Buchplauderei im September

Zu viele Menschen der modernen Welt betrachten Dichtung als Luxus, nicht annähernd so wichtig wie Benzin. Aber für mich ist sie der Treibstoff des Lebens.
Diese Worte stammen von Sir John Betjeman.

Auch für mich sind Bücher Treibstoff, seit ich der Buchstaben mächtig bin.
Eines meiner Lieblingsbücher als Leseanfänger war „Das doppelte Lottchen“, ein Kinderbuchklassiker von Erich Kästner, damals war es noch ein geliehenes Exemplar aus der Bücherei. Kürzlich habe ich das Buch endlich meiner eigenen Bibliothek einverleibt.
Wer kennt sie nicht, die Idee vom zufällig entdeckten Zwilling, Mit viel Herzenswärme schildert der Autor die Erlebnisse von Luise und Lotte, die sich in einem Sommerlager zufällig kennenlernen. Mit Spannung verfolgt man, auch als Erwachsener, die kleinen und großen Entdeckungen der Mädchen, die eine ist ruhig und gut erzogen, die andere eher wild und selbstbewusst. Man kann sich richtig in die verwirrten Gefühle der beiden Kinder hineinversetzen, als sie feststellen, dass sie Scheidungskinder sind.
Erich Kästner war damit der erste Autor der Nachkriegszeit, der das Thema Scheidung in einem Kinderbuch aufgriff, eine Problematik, die heutzutage noch viel aktueller ist.

Eine andere Problematik unserer heutigen Zeit greift das Buch „Zeit deines Lebens“ von Cecelia Aherns auf.
Das Buch vermittelt den Gedanken, dass Geld und Karriere nicht so wichtig sind wie die Familie . Lou ist ein ehrgeiziger worc-alcoholic und vergisst beim Erklimmen seiner Karriereleiter Frau, Kinder und Familie und ist im Familienleben schließlich nur noch eine Randfigur. Er merkt es nicht einmal, bis ihm ein Obdachloser die Augen für das Wesentliche im Leben öffnet.
„Zeit deines Lebens“ ist eine nette Geschichte mit ein klein bisschen Magie, für Aherns-Fans sicher ein Muss, aber ich persönlich würde es keinem empfehlen. Es gibt besseren Lesestoff.

So habe ich kürzlich ein Buch von Anne Perry gelesen, um mein schon erwähntes Krimi-Defizit abzubauen. Anne Perry ist für ihre historischen Kriminalromane bekannt, die im viktorianischen England spielen.
Im Roman „Die russische Gräfin“ beschreibt die Autorin, die übrigens selbst im Alter von
15 Jahren zusammen mit ihrer Freundin deren Mutter erschlug und nur wegen ihres jugendlichen Alters der Todesstrafe entging, die Abgründe des Adels zur Zeit Königin Viktorias.
Ein verstoßener Kronprinz soll von seiner eigenen Ehefrau ermordet worden sein. Diese skandalöse Behauptung einer russischen Gräfin lässt im viktorianischen London die Wogen der Entrüstung hochschlagen. Keiner glaubt ihr, dennoch stellt William Monk, Perrys berühmter Detektiv, Nachforschungen an.
Die Autorin gewährt den Lesern einen interessanten Einblick in die Arbeit von Rechtsanwälten und zeigt den Stand der Gerichtsmedizin zu dieser Zeit auf. Es gelingt ihr die Spannung so aufzubauen, dass man das Buch bis zum überraschenden Schluss fast nicht aus der Hand legen kann.

Spannend bis zuletzt ist auch der historische Roman „Säulen der Ewigkeit“ von Tanja Kinkel. Der Roman ist historisch fundiert und setzt einer Frau, die heute zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist, ein verdientes Denkmal, der mutigen Sarah Belzoni. „Was immer du tun willst, fang damit an!“, das ist der Leitsatz der jungen Sarah, die fest entschlossen ist, sich nicht in die ihr vorbestimmten Rolle zu fügen, sondern ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
An der Seite ihres Mannes, eines Jahrmarktartisten, gelangt sie als eine der ersten Frauen ihrer Zeit nach Ägypten, in ein Land, das im frühen 19.Jahrhundert gerade erst beginnt, sich der modernen Welt zu öffnen. In einer bildhaften lebendigen Sprache beschreibt die Autorin die Expeditionen, die die Belzonis unternehmen. Man steht förmlich daneben, wenn Tempeleingänge freigelegt oder unentdeckte Grabkammern betreten werden. Tanja Kinkel gelingt es, den Leser in die Gedankenwelt ihrer Figuren eintauchen zu lassen. Man fühlt die Freude über Entdeckungen und den Frust über Fehlschläge. Die Schilderungen sind so plastisch, dass man sich dem Zauber des antiken Ägyptens nicht entziehen kann.
In „Säulen der Ewigkeit“ wird Geschichte lebendig!

Indianer-Geschichte wird in dem mit dem österreichischen Jugendbuchpreis ausgezeichneten Buch „Red Boy“ von Käthe Recheis lebendig. In dieser „klassischen“ Indianergeschichte erzählt die Autorin die Geschichte von David, dem Sohn eines weißen Jägers. Red Boy erhielt den Namen aufgrund seiner roten Haare. Er wächst nach dem Tod seines Vaters bei den Chiricahuas auf und denkt, fühlt und handelt wie ein Indianer. Als er jedoch aufgrund eines Missverständnisses von seinen Stammesbrüdern verstoßen wird, wird er zu einem Wanderer zwischen den Welten. Es gelingt ihm schließlich, sich mit seinem Stamm auszusöhnen und für sich selbst einen Platz zu finden, auf dem er seine beiden Identitäten vereinen kann.
Das Buch besticht durch die detaillierten Schilderungen der Natur und gewährt dem Leser Einblicke in die Bräuche der Indianer.

In meinem letzten Kapitel möchte ich ein Buch von Herbert Rosendorfer vorstellen, der am 20. September dieses Jahres verstorben ist. Er schrieb Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Abhandlungen zur Musik und Reiseführer. Außerdem malte er auch und komponierte – und machte ganz nebenbei noch eine erfolgreiche Karriere als Richter.
1990 wurde Herbert Rosendorfer von der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Honorarprofessor für Bayerische Literaturgeschichte ernannt. Vor zwei Jahren verlieh ihm Ministerpräsident Horst Seehofer einen Ehrenpreis für sein unterhaltsames Lebenswerk.
Seinen größten Verkaufserfolg erzielte der Autor mit seinen „Briefen aus der chinesischen Vergangenheit“, die ich bereits letztes Jahr in einer Buchplauderei vorgestellt habe. Kürzlich las ich die Fortsetzung des Buches „Die große Umwendung“! Diesmal macht sich Kao-Tai bewusst mit seiner Zeitmaschine aus dem 10. Jahrhundert auf in die Welt der Großnasen. Seine Sichtweise auf die ihn seltsam anmutenden Sitten und Gebräuche der modernen westlichen Welt ist erneut eine vergnügliche Lektüre.

Ich wünsche Euch weiterhin viel vergnügliche und spannende Lesemomente.

Sabine

Bürgerreporter:in:

Sabine Presnitz aus Schwabmünchen

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