Die Kiebitze sind wieder los - Schwäbisches Wiesenbrüter Brutplatzmanagement startet durch

Junger Kiebitz im Wiesenbrütergebiet Wertachtal; Foto A. Klose
2Bilder

Vor einem Jahr begann das Wiesenbrüterjahr noch mit einer großen Auftaktveranstaltung im Gasthof Völk in Dillishausen. Der Landschaftspflegeverband Ostallgäu informierte dabei die gut 60 anwesenden Landwirte, die im Wiesenbrütergebiet Flächen bewirtschaften, über die Schutz- und Pflegemaßnahmen im Rahmen des Brutplatzmanagements der Regierung von Schwaben. Seit 2018 kümmert sich der Landschaftspflegeverband Ostallgäu e.V. um den Schutz von wiesenbrütenden Vogelarten rund um Lamerdingen. Durch die hervorragende Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Vogelkundlern und den Flächenbewirtschaftern gelang es dort, die Bruterfolge des Kiebitzes deutlich zu verbessern. Ab diesem Jahr wird der Landschaftspflegeverband Landkreis Augsburg e.V. das Projekt in den Schwerpunktgebieten südlich von Schwabmünchen bei Gennach, Hiltenfingen, Langerringen und Untermeitingen weiterführen. Der LPV-Vorsitzende im Landkreis Augsburg Konrad Dobler begrüßte den einstimmigen Vorstandsbeschluss zur Übernahme dieses wegweisenden Projekts. Im Ostallgäu umfasst das geringfügig erweiterte Projektgebiet Wertachtal die Gebiete bei Lamerdingen, Kleinkitzighofen und Dillishausen. „Ich freue mich sehr über die Ausweitung des Projektgebiets und die Fortführung gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband Landkreis Augsburg, denn es ist ein ganz starker Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt in unserer Region“, sagt die Ostallgäuer Landrätin Maria Rita Zinnecker als Vorsitzende des Landschaftspflegeverbands Ostallgäu. Im Landkreis Augsburg wird neben dem Wertachtal auch das Lechfeld nördlich von Schwabmünchen vom Naturwissenschaftlichen Verein Schwaben um Robert Kugler betreut.
In diesem Jahr musste die Informationsveranstaltung und die Ehrung der Landwirte für ihre engagierte Mitarbeit leider aufgrund der aktuellen Pandemieentwicklung entfallen. Unbeeindruckt davon sind die ersten Kiebitze als Frühlingsboten bereits Mitte Februar aus ihren westeuropäischen Winterquartieren ins Wertachtal zwischen Buchloe und Augsburg zurückgekehrt. Diese sammeln sich derzeit noch in mehreren größeren Trupps auf den noch größtenteils unbearbeiteten Wiesen und Äckern und die ersten Vögel zeigen bereits ihre markanten und spektakulären Balzflüge mit den namensgebenden „Kuwitt“-Rufen. Ab Anfang bis Mitte April ist dann auch mit den ersten Brutversuchen auf Äckern und Wiesen zu rechnen. Und dann stehen auch die Wiesenbrüterberater Johnny Fritzsche und Alexander Klose wieder in den Startlöchern, um die Gelege aufzuspüren und mit den Landwirten eine schonende Bewirtschaftung zum Schutz der mittlerweile stark gefährdeten Feldvögel abzustimmen.
In den 90er Jahren galt der Kiebitz noch als weit verbreiteter Allerweltsvogel. Jedoch geriet die Art, wie alle Feld- und Wiesenbrüter, vor allem im letzten Jahrzehnt stark in Bedrängnis. Die immer intensivere Landwirtschaft mit immer früheren und häufigeren Mahdterminen sowie der Biogas-Boom und der Anbau von Silage-Mais führten zu weitreichenden Lebensraumverlusten der Wiesenbrüter. Insbesondere die schütteren und feuchten Wiesenlandschaften schrumpften vielerorts auf ein Minimum zusammen oder verschwanden komplett. Der Kiebitz ist deshalb flächendeckend stark zurückgegangen – deutschlandweit ist der Bestand in den letzten 30 Jahren um über 90 % eingebrochen! In ganz Schwaben weisen nur noch einzelne Gebiete nennenswerte Wiesenbrüter Populationen auf. Dazu zählen neben dem Donaumoos, dem Nördlinger Ries, dem Donauried, dem Mindeltal und dem Lechfeld eben auch das Wertachtal zwischen Lamerdingen und Langerringen. Um diese übriggebliebenen Bestände zu erhalten und zu fördern, wurde seit 2015 das Biodiversitätsprojekt und Artenhilfsprogramm „Wiesenbrüter-Brutplatzmanagement Schwaben“ von der Höheren Naturschutzbehörde (Regierung von Schwaben) eingerichtet, in dem verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Kiebitze getestet und umgesetzt werden.
