Die Verabredung

An der Bushaltestelle wurde Kröll von einem Herrn angesprochen, der ihn zu kennen glaubte. Nach einer Weile stellte sich heraus, dass es ein gewisser Kübelsbeck war, der jahrelang in seiner Nachbarschaft gewohnt hatte. Und nun hatten sie sich bestimmt schon ein Jahrzehnt lang nicht mehr gesehen.
„Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen“, sagte Kübelsbeck.
„Ich freu’ mich auch, Sie wieder mal zu treffen“, meinte Kröll.
Dann kam der Bus. Kröll musste auf einen anderen warten und schlug noch schnell vor: „Wir telefonieren mal miteinander, hier meine Karte.“
Kübelsbeck stimmte zu und versprach, einmal anzurufen.
Tatsächlich rief Kübelsbeck ein paar Tage später an und sie verabredeten sich für den folgenden Dienstag in der Goldenen Gans, um ein Bierchen miteinander zu trinken, wie er meinte.
Am Montag rief Kröll den Kübelsbeck an und sagte, dass es ihm unangenehm sei, aber unaufschiebbare Dinge in Hamburg auf ihn warten. Sie verschoben das Treffen auf Sonntag.
Bereits am Samstag fiel Kübelsbeck ein, dass er ja eigentlich am Sonntag besetzt war und da er Kröll telefonisch nicht erreichen konnte, benachrichtigte er ihn durch ein Telegramm und schlug darin den Freitag der darauf folgenden Woche vor.
Kröll gab per Brief sein Einverständnis für diesen Termin.
Am Donnerstag gegen Mitternacht rief Kröll aber aus Genua in Italien an. Etwas Geschäftliches zog sich doch länger hin als erwartet, über den vereinbarten Termin hinaus. Er schlug dafür den folgenden Montag für ein Treffen vor. Kübelsbeck war einverstanden, musste später aber das Treffen doch wieder auf Dienstag verschieben. Er hatte Frau Meierbiers sechzigsten Geburtstag vergessen.
Der Dienstag war Kröll recht, aber im letzten Augenblick kam ihm doch noch etwas Unvorhergesehenes dazwischen. Per Fax schlug er den kommenden Sonntag vor und Kübelsbeck faxte zurück, er finde den Termin am Sonntag gut.
Der Termin wurde von einem der beiden doch noch einmal auf Mittwoch verschoben.
Dann aber klappte es endlich und sie trafen sich in der Goldenen Gans.
„Wie geht’s bei Ihnen?“ fragte Kröll.
„So, so“, antwortete Kübelsbeck. „Und bei Ihnen?“
„Es ist auszuhalten, viel Arbeit halt“, sagte Kröll, „aber man lebt.“
„Schön, dass wir uns mal wieder treffen“, meint Kübelsbeck, „Hauptsache, man ist gesund.“
„Ja, das ist das Wichtigste“, erwidert Kröll.
Sie tranken ihr Bier aus und trennten sich dann erleichtert wieder.

Für die nächsten zehn Jahre haben sie nun wahrscheinlich wieder Ruhe voreinander.

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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