Märchen (IV)

Der Froschkönig

Die beiden Firmen mussten fusionieren, wenn sie im Wettkampf der Freizeit-Industrie bestehen wollten.
König stellte Taucheranzüge her, Meyer Taucherbrillen und Flossen. Meyer, bereits sechzigjährig, meinte, seine halb schwachsinnige Tochter müsse in den Deal mit einbezogen werden, am besten heirate sie den Taucheranzug-König, dann könne mit dem Geschäft eigentlich nichts mehr schief gehen – die Ehe solle ja nur pro forma Bestand haben, damit man Steuern spare.
Die zwanzigjährige Tochter hing den ganzen Tag lustlos in Haus und Garten herum. Am liebsten spielte sie mit einem kleinen Ball oder sah sich Bilderbücher an.
Eines Tages saßen die Herren Meyer und König, letzterer ein vierzigjähriger Junggeselle, in Meyers Büro, brüteten über den Fusionsplänen und wie sie das Finanzamt dabei hintergehen könnten, als draußen im Garten ein furchtbares Geflenne losging. Die Meyer-Tochter Annemarie heulte wie eine Dreijährige.
Ihr Lieblingsball, der mit den aufgemalten roten Herzen, war in den Swimmingpool gefallen. Und sie konnte nicht schwimmen, die Arme. Sie saß am Beckenrand und zeterte mit dem Schicksal. Tränen flossen ins Chlorwasser.
„Oh Gott, oh Gott, sieh’ dir das an!“ rief Meyer „Es wird schwer sein, sie zur Heirat zu bewegen. Sie kennt ja kaum den Unterschied von Mann und Frau, obwohl sie selbst in körperlicher Blüte steht. Da sieh nur, jetzt wartet sie, bis irgendeiner kommt und ihr den Ball herausfischt.“
„Ich heirate sie trotzdem“, sagte König, „im Bikini müsste sie recht ordentlich aussehen. Die Frage ist nur, wie wir sie ködern können. Sie hat mich ja noch nie länger als drei Sekunden angeschaut. Sie kennt kaum meinen Namen. Hat sie denn nicht einen speziellen Hang oder Knall, mit dem wir sie überlisten könnten?“
„Sie liebt diese Märchenbücher mit Rapunzel und Schneewittchen und so!“

Als ein paar Tage später Annemaries Lieblingsball schon wieder ins Wasser gefallen war, und sie mit dem schwachsinnigen Geflenne loslegte, tauchte aus dem Wasser ein Mann im Taucheranzug auf. Annemarie brachte vor Staunen kein einziges Wort heraus. Der Taucher hielt den Ball in der Hand, sprang an den Rand des Pools und überreichte dem Fräulein - ‚immer zu Diensten’ - den rotherzigen Gegenstand.
Sie stotterte: „Wer... wer... bist du?“
Wahrheitsgemäß antwortete er: „Ich bin der Frosch-König.“
„Der aus dem Märchen?“
„Ja, wenn du willst.“
Überglücklich strahlte die Schwachsinnige und gab ihm einen Kuss. Da schlüpfte der Frosch-König aus seiner Taucherausrüstung, legte die Flossen ab und verwandelte sich wieder in den König.
Wenige Tage später fusionierten die beiden Firmen und ebenso Braut und Bräutigam.
Die Firma KÖNIG-MEYER ist inzwischen zum Branchenführer aufgestiegen.
Seit Meyers Tod firmiert sie unter dem Namen:

‚DER FROSCHKÖNIG’

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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