Das Tote Moor soll wieder leben – Eine vom Menschen traktierte Landschaft am Steinhuder Meer
Je mehr die Technisierung und Reglementierung unserer doch so zivilisierten Welt voranschreitet, desto mehr haben viele Menschen ein Bedürfnis nach Natürlichkeit und nach Natur. Sie sind dazu bereit landschaftliche Gebiete, die der Mensch bisher nicht so sehr für sich vereinnahmt hat, zu schützen. Oder wenn sie vielleicht schon traktiert oder zerstört wurden, sogar zu renaturieren. Viele Sünden der Flurbereinigung vergangener Jahrzehnte werden heute mit viel Aufwand wieder rückgängig gemacht. Und zumindest in manchen Gebieten wird eine weitere Zersiedlung und Versiegelung und damit Zerstörung naturnaher Lebensräume gestoppt. Das ist gut so, denn dadurch wird vielen seltenen Pflanzen- und Tierarten ein Überleben ermöglicht. Natürliche Lebensräume werden erhalten oder wieder geschaffen. Und diese sind es, die in vielen Menschen eine Art Sehnsucht danach wecken, fernab vom geschäftigen Treiben unseres Alltagslebens, vom Rummel unserer doch oft so hektischen Welt. Eine Sehnsucht nach Stille und Natur, nach Stille in der Natur. Natürlich darf auch diese Natur nicht so ohne weiteres betreten werden, würde sie doch auch das wieder beeinträchtigen. Doch gibt es genügend Möglichkeiten, diese Gebiete zumindest auf Wegen, von dessen Rande aus, oder durch gezielte Führungen kennenzulernen und zu erkunden. Und ein solches Gebiet, das zwischen Neustadt am Rübenberge und dem Steinhuder Meer liegt, möchte ich mit Bildern vorstellen.
Wer sich an seine Schulzeit erinnert, der erinnert sich vermutlich auch an die Worte: O, schaurig ist`s übers Moor zu gehen, wenn es wimmelt vom Heiderauche. Annette von Droste-Hülshoff hat das schöne Gedicht „Der Knabe im Moor“ geschrieben, das mit diesen Zeilen beginnt und das viele von uns einst auswendig gelernt haben. Und eindrucksvoller als mit den Versen dieses Gedichtes könnte man die norddeutsche Urlandschaft der Moore nicht darstellen. Sie beschreibt eine kahle, weitflächige Natur, die auf den Menschen irgendwie unheimlich wirkt, die er in früheren Zeiten nach Möglichkeit gemieden hat, durch die nur wenige Pfade führten. Dort gab es kaum Leben, und ein Ackerboden konnte schon gar nicht bestellt werden. Nur für den Torfstich, der im 9. Jahrhundert begann, fand diese Landschaft Verwendung. Aber der Torf war ein schlechter Brennstoff. Deswegen wurde er in der neueren Zeit durch die Kohle ersetzt. Heute wird Torf nur noch für Gärten und Balkonkästen abgebaut. Natürlich nicht mehr von Hand, sondern durch Maschinen im industriellen Stil.
Noch im Mittelalter und bis ins 17. Jahrhundert hinein war Norddeutschland von etwa 2500 Quadratkilometern Moorfläche bedeckt. Hauptsächlich waren es Hochmoore, die, nach der letzten Eiszeit entstanden, das Regenwasser auf wasserundurchlässigen Tonschichten im Untergrund stauten. Auch manche Niedermoore sind dabei, die aus verlandeten Gewässern hervorgegangen sind. Heute ist nur noch ein Zehntel dieser Fläche in einigermaßen naturnahem Zustand vorhanden. Und diese Flächen gilt es, nachdem gerade in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden hat, zu erhalten. Vor 25 Jahren wurde das niedersächsische Moorschutzprogramm ins Leben gerufen. Die Moore in der Nähe Hannovers sind in dieses Landschaftsschutz- und Renaturierungsprogramm aufgenommen worden. Allen voran das Bissendorfer Moor, das Otternhagener Moor und eben das Tote Moor. Und gerade an dem letztgenannten kann man sehr gut erkennen, wie die Renaturierung voranschreitet. Wer mit dem Wagen auf der Moorstraße von Neustadt am Rübenberge nach Mardorf fährt, der wird die Veränderungen kaum wahrnehmen. Wer aber mit dem Fahrrad unterwegs ist und auch mal zur Seite schaut, derjenige sieht zur Rechten hinter einem tiefen Entwässerungsgraben und Pflanzendickichten eine große Wasserfläche schimmern. Dort wurde mit der Wiedervernässung begonnen, dort wurden große Bereiche unter Wasser gestellt. Die Birken vertragen das saure Wasser nicht, sie sterben ab. Und so erkennt man in einem großen See einen toten Birkenwald. Kahle graue Stämme ragen aus der Wasserfläche hervor. Ein erster Schritt ist damit getan, der das Moor wieder zu neuem Leben erwecken soll. Weiter, nach Mardorf hin, wird der Torf noch industriell abgebaut. Dort blickt man auf kahle, platte Torflandschaften, die nur von schnurgeraden Entwässerungsgräben und aufgeschichteten Torfwällen unterbrochen werden. Ein Blick aus dem Weltall verdeutlicht, wie der Mensch in diese Natur eingegriffen hat, wie er sie verändert hat. Man muss nur mal bei Google Earth vorbeischauen. Noch bis zum Jahr 2038 laufen die Verträge. Dann wird Schluss sein mit dem Torfabbau, und dann kann sich das Moor durch Wiedervernässung irgendwann regenerieren und wieder wachsen. Ein Prozess, der sich über Jahrhunderte hinziehen wird.
