Gut ist nicht gut genug - Frauencafe am 2.11.2013 in Stadtallendorf

Am Büchertisch
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Beim Frauencafe am 2.11.2013 gab es einen interessantes Referat über Perfektionismus von Pastorin Dorothea Weiand der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Hassenhausen und dazu bunte Unterhaltung von Hans-Jürgen Gremm.

Hans-Jürgen Gremm ist dadurch in Stadtallendorf tätig, dass er Reisen für behinderte Menschen organisiert und eine Herzsportgruppe leitet. Beim Frauencafe betätigte er sich aber als Unterhalter und sorgte für die musikalischen Beiträge. Dazu gehörten auch Titel von Ivan Rebroff, die er in passender Kleidung darbot. Wenn man ihn gelassen hätte, dann hätte er das Programm vom ganzen Nachmittag gestaltet, und es wäre keine Zeit mehr für andere Beiträge wie den Vortrag von Dorothea Weiand gewesen.

Den Vortrag gab es nach einem kleinen Anspiel von Hiltrud Löhnert, in dem es um einen Direktor und seinen Diener geht. Der Diener muss verschiedene Aufgaben erfüllen, kann jedoch nie den Direktor zufriedenstellen, der ausgiebig auflistet, was er eigentlich alles noch erwartet hatte. Als der Direktor krank wird, lässt er den Diener einen Arzt holen. Der Diener kommt erst nach zwei Stunden zurück und wird entlassen. Das erstaunt ihn, hat er doch in der Zwischenzeit diverse Ärzte, Krankenschwestern und Material herbeigeschafft, da er davon ausgegangen war, dass der Direktor mit nur einem Arzt nicht zufrieden sein würde.

Dorothea Weiand erläuterte anschließend ausführlich, wieso man in der Regel nicht erfolgreich ist, wenn man alles perfekt machen möchte. Zwischendrin gab es kleine Denkpausen, in denen sich die Teinehmer darüber austauschen konnten, wo ihnen Perfektionismus begegnet, was sie zum Perfektionismus verführt oder wie man damit umgehen kann. Am Ende gab es noch kleine Glasperlen als Erinnerung daran, dass man im Leben lieber auf Schatzsuche statt auf Fehlersuche gehen sollte.

Mit einer musikalisch unterlegten Meditation endete das Frauencafe.

Übrigens werden noch Helfer gesucht, die bei den kommenden Veranstaltungen bei der Vorbereitung oder beim Abbauen helfen.

Gut ist nicht gut genug
Perfekt möchten wir alle sein - aber das ist nicht unbedingt erstrebenswert, da es uns meist nichts bringt außer vermeidbarem Stress. In ihrem "nicht perfekten" Vortrag erläuterte dies Dorothea Weiand anhand der folgenden Fragestellungen:
- Was ist Perfektionismus?
- Welche Ursachen gibt es dafür?
- Was bewirkt Perfektionismus?
- Wie denkt eigentlich ein Perfektionist?
- Wie können wir mit den perfektionistischen Tendenzen in uns umgehen?

Was ist Pefektionismus?
Perfektionisten streben nach Vollkommenheit, um Ängste abzubauen oder geringes Selbstwertgefühl zu stärken. In gewissem Maße neigt fast jeder dazu, in bestimmten Bereichen perfekt zu sein. In manchen Fällen ist das auch gut so - so möchten wir sicher, dass der Zahnarzt eine Füllung perfekt anpasst oder die Bremsen im Auto perfekt funktionieren.
Dosiert eingesetzter Perfektionismus ist etwas Wertvolles, aber manchmal streben Menschen danach, fehlerfreie Höchstleistungen zu erbringen, die nicht nötig oder nicht möglich sind. Dann kann aus Ordnung Pedanterie werden (alle Tassen im Schrank mit Henkel nach Rechts!), aus guter Planung Überplanung oder aus Standhaftigkeit Sturheit.
Wenn ein gesundes Verbesserungsbedürfnis zum Optimierungszwang wird, dann wird selbst der Urlaub anstrengend, weil wir zu hohe Ansprüche stellen. Perfektionsmus ist unbarmherzig und unmenschlich.

Welche Ursachen gibt es dafür?
Perfektionismus ist angeboren und erlernt - wir werden mit charakterlichen Grundzügen geboren, sind aber auch den Erwartungen der Mitmenschen ausgesetzt, z.B. den Erwartungen eines Lehrers, genauso gut in der Schule zu sein wie die Geschwister. Wir können Perfektionismus lernen, aber auch umlernen - solange wir nicht versuchen, den Perfektionismus perfekt zu beseitigen. Nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unser Bild von der Zukunft prägt uns.

