Herbst in Waldperlach, Teil 41
Montag, 11.10.2010: 14°C. Blauer Himmel, leichte Schleierwolken, windig. Relativ kalt.
Nur noch 71 Tage, bis die Tage wieder länger werden…
War heute auf der Post, genauer gesagt, im „Postshop“, bin aber nicht durch den Wald geradelt, weil es mir zu windig war. Bin daher durch die Siedlung gefahren – das ist kürzer – und da gibt es eigentlich nichts Interessantes zu sehen. Aber zu riechen: Irgend jemand hat – vermutlich seinen Zaun – mit Carbolineum gestrichen. Das ist ein Holzschutzmittel auf Petroliumbasis, das bis vor wenigen Jahrzehnten der gängige Anstrich für Zäune war. Das härtet nicht aus, zieht aber ins Holz ein. Weshalb das auch immer abgefärbt hat, wenn man versehentlich dagegen kam. Inzwischen heißt das Zeug vermutlich völlig anders, zumindest hab ich es noch nie in einem Baumarkt gesehen. