Silvester: Omis Purzel
Zu Silvester gehört seit jeher ein Gebäck, das - je nach Region - Berliner, Pfannkuchen (oder auch Berliner Pfannkuchen) beziehungsweise Krapfen genannt wird und das bei uns zu Hause ostpreußisch Purzel hieß.
Meine Oma kaufte Berliner nie beim Bäcker sondern machte ihre Purzel schüsselweise selbst. Dazu wurde zunächst Palmin ausgelassen und in einem großen Topf erhitzt. Darin briet sie ihre Berliner dann aus. Gefüllt wurden sie mit Marmelade. Jeweils einer enthielt aber statt dieser süßen Füllung Senf oder einen blanken Pfennig. Wer zufällig den mit Senf gefüllten erwischte, würde im Neuen Jahr Pech haben, so besagte es der Volksglaube. Der mit dem Pfennig gefüllte aber war ein Omen dafür, dass der Finder zu Geld kommen würde.
Die Begriffe Glück und Zufall spielen im Volksglauben eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es um einen Blick in die Zukunft geht. Auch das traditionelle Bleigießen ist einer der Bräuche, mit deren Hilfe wir zu Silvester einen Blick auf das Kommende zu erhaschen suchen.
Als ich mir zum Jahresschluss vier Berliner kaufte - zwei mit Streuzucker und zwei mit Zuckerguss - , brauchte ich keine Senf-Füllung zu befürchten und dass der Bäcker Cent-Füllungen unter die Kundschaft streuen würde, war auch nicht zu erwarten. Dafür trug der Karton, in dem mir die Verkäuferin meine Berliner überreichte, die Aufschrift: "Ich bin ein Berliner!"
Dieser Satz, nun zur Reklame mutiert, rief verschiedene Erinnerungen wach. Präsident John F. Kennedy hatte ihn am 26. Juni 1963 in einer Rede vor dem Berliner Rathaus gleich zweimal gesagt. Gleich zu Beginn: "Today, in the Free World the proudest boast is, Ich bin ein Berliner!" Und an einer anderen Stelle, die nicht nur den Berlinern sondern allen, die diese Rede gehört haben, im Gedächtnis geblieben ist: "And therefore, as a free man I take pride in the words, Ich bin ein Berliner!" (Und deshalb sage ich als freier Mann voll Stolz: Ich bin ein Berliner!)
Nicht nur in Berlin, in der gesamten westlichen Welt wurde dieser Satz zum geflügelten Wort. Als ich ungefähr sechs Jahre nachdem Kennedy seine denkwürdige Rede gehalten hatte, auf einer amerikanischen Marine-Basis tätig war und nach der Arbeit mit amerikanischen Offizieren in fröhlicher Runde zusammen saß, sagte jemand - offensichtlich nicht gerade ein Freund Kennedys oder der Demokratischen Partei - im Rückblick: "In 1963, Kennedy said in Berlin, ' I am a donut.'" (1963 sagte Kennedy in Berlin: 'Ich bin ein Pfannkuchen'.) Diese Interpretation stieß damals nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die heutige Bäcker-Reklame greift das Wortspiel aber wieder auf.
*Es gab Zeiten, da war man für jede Kalorie dankbar... ;-))*
Ich weiß, Peter - aber das ist laange her ;-) Heute fürchtet man sie eher...