Stadtkapelle Wertingen: Der Kontrast als musikalisches Prinzip beim Galakonzert
Die Wertinger Bläserphilharmonie begeistert mit einem glänzenden Auftritt im Dillinger Stadtsaal
Von Erich Pawlu
Auf leichte Kost war das Galakonzert der Bläserphilharmonie nicht ausgerichtet. Das Programm umfasste Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts, die mit ihrer Lust an Dissonanzen, an atonalen Effekten und an verfremdeten Zitaten ganz neue Klangbilder erschaffen.
Das offenbar sachkundige Publikum im Dillinger Stadtsaal quittierte schließlich diese Demonstration musikalischer Modernität mit der angemessenen Modernität des Beifalls, mit „Standing Ovations“. Allerdings hatte der gleichzeitige Georgi-Markt in Dillingens Zentrum zahlreiche potenzielle Besucher absorbiert und viele leere Plätze in den Sitzreihen verursacht. Aber die anwesenden Musikfreunde empfanden das Konzert als eindrucksvolle Demonstration musikalischer Präzision und koordinierter Klangfülle.
Bestes Höchststufenorchester
Die Bläserphilharmonie der Stadtkapelle Wertingen ist bei überregionalen Wettbewerben immer mit Bestnoten und 2013 beim Bundesmusikfest in Chemnitz sogar mit dem Titel „Bestes Höchststufenorchester Deutschlands“ bewertet worden. Beim vorösterlichen Konzert im Stadtsaal belegte die Interpretation der anspruchsvollen Stücke sehr überzeugend die herausragende Qualifikation der mehr als 60 Bläser.
Mit exakter Zeichengebung führte Tobias Schmid seine Instrumentalisten exakt und ohne jede Panne durch die innovativen Überraschungen der Kompositionen. Souverän bewältigten die Bläser den ständigen Rhythmuswechsel, und mit verblüffender Sicherheit zauberten sie die unterschiedlichsten Tongemälde in den Saal.
Der „William-Blueheart-Marsch“ des Holländers Rudy Böhmer, der an traditionelle Muster anknüpft, erklang als dynamische Steigerung von einer sanften Moll-Einleitung zu einer pathetisch abschließenden Überhöhung. Die Sängerin Carola Egger gab dem Licht beim Kampf gegen die anstürmende Dunkelheit in „Angels in the Architecture“ des Amerikaners Frank Ticheli vokale Zuversicht und Stärke. Mit Einleitung und Schlusssequenz verdeutlichte sie, zusammen mit der antithetischen Spannung der orchestralen Symphonik im Kernstück, die metaphorische Übertragung des biblischen Engelkampfes auf Licht und Schatten des Lebens.
Die 1970 entstandene „Hymne à la musique“ des Franzosen Serge Lancen glänzte mit ihrem Wechsel von meditativer Verträumtheit zu hymnischem Jubel. Und zwei Sätze aus „Marea Negra“ von Antón Alcalde, die an die Ölpest von 2002 an der spanischen Küste erinnern, interpretierten die Bläser als experimentell konzipierten Aufschrei der gequälten Natur und als optimistischen Ausblick auf den Sieg der Vernunft.
Bläserphilharmonie wurde allen Anforderungen gerecht
Einen besonderen Rang in der Vortragsfolge beanspruchte die Orchestersuite „Die Planeten“ des Briten Gustav Holst. Der Komponist stützt sich auf astrologische Charakterisierungen von sieben Planeten. Nach dem Muster spätromantischer Programmmusik assoziiert er mit abwechslungsreichen Ideen den Mars mit Krieg, die Venus mit Frieden, den Merkur mit den Aufgaben des Himmelsboten, den Jupiter mit Fröhlichkeit, den Saturn mit Altersweisheit, den Uranus mit Magie und den Neptun mit Mystik. Gespannt verfolgten die Zuhörer die kontrastierenden Impressionen, die durch instrumentale Solostimmen und am Schluss durch einen elektronischen Frauenchor zusätzliche emotionalisierende Wirkung erhielten. Die Bläserphilharmonie bewies mit diesem Stück ihre Fähigkeit, allen Anforderungen zeitgemäßer Kompositionskunst gerecht zu werden. Diesen Eindruck bestätigten auch die Zugaben: Auf „Star-War“-Melodien (Folge 7 „Das Erwachen der Macht“) folgte der beruhigende Abschluss mit dem Kanon „Dona nobis pacem“ im Arrangement von Ted Huggens.
Das ganze Ensemble hatte bestätigt, was Präsident Christian Hof angekündigt hatte, als er einleitend die Besucher – unter ihnen Oberbürgermeister-Stellvertreter Walter Fuchsluger – begrüßt und die Bläserphilharmonie als ein in ganz Süddeutschland bekanntes Spitzenensemble vorgestellt hatte.