Was bewirkt Perfektionismus?
Perfektionismus führt zu Stress, Eile, Zeitdruck und Unzufriedenheit. Allerdings ist nicht die Situation für unseren Stress verantwortlich, sondern wie wir damit umgehen. Perfektion ist des Guten zuviel, und Perfektionismus ist nicht die Antwort auf die Frage nach dem Glück. Zum Glück ist ein Umdenken möglich.

Wie denkt eigentlich ein Perfektionist?
Perfektionisten denken in Gegensätzen: alles oder nichts, perfekt oder wertlos. Sie neigen zum Über- oder Untertreiben. Versagen wird großgeschrieben, Erfolg aber nicht.
Negatives Denken wird auf andere übertragen. Wenn ein anderer nicht so gut drauf zu sein scheint, nimmt der Perfektionist an, dass es an ihm läge.
Perfektionisten bauen unüberwindbare Hürden auf, weil ihre Ansprüche so hoch sind, dass sie nicht mehr anfangen möchten. Oder sind im Teufelskreis, dass sie sich wegen unerreichbarer Ziele schlecht fühlen und noch mehr anstrengen wollen.
Ein gesund denkender Mensch beurteilt seine Leistung, der Perfektionist sich anhand der Leistung. Ich beurteile meine Leistung und nicht meine Leistung mich.

Perfektionisten erzielen aber normalerweise keine Top-Leistungen - die erzielt man nämlich bei mittelmäßiger Anstrengung. Das ist als Pareto-Prinzip bekannt: Mit 20 Prozent Aufwand erreiche ich 80 Prozent der Wirkung. Für die übrigen 20 Prozent muss ich also einen unverhältnismäßig hohen Aufwand treiben.
Dorothea Weiand denkt, wenn bei ihr perfektionistische Tendenzen zu stark werden, gerne an eine Kuh. Eine Kuh ist die meiste Zeit des Tages mit Kauen beschäftigt und wirkt unproduktiv, aber abends gibt sie tolle Milch.

Wie können wir mit den perfektionistischen Tendenzen in uns umgehen?
Ereignisse können je nach Bewertung unterschiedliche Gefühle auslösen, z.B. bei einem verpassten Zug kann ich mich darüber ärgern ("Ich Dussel"!) oder mich freuen, noch Zeit für eine Tasse Kaffee zu haben.
Ich kann an dem Ereignis nichts mehr ändern, aber ich bewerte das Ereignis.
Ich entscheide, ob ich mich ärgere oder einem anderen Beteiligten Böses unterstelle (z.B. dass er etwas mit Absicht kaputt gemacht hat). Ich entscheide, ob ich mich über 90 Prozent, die fertig geworden sind, freue, oder stattdessen über die fehlenden 10 Prozent ärgere.

Wie können wir die Bewertungsmuster ändern?
Erste Erkenntnis: Nur Gott ist vollkommen. Daraus folgt: Ich bin es nicht.
Zweite Erkenntnis: Ich bin Mensch. Ich bin unvollkommen und begrenzt.
Ich bin zwar begabt, abder Fehler gehören auch dazu. Genau so hat mich Gott geschaffen. Wie er auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn diesen umarmt, obwohl er nichts geleistet hat. Gott liebt uns so, man nennt das Gnade.

Es ist eine wichtige Entscheidung, nicht perfekt sein zu wollen. Dann fährt die eigene Anstrengung auf ein Mittelmaß zurück. Hilfreich ist auch Schatzsuche statt Fehlerfahndung: Nicht immer auf das Fehlende, sondern das Vorhandene schauen.
Statt Leistungsziele sollte man sich sinnvolle Lebensziele setzen. Worauf möchten ich in zehn oder zwanzig Jahren zurückschauen? Auf blitzblank geputzte Wasserhähne? Sinn zu erleben gibt viel mehr als einzelne Erfolge. In so einem Lebens- und Reifungsprozess ist gut ganz sicher gut genug.

Links

Schicksalsschläge (16.03.2013)
Innere Stärke gewinnen (22.9.2012)
Die heilende Kraft der Vergebung (17.3.2012)
Frauencafe am 24.9.2011 - mit Kräuterfrau Ruth Pfennighaus
Die Macht der Gedanken (19.3.2011)
Gelassen leben (25.9.2010)

Bilder von Sören-Helge Zaschke und Simone Schmitt

Bürgerreporter:in:

Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf

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