Der Kiebitz, als ursprünglicher Wiesenbrüter, muss heute wegen des Rückgangs schütterer Feuchtwiesen auf Ackerflächen ausweichen, die bei seiner Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten noch unbewachsen sind. Denn das Kiebitznest wird auf dem Boden gebaut und sollte eine freie Sicht aufweisen. Durch die landwirtschaftliche Bearbeitung während der Brutzeit – Striegeln, Grubbern, Einsaat, Ausbringen von Gülle oder Spritzvorgänge – werden viele Gelege zerstört. Unabsichtlich, denn Nester, Eier und Küken sind aufgrund ihrer Tarnung kaum wahrzunehmen. Ziel ist es, durch die speziellen Bewirtschaftungsmaßnahmen eine Steigerung des Bruterfolgs von Kiebitz und Großem Brachvogel zu erreichen.
Als gängigste Maßnahme gilt das Markieren von Nestzonen und ein spindelförmiges Umfahren der Gelege bei der Bewirtschaftung. Als weitere Maßnahme wird eine verspätete Bewirtschaftung ab 20. Mai auf Flächen mit mehreren Nestfunden angewandt. Hierdurch können ganze Brutkolonien gesichert werden. Ab Ende Mai sind die jungen Kiebitze dann ausreichend mobil oder schon flügge und können bei der Bearbeitung auf angrenzende Flächen flüchten. Neben dem Schutz mehrerer Kiebitz-Brutpaare entsteht auch ein positiver Effekt auf die ganze Lebensraumgemeinschaft Acker und deshalb auch weitere Arten der Agrarlandschaft wie Wachtel, Rebhuhn, Feldlerche und Wiesenschafstelze. Zudem wird versucht durch wechselfeuchte Mulden und Flachwassertümpel im Grünland Nahrungs- und Attraktionsflächen zu schaffen, um zusätzlich auch den Lebensraum für die Wiesenbrüter aufzuwerten. Die LPV-Weideflächen im Gennachmoos gelten hierfür als Paradebeispiel.
Eine Stabilisierung der Kiebitz-Bestände kann durch die angewendeten Maßnahmen auf Ackerflächen erreicht werden. Gemeinsam mit den Landwirten erarbeiteten die Wiesenbrüterberater und Landschaftspflegeverbände, welche Teilflächen für die Schutzmaßnahmen in Frage kommen. Für die etwas geringeren Erträge werden die Landwirte angemessen entschädigt, denn Artenvielfalt und Biodiversität kann in der Feldflur letztlich nur zusammen mit den Landwirten gelingen. Dabei stellt das „Wiesenbrüter Brutplatzmanagement Schwaben“ ein bayernweites Vorzeigeprojekt dar.
Im letzten Jahr engagierten sich im Projektgebiet „Wertachtal“ mehr als 20 Landwirte. Im Rahmen des Projektes werden diese Landwirte als Partner des Naturschutzes für ihre Biodiversitätsleistungen durch eine Wiesenbrüter-Plakette „Wiesenbrüterfreundlicher-Betrieb“ ausgezeichnet. Im Jahr 2020 gelang im Wertachtal ein für heutige Verhältnisse ausgesprochen hoher Bruterfolg mit fast 50 flugfähigen Jungvögeln bei 60 Brutpaaren. Nur durch die große Unterstützung und Mitmachbereitschaft der Landwirte vor Ort kann diese Erfolgsgeschichte für den Kiebitz fortgeführt werden. Durch gemeinsames Handeln kann es gelingen, den immer noch anhaltenden Bestandsrückgang dieses attraktiven Feldvogels zu stoppen.

Junger Kiebitz im Wiesenbrütergebiet Wertachtal; Foto A. Klose
Kiebitznest mit Eiern im Getreideacker; Foto M. Baumgartner
Bürgerreporter:in:

Landschaftspflegeverband Landkreis Augsburg e. V. aus Schwabmünchen

Webseite von Landschaftspflegeverband Landkreis Augsburg e. V.
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.