Erste SPD/BSW-Koalition in Brandenburg geschlossen

Unter Sachsen, Thüringen und Brandenburg (wo im September der Landtag neu gewählt wurde) ist nun in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam mit Dietmar Woidke der erste Ministerpräsident gewählt worden.
Zwar erst im zweiten Wahlgang, aber mit 4 Stimmen mehr als die SPD- und BSW-Fraktionen verfügen.
"... Jan Redmann, Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU Brandenburg versicherte im Anschluss auf X, dass es keine Stimmen der CDU gegeben habe. ..." Wenn das stimmt, müssten die Stimmen aus der AfD gekommen sein.

Vermutlich wurde die Bildung der Koalition mit dem BSW etwas leichter, weil der brandenburgische BSW-Vorsitzende Robert Crumbach bis Anfang des Jahres noch Mitglied der SPD war (laut wikipedia Ende April zum Landesvorsitzenden des BSW Brandenburg gewählt), also gut in der SPD bekannt ist.
Die Grünen waren in der alten Landesregierung, haben aber den Einzug in den neuen Landtag verpasst. Leider ist es nicht zu übersehen, dass sie nicht mehr mitwirken konnten:

1. Agrarlobby regiert mit - Ziel hätte stattdessen sein müssen, dass Landwirtschaft und Naturschutz Hand in Hand gehen.
"... Schlechte Zeiten für Brandenburgs Ökobauern, Tier- und Umweltschützer: Massentierhalterin Hanka Mittelstädt (37, SPD) soll das Agrar- und Umweltministerium übernehmen. Doch gegen ihren Eier-Betrieb laufen zwei Umwelt-Klagen. ..." https://www.bz-berlin.de/brandenburg/neue-umweltministerin-umweltamt?fbclid=IwY2xjawHD72NleHRuA2FlbQIxMQABHb-SpRFjjTwFuzZv-Q79N4kcjmCx7usVG8fWRXDjHvJcSFM8hp6VxF8tWQ_aem_Bg_a7Wt6939984dmtXELJg

2. Die Grünen hätten darauf gedrungen, den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung von 2028 vorzuziehen (möglichst auf 2030) - im Koalitionsvertrag stehen meist Absichtserklärungen - und die bereits gesetzlich festgelegte Frist (2038) wird durch Voraussetzungen abgeschwächt:
"... 2.3 Energieversorgung
Die Koalition bekräftigt den gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kohleverstromung. Voraussetzung für die Umsetzung bis 2038 ist die Sicherstellung der Energieversorgung und die weitgehende Energieunabhängigkeit Brandenburgs.
9.2 Klimawandel und -anpassung, Umwelt, Naturschutz und Wasser
... Wir nehmen die Auswirkungen des Klimawandels ernst und werden notwendige Gegen- und Anpassungsstrategien umsetzen und weiterentwickeln. Wir wollen bis 2045 klimaneutral wirtschaften. ..."

3. Für das BSW sind Umweltthemen nicht so wichtig - in der Präambel steht:
"... Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird. Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.
Wir sind übereingekommen, dass wir uns im Sinne der Charta der Vereinten Nationen und des Budapester Memorandums auf Bundesebene und auf Ebene der Europäischen Union dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas durch Verhandlungen mit den Konfliktparteien mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben. ..."

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5 Kommentare

  • Bea S. am 11.12.2024 um 20:18

Du kannst Dich bestimmt an den Beitrag von Lukas Rietzschel, SPIEGEL online 15.11.24 erinnern, den ich neulich in anderer Stelle in Auszügen zitiert habe:

"Der Osten Deutschlands krankt an seiner verklärten Erinnerung an eine Revolution, die keine Massenbewegung war. Er übersieht die internationale Dimension des Mauerfalls und ignoriert dessen osteuropäische Vorbedingung: Solidarität."

Der Schluss des Beitrags, den ich damals nicht wiedergegeben habe, passt gut zu Deinem jetzigen Beitrag, denn Sahra Wagenknecht wird in Brandenburg immer mitregieren. Ich zitiere ihn  ziemlich ausführlich, weil nicht jede/r ein Bezahlabo hat:

"Sahra Wagenknecht hat die Blindheit gegenüber Osteuropa wieder erfolgreich in den politischen Diskurs überführt. Sie mag schon recht haben, wenn sie sagt, dass Deutschland und Russland sich vertragen müssten, damit es Europa gut gehen könne. Blöd nur, dass immer, wenn das der Fall war, der Osten Europas faktisch nicht existierte. Polen existierte über einhundert Jahre nicht, weil Preußen, Russland und Österreich sich »vertrugen« und »einigten«.

