Schräge Gedanken, Teil 6
Eigentlich wollte ich nur eine kurze Antwort zu All dies ist schon einmal geschehen und all dies geschieht irgendwann wieder... vom Mike Schwarz schreiben, aber dann wurde der Text so lange, dass ich den Rat von Axel Haack, einen Beitrag anstelle eines Kommentars zu schreiben, aufgegriffen hab...
Von Kampfstern Galactica kannte ich bisher nur die Kinofilme. Hatte sie vor rund 30 Jahren gesehen, gefielen mir aber nicht so besonders. Das war zu sehr „Bonanza im Weltraum“. Einzig der Teil mit Wolfman Jack hat mich begeistert, aber auch nur die Szenen mit dem Wolfman. Seine Radioschau lief damals bereits nicht mehr – was durchaus „Entzugserscheinungen“ verursachte – und als dann ein Freund von mir erzählte, dass in dem Film Wolfman Jack mitspielt, sogar als er selbst, sind wir rudelweise hineingeströmt.
Allerdings muss der Teil mit Wolfman Jack später gewesen sein, Mitte der 80er vermutlich, lange nach American Graffity, wo der Wolfman ja auch sich selbst spielte. Bei American Graffity fand ich es noch schräg, dass WJ dort in einer Kleinstadt seine Radioschau abhielt, wo doch jeder „wusste“, dass er beim AFN in München war, dort von Montag bis Freitag, 9pm bis 10pm sendete, und zwar aus dem kleinen weißen Steinhaus unter dem Sendemast in der Soyerhof Straße gegenüber der McGraw Kaserne.
Dass die Kids überall auf dem Planeten vergleichbare Vermutungen anstellten, in Wahrheit aber niemand genau wusste, von wo aus der Wolfman sendete, wurde mir erst bewusst, als ich bereits studierte. Ich bin auf dem Heimweg am Sendemast vorbei gefahren, in die Stadelheimer Straße, die Verlängerung der Ständler Straße eingebogen und da kam mir plötzlich der Gedanke, dass ich noch nie jemand in das kleine Haus unter dem Sendemast hinein oder hinausgehen gesehen habe. Also hab ich umgedreht, hab auf dem Parkplatz der University of Maryland, schräg gegenüber des Sendeturms geparkt und gewartet.
Irgendwann kam mir die Hütte dann doch etwas arg klein vor. Wie passen da drei Leute gleichzeitig hinein, dazu noch die ganze Technik? Als sich nach einer halben Stunde immer noch nichts rührte, mir es auf dem Sattel meines Motorrads – eine BMW R25/2, Baujahr 1953 – langsam aber sicher unbequem wurde, kam mir der Verdacht, dass wir hier in München der selben Legende aufgesessen waren wie die Kids in American Graffity. Ich konnte es kaum fassen! Ich war auf eine absurd falsche Theorie hereingefallen!
Als ich das zuhause erzählte, hab ich nur Kopfschütteln geerntet. Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob sich das auf meine plötzliche Erkenntnis oder auf meinen jahrelangen Irrtum bezog...
Als der Wolfman in Kampfstern Galactica auftrat – als er selbst, verkleidet als Henry VIII wenn ich nicht irre -, war mir sein „Geheimnis“ bereits bekannt. Ich fand die Geschichte im Film damals sehr absurd, aber die Zylonen haben gut auf die Halloween Party gepasst. Aber auch nur dorthin. Und vor ein paar Wochen hat in einem SF Forum jemand von einem Remake erzählt, was mich jedoch nicht besonders reizte.
Umso spannender klingt, was Mike Schwarz zu der neuen Serie schreibt! Die scheinen die Geschichte gründlich überarbeitet zu haben, sich ein (halbwegs?) schlüssiges Konzept ausgedacht zu haben und (hoffentlich!) die bei Amis so beliebten historisierenden Bezüge (Tierkreiszeichen, Namen aus der antikem Mythologie und so) endlich überbord geworfen zu haben. Wenn das mal im Fernsehen kommen sollte, muss ich es mir glatt ansehen.
