"Die Stadthalle ist zu einer unverzichtbaren Größe für das Zusamtal geworden": Interview mit Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier
mh bayern: Die Stadthalle ist erst seit acht Jahren in Betrieb, jetzt muss bereits das Dach saniert werden. Bisher konnte jedoch keine Firma gefunden werden, die die Spenglerarbeiten ausführt, so dass der Baubeginn von 2011 auf 2012 verschoben werden musste. Wie wird es 2012 aller Voraussicht nach weitergehen? Kann während der Bauarbeiten die Stadthalle weiterhin genutzt werden? Bereut der Stadtrat bereits die Errichtung der Stadthalle?
Willy Lehmeier: Wir haben einen neuen Bauzeitenplan entwickelt. Danach sollen die Arbeiten am 19.03.2012 beginnen. Die Halle ist ab diesem Zeitpunkt bis 02.07.2012 für den Schul- und Vereinssport sowie für alle Veranstaltungen komplett gesperrt. Vom 06.07. bis 10.09.2012 wird die Halle erneut gesperrt. Je nach Baufortschritt kann in diesen Wochen die Halle teilweise benutzt werden. Im Zuge der Sanierungsmaßnahmen soll auf dem Hauptdach eine Photovoltaikanlage installiert werden. Dabei wird die Stadt neben 1 Million für die Sanierung zusätzlich rund 200.000 Euro für die Photovoltaikanlage aufwenden. Die notwendigen Arbeiten am Dach ärgern einen sicherlich. Dennoch ist die Stadthalle in den vergangenen Jahren zu einer unverzichtbaren Größe für das Zusamtal geworden. Ob nun Benefiz-Gala, Kabarett, Konzert oder Fußballturnier; die Menschen strömen in Scharen in die Stadthalle und sind von der Atmosphäre und den Veranstaltungen begeistert.
mh bayern: Die Bürgerfragestunde soll wieder eingeführt werden. Mit welchen Anliegen können sich die Wertinger an den Stadtrat wenden? Wird jede Anfrage im Vorfeld bearbeitet und dann vor der Sitzung im Beisein des Fragestellers besprochen?
Willy Lehmeier: Die Bürgerfragestunde wurde im April 2011 wieder eingeführt. Jeder Bürger kann Fragen, sieben Tage vor der entsprechenden Stadtratssitzung, schriftlich bei der Verwaltung einreichen. Damit soll der Verwaltung ausreichend Zeit gegeben werden, die Fragestellung in der Sitzung direkt beantworten zu können.
mh bayern: Wertingens Jugendliche können sich auf das nächste Jahr freuen, wenn das neue Jugend- und Kulturforum nach Fertigstellung der Umbau-Arbeiten eröffnet wird. Wird es eine offizielle Eröffnung geben und warum sehen Sie das neue Jugendzentrum nach eigener Aussage als eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre?
Willy Lehmeier: Es wird sicherlich in Absprache mit dem Investor eine offizielle Eröffnung geben. Wir rechnen im Januar/Februar 2012 damit. Die Anforderungen an unsere Gesellschaft wachsen ständig und damit auch an unsere Jugendlichen. Dabei spielt ein Jugendzentrum für viele Jugendlichen eine extrem wichtige Rolle. Dort finden sie Ausgleich, Unterstützung bei vielen Problemen, Sicherheit sowie Geborgenheit. Dies wird in Wertingen durch eine professionelle Betreuung erreicht. Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Schwund an jungen Mitgliedern. Diese Entwicklung trifft im Moment fast alle Vereine und eine gut vernetzte Jugendarbeit, ob offen oder im Verein, kann hier entgegenwirken. Deshalb ist und bleibt Jugendarbeit eine der wichtigsten Aufgaben einer Stadt.
mh bayern: Das Kinderhaus Sonnenschein bekommt nun den von Betroffenen langersehnten Neubau. Für Familien ist eine moderne Kinderbetreuung vor Ort ein wichtiger Standortfaktor. Was wurde speziell in diesem Jahr für (junge) Familien in Wertingen getan?