Ohne Probleme könnte Sahra Wagenknecht in einen Zug steigen und einmal quer durch Polen fahren, kurz am Grenzbahnhof in Przemyśl umsteigen und mit ihrem Pass der Europäischen Union unkompliziert und ohne längere Wartezeiten in die Ukraine einreisen.
Allein auf der dann zweistündigen Fahrt nach Lwiw hätte sie mit genügend Frauen und Kindern und verwundeten Soldaten auf Fronturlaub sprechen können, um nie wieder ein einziges gutes Wort über Russland zu verlieren. Aber sie ist eine viel beschäftigte Frau, der Moderator Markus Lanz zeichnet drei Sendungen pro Woche auf.
Wie alle Populisten kondensiert sie Widerspruch zu einer moralischen Überhöhung ihrer Unwissenheit. Im Falle Wagenknechts ist das das Wort Frieden. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Debatten während der Coronapandemie. Damals war es das Wort Freiheit.

Zur Erinnerung: Während der Coronapandemie gab es eine gesellschaftliche Mehrheit, die teils härtere Maßnahmen und Shutdowns zur Eingrenzung des Virus verlangte. Auch die regierenden Parteien waren sich darüber mehrheitlich einig, und selbst die Opposition forderte härtere Maßnahmen. Eine »echte« Opposition, die eine gänzlich andere Herangehensweise gefordert hätte, gab es nicht. Sie formierte sich außerparlamentarisch auf den Straßen. Fortan wurde vor allem über diese »Querdenker« geredet. Es wurde über ihre Motive gemutmaßt, über ihren Antrieb, über ihre politische Sozialisation.
Dabei sprechen wir hier von einer zu vernachlässigenden Minderheit. Doch allein dass man glaubte, andere könnten glauben, was so auf den Demos skandiert wurde, genügte, um politische Entscheidungen zu verzögern und sie mindestens unpopulär zu machen. Die laute Minderheit hatte es geschafft: Der politische Diskurs richtete sich vollständig auf sie aus. Zu einem landesweiten Shutdown kam es ab Mai 2021 nie wieder, stattdessen eierten politische Entscheidungen um Abstandsgebote und Ladenschließzeiten.
Dieser Mechanismus, politische Entscheidungsprozesse zu lähmen, hat sich durch das BSW, insbesondere durch die Person Sahra Wagenknecht, verstetigt. Er reicht in seiner Wirkmächtigkeit nun direkt in die Parlamente herein. Ein Umweg über den medialen Diskurs ist nicht mehr notwendig, auch wenn Wagenknecht daran lieber mitwirkt als an parlamentarischer Arbeit.
Um es konkreter zu machen: Es genügt, dass in Thüringen, Sachsen und Brandenburg das BSW in die Landtage zieht (wir sprechen auch hier im Bundesvergleich von einer Minderheit), und plötzlich werden auf Bundesebene die Rufe nach einer »diplomatischen Lösung« im Krieg Russlands gegen die Ukraine lauter.
Und wie zu Coronazeiten, als »Freiheit« der Kampfbegriff zur Diffamierung der Gegner wurde, ist es heute der »Frieden«, der lauthals beschrien wird.
Ich bin auch für den Frieden, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Wer ist das nicht? Aber als Land, das in seiner jüngeren Geschichte nie einen Verteidigungskampf geführt hat, einem angegriffenen Land vorzuschreiben, wie es das Ende eines Krieges herbeiführen könne (gern durch spontane Kapitulation und / oder Gebietsabtretungen), ist mindestens frech.
Nichts anderes tut Sahra Wagenknecht, wenn sie vom »Frieden« redet. Indem sie CDU und SPD während möglicher Koalitionsgespräche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eine Präambel und darin ihre »Friedensformel« aufzwingt (die in Brandenburg übernommen wurde), markiert sie für alle sichtbar, auch für unsere östlichen Nachbarn, das Ende einer Reue über die verfehlte Russlandpolitik. Die Gespräche in Sachsen über eine Koalition mit dem BSW mögen gescheitert sein. Das sind sie jedoch nicht wegen der Prinzipientreue von CDU und SPD. Dann wäre es nämlich gar nicht erst zu Gesprächen gekommen."

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bsw-und-russland-die-ignoranz-sahra-wagenknechts-gegenueber-osteuropa-a-ebdd1768-36db-4dc7-b401-753e6e620e6f?giftToken=af834719-f157-4c8a-9c79-b2e48afe01e4

Danke, Bea, für diesen ausgezeichneten Spiegel-Artikel!
Nur wenige haben ein Bezahl-Abo, etwas mehr lesen die Papier-Ausgabe, aber auch die enthält nicht alle Artikel, wenn ich micht nicht irre.

  • Bea S. am 12.12.2024 um 19:32

Ja, das stimmt. Dieser Gastbeitrag ist allerdings auch in Nr. 47/24 der Print-Ausgabe des SPIEGEL abgedruckt.

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