, welcher das Todesurtheil zu vollziehen beauftragt war, trennte aber leider erst mit dem fünften Hiebe das Haupt des Delinquenten vom Rumpfe! Die unzähligen Zuschauer wurden durch diese Mezelei so empört, daß es gewiß ein Glük für den Scharfrichter war, daß er auf Verfügung des mit dem Schaffot anwesenden Polizeibeamten durch die Gendarmerie verhaftet und unter dem Schuze der Bürgergarde in das Gefangenhaus nach Rinteln transportirt wurde“, verlautete am 20. Februar 1837 in der „Allgemeinen Zeitung“ in München.
Der Delinquent Heinrich Seidenfaden, unehelicher Sohn eines kurhessischen Husaren aus Rolfshagen, Jahrgang 1797, „ein junger Mann von gewaltiger körperlicher Kraft“ (Der neue Pitaval, Leipzig 1855), hatte in den Jahren ab 1826 im Schaumburgischen sein Unwesen getrieben. Da hatte er bereits eine zweijährige Zuchthausstrafe abgesessen. Zuletzt beging er mit einem seiner Spießgesellen, dem Hufschmied Friedrich Wilhelm Mühlhaus, den Mord am Bandenmitglied Nagelschmied Caspar Funk, von dem sie fürchteten, dass er sie verraten würde, weil er steckbrieflich gesucht war. Funk war im Lauf des Jahres 1826 bei einem nächtlichen Einbruch in der Stadt Sachsenhagen ergriffen worden. Ihm gelang es damals, zu entspringen und sich über die hannöversche Grenze zu retten. In Alfeld fand er bei einem Nagelschmied Arbeit, wurde nach 14 Tagen aufgegriffen und verhaftet. Ihm gelang es abermals, zu fliehen, diesmal im Zuge des Transports aus dem Gefängnis in der Stadt Elze.
Nachdem sie ihn nun einige Zeit im Wald bei Obernkirchen verborgen und ernährt hatten, bewogen Seidenfaden und Mühlhaus den Funk, sich einen Schlupfwinkel in der Erde zu graben. Funk war damit auch schon fast fertig, als Seidenfaden und Mühlhaus wohl morgens im April 1826 mit Branntwein und einer Axt zu ihm gingen, ihn betrunken machten und mit einem Axthieb gegen den Kopf töteten. Er wurde sodann in dem selbstgegrabenen Loch verscharrt. Erst nach einem Dreivierteljahr kam der Mord durch Unvorsichtigkeit ans Tageslicht. Die Mörder wurden am 19. Januar 1827 gemeinsam mit dem Steinhauergesellen Keil, der mit Mühlhaus im Bückeberger Steinbruch gearbeitet und dem sich Mühlhaus anvertraut hatte, eingezogen und in Ketten gelegt. Am 24. Dezember 1829 fällte das Obergericht zu Rinteln das Urteil. Mühlhaus und Seidenfaden sollten durch das Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden, die Ehefrau des Nagelschmieds Scheurer, die in Obernkirchen einen ziemlich einträglichen Kram- und Trödelhandel trieb und die Bande zu den Diebstählen animierte, erhielt wegen geleisteter Beihilfe bei der Ermordung und Begünstigung der Diebstähle sechs Jahre Zuchthaus, ihr Mann und der Steinhauer Keil wurden freigesprochen.
Jedoch wusste Heinrich Seidenfaden in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1830 sich der stärksten Fesseln zu entledigen und aus dem Gefängnis zu Rinteln nach Holland zu entkommen. Mühlhaus hingegen wurde am 15. Januar 1831 in Rinteln hingerichtet, nachdem der Kurfürst sein Gnadengesuch verworfen hatte. Heinrich Seidenfaden trat unter dem Namen Wilhelm Wiggers als Korporal in holländische Dienste, war bei der Besatzung von Antwerpen dabei und ging später nach Paramaribo in Surinam (Niederländisch-Guayana). Anfang 1836 wurde er, als er mit einigen deutschen Matrosen, darunter dem Matrosen Jakob Null aus Krainhagen, bei einer Flasche Wein saß und das Gespräch auf sich und die Seinen gebracht hatte, erkannt und verraten, festgenommen und der kurhessischen Behörde ausgeliefert. An dem Jahrestag seiner früheren Flucht machte er sich übrigens wieder von seinen Fesseln frei, öffnete sehr geschickt die Tür seiner Zelle und war schon bis auf den Gang gelangt, als er wieder ergriffen wurde. Am 6. Februar 1837 wurde nun das schon früher gegen ihn ausgesprochene Todesurteil vollstreckt. Mit Blick auf das öffentlichkeitswirksame Ereignis hatte man die Tages- und Nachtwachen verstärkt. Das Schafott, das nun erneut in hölzerner Bauweise auf dem „Heinekamp“ bei Engern aufgestellt wurde, betrat Seidenfaden „in ausgezeichneter Ruhe, Standhaftigkeit und Ergebung“ (Der neue Pitaval).
Der unglückliche Scharfrichter an jenem 6. Februar 1837 war Johann Heinrich Dietz, geboren am 7. Februar 1792 in Landringhausen und gestorben am 17. April 1841 in Nienburg. Er war von 1821 an Halbmeister (Abdecker) in Münder und seit 1825 Scharfrichter in Nienburg/Weser gewesen. Eine Akte im Niedersächsischen Landesarchiv (NLA HA Hann. 80 Hannover Nr. 02252) behandelt die Konzession für den Nachrichter Johann Christian Kaiser zu Helldieck im Amt Freudenberg zur Nachrichterei in den Ämtern Nienburg und Liebenau sowie für Johann Heinrich Dietz im Zeitraum 1810-1836. Dietz war es übrigens in der Vergangenheit gewesen, der vor 30.000 Menschen am 21. April 1831 in Bremen mit einem einzigen Schwerthieb die Giftmörderin Gesche Gottfried (1785-1831) erfolgreich vom Leben zum Tode gebracht hatte. Gottfried hatte in den Jahren von 1813 bis 1827 in Bremen insgesamt 15 Menschen vergiftet, darunter ihre Eltern, drei Kinder und zwei Ehemänner. Johann Christian Göpel, der letzte Bremer Scharfrichter, war schon 1822 gestorben, daher hatte man auf Dietz zurückgreifen müssen. Und das war in diesem Fall ja auch gut so.
Bürgerreporter:in:Matthias Blazek aus Adelheidsdorf |
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