Herbst in Waldperlach, Teil 72
Donnerstag, 11.11.2010: 8°C, blauer Himmel, Cumulus Wolken, zwischendurch hochnebelartige Bewölkung. Kalt, aber trocken und nur wenig Wind.
Da ich in der Nacht bis 0400 gelesen hatte, wollte ich eigentlich bis Mittag schlafen, wurde aber um 0900 von fast hysterischen Warnschreien von Amseln geweckt. Eine Katze? Also bin ich aufgesprungen, hab zum Fenster rausgeschaut, aber die Amseln flogen nicht weg, sondern liefen alle unter die Büsche im Nachbargarten. Also keine Katze. Und irgendwie haben die Warnschreie auch ein wenig anders geklungen, als wenn die grau getigerte Katze oder ich mit meiner „Katzenglocke“ zu nahe an eine Amsel herankomme.
Dann sah ich in der Morgensonne einen Schatten über die gegenüberliegende Hauswand huschen. Ein Raubvogel? Vor zwei Tagen hatte ich mir eingebildet, den Ruf eines Turmfalkens gehört zu haben…
Nach ein paar Minuten – draußen war es inzwischen vollkommen still, bis auf das Rauschen der Autos auf der 200 Meter entfernten Putzbrunnerstraße, und kein einziger Vogel war zu sehen – flog ein Blackbird, umkreist von zwei großen, aber deutlich helleren Vögeln in mein Blickfeld. Von meinem Fenster aus hab ich nach West Nordwest über Nord bis Nordost fast komplett freie Sicht. Und jetzt hatte ich einen Logenplatz auf einen Luftkampf!
Als ich bei den teils extremen Flugmanövern zusah, fiel mir wieder die Dikta Boelke ein. Demnach mussten wohl die beiden helleren Vögel die Angreifer sein. Nur: von welcher Art sie waren, konnte ich nicht erkennen, dazu sind meine Augen zu schlecht. Also holte ich die Kamera, schaltete sie ein, fuhr den Zoom auf Maximum und – das „Kampfgeschehen“ hatte sich aus meinem Blickfeld heraus verlagert.
Also wartete ich. Und versuchte andere Vögel zu sehen. Aber da waren keine. Nicht einmal die unvermeidlichen Kohlmeisen, die sonst zu jeder Tageszeit irgendwo herumflattern, laufen oder sitzen waren zu entdecken. Dafür herrschte eine ganz ungewohnte Stille.
Nach ein oder zwei Minuten huschten wieder Schatten über die Dächer und Hauswände, und Augenblicke später kamen die drei Luftkämpfer wieder von Osten her in mein Blickfeld. Und da ich die Kamera in der Hand hielt, schoss ich ein Foto nach dem anderen. Auf dem Bild sieht man den Blackbird gegen Ende des Luftkampfes, kurz bevor es ihm gelang, sich abzusetzen und in einem Baum, einer hohen Fichte, zu verstecken. Das ganze Geschehen, von den Warnschreien der Amseln bis zum Ende dauerte etwa eine halbe Stunde.
Auf den Fotos konnte ich die „Angreifer“ als Habichte, vermutlich ein Pärchen, identifizieren. Ich werde dazu noch einen weiteren Artikel mit mehr Fotos und einer genauen Beschreibung des Luftkampfes zusammenstellen.
Irgendwie war das Verhalten dieser beiden Habichte ungewöhnlich: Normalerweise sitzen sie auf einem Baum oder anderen Aussichtspunkten und schlagen dann blitzschnell zu. Aber einen derartigen Luftkampf konnte ich heute zum ersten mal beobachten. Und dabei sind Habichte hier gar nicht so selten – nur sieht man sie nicht oft. 1969 oder 1970 hat sogar mal einer das Kaninchen eines Schulfreundes von mir in dessen Garten geschlagen und ist damit weggeflogen. Das war keine 500 Meter Luftlinie von hier.
Es dauerte dann eine weitere halbe Stunde, bis sich wieder die ersten „unbeteiligten“ Vögel zeigten. Zwei Elstern flogen von ihrem Baum zu der Fichte mit dem Kolkraben, etwas später wechselte ein Eichelhäher sein Versteck und unter den Büschen im Nachbargarten konnte ich mehrere Amseln herausschielen sehen. Bis zum Nachmittag hatten sich dann anscheinend alle wieder beruhigt, zumindest interpretiere ich den Andrang am Futterhaus dem entsprechend.
Dem Blackbird scheint übrigens nichts passiert zu sein: Am Nachmittag drehte er wie an jedem Tag seine Runden und lies dabei sein gewohntes “Korrr” hören.
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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