Aber der eigentliche Grund, weshalb ich diesen Text schreibe, sind die Überlegungen zur Technologiefolgenabschätzung. Ein Thema, mit dem ich mich nicht zuletzt aus beruflichen Gründen seit Jahrzehnten auseinander setze. Ich bin nämlich einer von denen, die sich beruflich mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen.
Ich bevorzuge aber die amerikanische Bezeichnung artificial Intelligence (AI), da das deutsche Wort „Intelligenz“ eng mit Begriffen wie „Verstand“ verknüpft ist, das amerikanische Wort “Intelligence” aber in erster Linie “Wissensverarbeitung” bedeutet. Aus dem Grund heißen die entsprechenden Forschungseinrichtungen auch oft „Labor für wissensbasierte Systeme” oder “Institut für wissensbasierte Systeme”.
Bei mir geht es vor Allem um Industrieanlagen. Und hier speziell um Mustererkennung. Ich entwickle Software (und Sensoren) zum Beispiel zur Bildverarbeitung. Solche System benutzt man in Industrieanlagen etwas zur Qualitätssicherung in Fertigungsanlagen oder zum Steuern von (Industrie-)Robotern. Allerdings betreibe ich auch Grundlagenforschung auf diesem Gebiet, und da geht es dann nicht nur um Bildverarbeitung, sondern um Expertensysteme, um maschinelles Lernen, um logisches Schließen (Heuristiken) aber auch um künstliche Emotionen. Ich weis, letzteres klingt irgendwie nach Frankenstein. Ist es aber nicht.
Mein Lieblingsbeispiel für künstliche Emotionen sind Neugierde und Langeweile. Stellt euch mal eine Suchmaschine wie Google vor, die bestimmte Themen spannend findet, andere nicht. Sie wird gezielt nach den spannenden Themen suchen, sich aber irgendwann langweilen, wenn sie nichts relevantes mehr findet. Überhaupt lassen sich Emotionen prima zur Verhaltenssteuerung einsetzen.
Was hat das jetzt mit der Angst, wir könnten von der eigenen Technik überflügelt werden, zu tun? Dazu muss ich etwas weiter ausholen.
Mein Interesse für Roboter fing relativ früh an, mit Robbie, den Roboter aus Fix&Foxi in den “Mischa im Weltraum“ Geschichten und mit den vielen Robotern von Daniel Düsentrieb (Gyro Gearloose) in den Micky Maus Heften. Roboter waren für mich daher weitgehend positiv besetzt. Die ersten hatte ich damals mit meinem Trix Baukasten – vergleichbar mit den Merklin Baukästen, nur mit zölligen Schrauben… - gebastelt, später kamen dann immer mehr Sperrholz und Relais dazu, aber das ist eine andere Geschichte.
Dass Roboter, überhaupt jede Art von Technik, auch ihre Schattenseiten haben kann, wurde mir erst während der Kuba Krise bewusst. Damals herrschte allgemeine Panik vor einem Atomkrieg, und mein Vater wusste, wie die Gefahr aussah. Er hatte während seiner Zeit bei der US Army mehrere Atomwaffentransporte nach Deutschland bewacht. Und da er gerne alles genau gewusst hat, zudem die sehr nützliche Fähigkeit besaß, Leute auszufragen, ohne dass die davon allzu viel bemerkten, hatte er erstaunlich präzise Vorstellungen von der Wirkung dieser Waffen.
In diesen Tagen wurde dementsprechend viel und gründlich diskutiert, was bei mir nicht nur zu erheblichen Alpträumen führte, sondern auch dazu, dass ich im Garten anfing einen Bunker zu graben. Ich bin nicht ganz sicher, ob es während der Kuba Krise oder bald danach war, als in den Micky Maus Heften eine Geschichte von Riesenrobotern erschien, mit denen die Panzerknacker (Beagle Boys) versuchten, Dagobert`s (Scrooge Mc Duck`s) Geldspeicher zu knacken. Und solche Riesenroboter tauchten dann auch prompt in meinen Alpträumen auf in Form des Waldperlacher Wasserturms, der Arme und Beine bekommen hatte und alles platt trampelte.