Willy Lehmeier:Wir nehmen dieses und nächstes Jahr rund 1,3 Millionen Euro in die Hand und verbessern die Raumsituation am Kinderhaus Sonnenschein. Das ist für unsere Stadt ein Kraftakt, weil die staatliche Förderung dabei nur rund 250.000 Euro beträgt. Daneben wird ein neues Baugebiet mit 50 Bauplätzen erschlossen. Hier wünscht sich die Stadt viele junge Familien mit Kindern. Der Stadtrat fördert in diesem Baugebiet jedes Kind mit 2.000 Euro. Diese Summe wird beim Erwerb vom Grundstückspreis in Abzug gebracht. Auch im schulischen Bereich wurde eine Verbesserung erzielt. So wurden die Wochenstunden für die Schulsozialarbeit an der Grundschule Wertingen erhöht.
mh bayern: Auch 2011 gingen die Diskussionen um die Overfly-Brücke weiter. Gegner kritisieren unter anderem die drastisch gestiegenen Kosten und stellen auch nach dem Bürgerentscheid im letzten Jahr den Bau immer wieder in Frage. Wie wird es hier weitergehen? Wird es einen Kompromiss geben, mit dem alle Beteiligten leben können?
Willy Lehmeier: Wir haben dieses Projekt seit 2009 intensiv im Stadtrat, in den Ausschüssen und in öffentlichen Veranstaltungen diskutiert. Wir haben einen Stadtratsbeschluss und einen Bürgerentscheid, die sich beide mehrheitlich für den Umbau der Laugnakreuzung ausgesprochen haben. Über eine öffentliche Anhörung wurden Bedenken und Hinweise aus den Fachbehörden und der Bevölkerung aufgenommen. Diese werden zurzeit von der Regierung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens abgewogen. Danach erhoffe ich einen positiven Bescheid, der uns das Baurecht für diese wichtige Maßnahme gestattet.
mh bayern: Grundsätzlich einig ist sich der Stadtrat, dass eine Seniorenresidenz in Wertingen gebaut werden soll. Uneinigkeit herrscht jedoch beim Standort. Einige befürworten den Standort an der Zusaminsel, andere hingegen den Laugna-Parkplatz. Welche Gründe sprechen für und gegen beide Standorte und wann wird es eine Entscheidung geben?
Willy Lehmeier: Beide Standorte haben ihre Vorteile. Auf der einen Seite viel Idylle und Natur an der Zusam, auf der anderen Seite viel Fläche und gute Erreichbarkeit am Alten Turnplatz. Zu einer Entscheidung wird es dann kommen, wenn Stadtrat, Investoren und Anlieger eine Variante mehrheitlich tragen und von ihrer Umsetzung überzeugt sind.
mh bayern: Im August erwähnten Sie, dass Wertingen seine hohe Schuldenlast zum Ende des Jahres zurückfahren könne. Erste Schätzungen gingen von einer Verschuldung von 18,2 Millionen. Euro zum Ende des Jahres aus. Sie hofften jedoch, die Schulden auf unter 18 Millionen Euro senken zu können. Wie ist der gegenwärtige Stand der Dinge und warum ist Wertingen so hoch verschuldet?
Willy Lehmeier: Wir schaffen es tatsächlich, die Verschuldung dieses Jahr unter 18 Millionen zu drücken. Dabei haben uns die sehr gute wirtschaftliche Lage und damit eine Gewerbesteuereinnahme von 7,3 Millionen Euro geholfen. Als ehemaliger Landkreis Wertingen und heutige Stadt mit vielen Einrichtungen bleibt es nicht aus, dass wir immer wieder sehr hohe Millionenbeträge unabhängig von der Wirtschaftslage zeitnah investieren müssen, um gewachsene Strukturen zu erhalten. Ich denke da an das Kreiskrankenhaus, aber auch an die Schulen, Kindergärten und den Kanal- und Straßenbau.
mh bayern: Gegen das geplante Windrad in Langenreichen liefen auch einige Bewohner Hirscbach noch Anfang des Jahres Sturm. Haben die Ereignisse in Fukushima in Wertingen und Hirschbach hinsichtlich des geplanten Windrades in Langenreichen ein Umdenken bewirkt? Wird darüber hinaus in Wertingen auf erneuerbare Energien gesetzt?
Willy Lehmeier: Die Ereignisse in Fukushima haben sicherlich die Menschen eine Zeit lang bewegt. Ein Umdenken hat bei vielen Menschen aber bereits weit vor diesen Ereignissen stattgefunden. So sind Photovoltaikanlagen fester Bestandteil in den Wohngebieten und in der Landwirtschaft. Der Landkreis hat mit 47 Biogasanlagen eine sehr hohe Dichte erreicht. Nach meiner Meinung können wir das Thema Windkraft nur im Verbund mit Nachbarkommunen sinnvoll umsetzen. Deshalb stehe ich schon seit einiger Zeit mit Meitingen, Buttenwiesen, Laugna und Biberbach im Kontakt. Ein Planungsverband mit einer Konzentrationsfläche für einen Windpark ist dabei mein Ziel.
mh bayern: Die Wertinger Schlossmauer muss saniert werden - rund 780.000 Euro sind dafür veranschlagt. Viel Geld für eine Mauer. Warum ist Ihrer Meinung nach das Geld gut investiert und welche Rollen spielen die Mauer und das Wertinger Schloss im Leben Wertingens?
