Pflegetag: Maßnahmen zur Neuaufstellung der Pflege
Berlin. Egal ob man auf die hohen Eigenanteile für zu pflegende Personen, den Arbeitskräftemangel oder die angespannte finanzielle Lage der Pflegeversicherung schaut, der Pflegebereich steht vor enormen Herausforderungen. Es besteht Handlungsbedarf und das bereits seit Jahren. Umso dringender sei es, dass nun endlich nachhaltig etwas passiere, sagt Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) anlässlich des Deutschen Pflegetags (07./08. November 2024): „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es um die substanzielle Sicherung der pflegerischen Versorgung geht. Angehörige und pflegebedürftige Menschen reduzieren Leistungen, weil sie sich diese nicht mehr leisten können und viele ambulante Pflegedienste müssen Versorgungsanfragen ablehnen oder mussten schließen.“
Die Datenlage ist eindeutig: In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen auf 5,2 Millionen mehr als verdoppelt und ein weiterer Anstieg ist unausweichlich. Die Pflegeversicherung schreibt ein Milliardendefizit. Bis zum Jahr 2049 werden in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt voraussichtlich mindestens eine Viertelmillion Pflegekräfte fehlen. Die Eigenanteile gehen ungebremst durch die Decke, in der stationären Pflege liegen sie teilweise bereits jetzt bei über 3.000 Euro pro Monat. „Es ist offensichtlich, dass die Zeit drängt und endlich Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Pflege muss stärker als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden und entsprechend muss gehandelt werden“, sagt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt.
Zur Besserung der Lage schlägt das DRK unter anderem folgende Maßnahmen vor:
1.) Attraktivität der Pflegeberufe erhöhen
Es braucht noch mehr Menschen, die sich für einen Job im Pflegebereich begeistern, auch um die Überlastung vieler Personen zu beenden. Entsprechend müssen die Berufe attraktiver gestaltet werden. Dazu zählen zum Beispiel mehr Freiraum für die originären Kernaufgaben, ein harmonisiertes und durchlässiges Bildungssystem in der beruflichen Pflege und eine Stärkung der Befugnisse und Kompetenzen aller Pflegefachpersonen.
2.) Für kalkulierbare und bezahlbare Kosten für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige sorgen
Die Eigenanteile für pflegebedürftige Menschen steigen von Jahr zu Jahr. Die Kosten für die Pflege sind so für viele Personen nicht nur schwer zu finanzieren, sie sind vor allem auch für jüngere Menschen unkalkulierbar. Das DRK will, dass Pflegebedürftige nur noch einen festen Eigenanteil zur Finanzierung der pflegerischen Versorgung zahlen und die Selbstbeteiligung dadurch nicht nach oben offen ist („Sockel-Spitze-Tausch“). Die Pflegeversicherung und der Staat würden die darüberhinausgehenden Kosten tragen müssen.
3.) Bessere Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Bereits heute werden rund vier von fünf Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause versorgt. Die Bedeutung der informellen Pflege wird, unweigerlich, weiter zunehmen. Hier gilt es mehr Hilfe zu leisten, um diese Leistungen anzuerkennen, auch damit zukünftig Menschen (Angehörige, Freunde, Bekannte, Ehrenamtliche) bereit sind, Personen zu Hause zu betreuen und zu pflegen. Leistungen für die Verhinderungs-, Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege müssen ausgebaut werden. Auch ehrenamtlich getragene Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen dringend gestärkt werden. Es sollte auf keinen Fall so sein, dass Menschen sich mit der Pflege allein gelassen fühlen. Formelle und informelle Pflegetätigkeiten müssen zudem besser anerkannt werden (Rentenansprüche etc.). Zudem gilt es die Beratungsstrukturen zu verbessern und übersichtlicher zu gestalten.
4.) Für eine Stabilisierung der Pflegeversicherung sorgen
Die Pflegeversicherung muss für 2024 ein Milliardendefizit ausweisen und ohne Gegenmaßnahmen ist keine Besserung in Sicht – im Gegenteil. Für das DRK steht fest: Die Kostensteigerungen in der Pflege müssen gesamtgesellschaftlich getragen und finanziert werden. Ziel muss eine nachhaltige Stabilisierung der Pflegeversicherung sein, dazu gilt es insbesondere die Einnahmenbasis der Pflegeversicherung zu verbreitern und systemfremde Ausgaben zu verhindern. Dazu soll unter anderem die medizinische Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch die gesetzliche Krankenversicherung vollständig finanziert werden. Es braucht höhere Bundeszuschüsse aus Steuergeldern und die Erfüllung der bereits existierenden Pflicht, dass die Bundesländer höhere Investitionskostenzuschüsse für Pflegeeinrichtungen leisten, muss endlich durchgesetzt werden.
5.) Entbürokratisierung zur Entlastung der Pflegenden
Im Fokus der Pflege stehen die Menschen, nicht die Bürokratie. Die bürokratischen Anforderungen belasten allerdings die Mitarbeitenden und somit die adäquate pflegerische Versorgung zunehmend. Es bedarf daher einer Entbürokratisierung in der Pflege. Beispielsweise sollten zur Entlastung der Pflegeeinrichtungen Melde- und Antragsverfahren (Ordnungs- und Leistungsrecht) harmonisiert und nicht doppelt bzw. parallel laufen. Ein weiterer Punkt ist die Kommunikation mit Externen wie Hausärzten, Fachärzten, Therapeuten, Apotheken und Krankenkassen. Pflegefachpersonen kann hier eine größere Rolle zukommen. Sie sollten bestimmte Verordnungen zum Beispiel für die Versorgung von chronischen Wunden übernehmen können.
Symbolfoto: Andre Zelck / DRK
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