Zunächst müssen die Pflanzen zurückkommen. Und zur Linken der Moorstraße kann man sehen, dass dieses Gebiet, in dem der Torfabbau beendet ist und in dem wohl auch die Wiedervernässung eingeleitet wurde, dass das dort schon geschieht. An diversen Gewässern hat sich das Wollgras angesiedelt, eine Pionierpflanze, die zuallererst zur Stelle ist. Und dort blüht sie gerade im Juni nicht nur in Gruppen, sondern hat teilweise weite Flächen besiedelt. Ein weißleuchtendes Meer aus puschelartigen Fruchtständen. Was für Anblicke! Später werden andere Pflanzen folgen, die den sauren Moorboden vertragen. Und wenn irgendwann die Torfmoose zurückkommen, dann wird auch das Moor wieder wachsen, dann wird das Tote Moor kein totes Moor mehr sein. Einen einzigen Millimeter legt diese Pflanze im Jahr nach oben zu, während die unteren Teile absterben. So kann man sich vorstellen wie lange ein Moor wie dieses braucht, um eine Mächtigkeit von bis zu acht Metern zu erreichen.
Moore sind nicht nur eine ganz besondere Landschaft, sondern sie tragen auch zum Klimaschutz bei. Sie speichern Kohlenstoffdioxid in großen Mengen. Anders als Wälder, die das Kohlendioxid bei der Vermoderung toter Baumsubstanz relativ schnell wieder freigeben. Das saure Moorwasser mögen Bakterien nicht. So bleiben die abgestorbenen Pflanzenreste erhalten. Und je weniger CO2 in die Luft gelangt und je mehr davon im Boden gespeichert wird, desto besser ist es für unser Klima. Etwa drei Prozent der Erdoberfläche, besonders auf der Nordhalbkugel, bestehen aus Mooren. Sie speichern aber 30 Prozent des gesamten CO2. Daran kann man erkennen, wie wichtig und erhaltenswert gerade diese Landschaften sind. Nicht nur zum Wohle von Pflanzen und Tieren, sondern auch zum Wohle unserer Atmosphäre und damit für uns selbst. Je weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt, desto langsamer schreitet der Treibhauseffekt voran.
Wer nun das Tote Moor etwas näher kennenlernen möchte, den empfehle ich eine Radtour – vielleicht sogar um das ganze Steinhuder Meer herum – von Steinhude nach Mardorf. Dort radelt man durch einen Moorwald. Und dort gibt es an verschiedenen Stellen Holzstege, die ein Stück in das Moor hineinführen, von denen aus man einen Blick auf die moortypische Vegetation werfen kann. Auch ein kleiner Aussichtsturm kann erstiegen werden, von dem man die Wasserfläche des Steinhuder Meeres sieht. Hinweistafeln geben Erläuterungen ab. Auch von der Moorstraße, die Neustadt mit Mardorf verbindet, kann man zumindest von Weitem auf den Torfabbau oder die wiedervernässten Gebiete schauen. Und dann wird man erkennen, wie Torfabbau die Landschaft tötet und wie das Anheben des Grundwasserspiegels das Moor wieder zu neuem Leben erweckt. Die nächsten Generationen werden es uns danken, denn sie werden dann wieder eine intaktere Moorlandschaft vorfinden. Und das ist ein Schritt in die richtige Richtung - gerade heute im Zeichen des menschengemachten Klimawandels.
Siehe auch:
Eine Radtour zum Bissendorfer Moor
Eine Radtour zum Steinhuder Meer
Gaby,
es ist Brut- und Setzzeit.
Dazu schreibt Eure Hauspostille:
"In Niedersachsen geht es um die Zeit vom 1. April bis zum 15. Juli. Jungwild und sogenannte Bodenbrüter wie Wachtel, Nachtigall, Rotkelchen und Feldlerche sollen durch die Anleinpflicht vor stöbernden Hunden geschützt werden – und Vögel und Wildtiere so in Ruhe ihren Nachwuchs aufziehen können. Besonders Bodenbrüter werden schnell durch Hunde aufgescheucht. Fliegen sie weg, erkalten ihre Nester. Dem will das Land Niedersachsen mit der Anleinpflicht entgegenwirken."
Quelle: http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersich...
Dass man die Hennen nicht von ihren Nestern mähen darf, steht da nicht. ;-)