Willy Lehmeier: Das Schloss mit seinem Schlossgraben und seiner Schlossmauer sind ein Wahrzeichen von Wertingen. Seit Jahren stehen das Schloss mit Schlosskeller und Schlossgraben der Bevölkerung für Veranstaltungen zur Verfügung. Ein immenser Gewinn für eine Stadt, mitten im Herzen ein geschichtsträchtiges Denkmal zu haben, das jede Woche mit Leben erfüllt ist. Aber auch eine große Verpflichtung, diesen Schatz zu erhalten.
mh bayern: In Wertingen war 2011 einiges los: Stadtfest, Kunsthandwerkmarkt, Volksfest… Welche Veranstaltungen in Wertingen haben Sie am meisten genossen?
Willy Lehmeier: Das Gelöbnis der Bundeswehr am 31.08.2011 in Wertingen. Es war für mich ein besonderes Ereignis nach der Abschaffung der Wehrpflicht zum ersten Mal in Wertingen Freiwillige aus ganz Deutschland begrüßen und ihnen Dank sagen zu dürfen, für ihren freiwilligen Einsatz für uns alle.
mh bayern: Die Sanierungsarbeiten am Wertinger Krankenhaus wurden in diesem Jahr beendet und damit einhergehend auch die Diskussionen um den Standort Wertingen, der in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt wurde. Sowohl für junge Familien als auch für Senioren ist ein Krankenhaus vor Ort von großer Bedeutung. Was wurde darüber hinaus für beide Zielgruppen in Wertingen in diesem Jahr getan?
Willy Lehmeier: Jungen Familien bieten wir ausreichend Betreuungsplätze von der Kinderkrippe, über den Kindergarten bis hin zum Hortplatz. Hier muss jedes Jahr aufs Neue der Bedarf erarbeitet, die Unterbringung, das Personal und die Finanzmittel bereitgestellt werden. Daneben unterstützen wir finanziell die Vereine. Ob nun die Musikschule oder der TSV Wertingen. Damit können junge Familien auf ein hervorragendes und vielfältiges Freizeitangebot für ihre Kinder zurückgreifen. Dies schreibt sich aber nicht von selbst jedes Jahr fort. Viele Ehrenamtliche sind dabei die tragende Säule, damit eben jedes Jahr ein gutes Freizeitprogramm angeboten werden kann. Daneben organisiert die Stadt das Kinderferienprogramm. Dieses wurde unter Mithilfe des Stadtjugendpflegers dieses Jahr ausgebaut. Neu war so z.B. der Spieletag im Schlosskeller, das Kinder-Wald-Camp oder das Jugendkonzert in der Stadthalle.
Ach ja, einen Menschen-Kicker haben wir auch angeschafft. Seinen ersten Einsatz hatte er am Familiennachmittag des Mehrgenerationenhauses.
Im Seniorenzentrum wurde die ambulante Betreuung für Personen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung zur Entlastung der Angehörigen geschaffen. Eine zusätzliche Betreuung durch Fachkräfte für Bewohner mit Demenz oder Alzheimer-Erkrankungen wurde ebenfalls eingeführt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wird von den Landesverbänden der Pflegekassen beauftragt, in zugelassenen Pflegeinrichtungen Qualitätsprüfungen durchzuführen. Bei der diesjährigen Prüfung erreichte die städtische Einrichtung die Gesamtnote von 1,0. Im baulichen Bereich wurde der Speisesaal durch Schiebelemente vergrößert und der vorhandene Brunnen künstlerisch gestaltet. Zudem wurde am seniorenpolitischen Gesamtkonzept für den Landkreis Dillingen mitgewirkt. Darin wurden elf Handlungsfelder, von Orts- und Entwicklungsplanung über Wohnen zu Hause bis Hospiz- und Palliativversorgung erarbeitet, die dann in den Kommunen Schritt für Schritt verbessert und umgesetzt werden sollen.
mh bayern: Herzlichen Dank, Herr Lehmeier, für das Interview!