Und da ich zu jeder Angst immer sofort eine Gegenstrategie entwickelt hab, erfand ich ein neues Spiel: Roboter erschlagen. Also hab ich aus leeren Konservendosen, Pappe und Klebeband eine Menge kleiner „Roboter“ gebastelt, die ich dann zusammen mit meinen Spielfreunden erschlug. (Was meine Cousine falsch verstand: Sie dachte, das seien „Robolt-er“ – Robolt war der Briefträger – die wir hier killten, was wiederum meine Tante auf den Plan rief, die… aber das wollt ihr sicher nicht so genau wissen.)
Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass Roboter nicht von sich aus gut sind, sondern es davon abhängt, wer sie einsetzt. Das war ein Thema, das mich damals lange Zeit beschäftigte, für das ich aber keine zufriedenstellende Lösung fand. Ein Lösungsansatz kam erst, als ich von Asimov`s Robotergesetzen hörte. Mir war aber auch klar, wie leicht die sich umgehen lassen. Das war damals nach dem Raumschiff Orion Film „Die Hüter des Gesetzes”.
Wieso entwickle ich dann trotzdem AI Software und Roboter, wie den auf dem Foto? Weil es unglaublich faszinierend ist. Als ich in den 60er Jahren meine ersten Roboter gebastelt hab, meinte mein Vater, ich müsse erst einmal ein Computer entwickeln, um die Roboter steuern zu können. Eine Idee, die mir damals zuerst gar nicht gefiel – es gab weltweit nur ein paar Computer, und füllten ganze Hallen aus – aber ich bemerkte bald, dass die Idee zwingend logisch ist. Also fing ich an, mit (zum Teil selbst gebastelten) Relais Computer zu bauen. Nicht vergleichbar mit heutigen Maschinen, aber was wusste man schon in den 60er Jahren. Zumindest hatte ich ab 1968 Knaurs Buch der Denkmaschinen, was zumindest die Arbeiten an der Theorie stark erleichterte.
Meine Vorstellung – und auch das Fernziel – war damals, ein „künstliches Bewusstsein” zu basteln. Als ich dann in den 70ern die entsprechenden Romane von Lem in die Finger bekam, war klar, wohin die Reise geht. Als dann die ersten TTL Bausteine auf den Markt kamen, begannen auch meine Computer den heutigen ähnlich zu werden. Wobei ich jedoch nie an das kommerzielle Potential dieser Maschinen dachte, nicht etwa, weil ich es nicht begriff, es interessierte mich einfach nicht. Mir ging es ausschließlich um die Möglichkeiten, die ein Computer bot. Einer meiner Freunde von Jugend forscht war da deutlich weiter: Er setzte bereits 1974 auf die damals gerade erfundenen Mikroprozessoren, entwickelte damit Computer – was mir zu teuer war, ein 4004 Prozessor kostete rund 1000 DM – und war damit überaus erfolgreich. Es muss so um 1978 herum gewesen sein, da ist er in die Staaten ausgewandert und hat SUN mitgegründet. Einige kennen ihn vielleicht unter dem Namen Andy Bechtolsheim. Aber eigentlich heißt er Andreas von Bechtolsheim.
Zu dieser Zeit begann die Hardware für mich immer mehr zur Nebensache zu werden, fertige Computer und Komponenten wurden allmählich erschwinglich und immer leistungsfähiger. Also verlegte ich mich ab Mitte der 80er auf die Software. Es ist nicht so, dass ich aufgehört hätte, Elektronik zu entwickeln, ganz im Gegenteil. Aber ich nutze eben die Komponenten, die es fertig zu kaufen gibt. Das spart Zeit.
Jetzt – so dachte ich damals – kann ich endlich AI Programme entwickeln, die meiner Vorstellung aus den 60ern nahe kommen. Was für eine Fehleinschätzung das war, lest ihr im nächsten Teil.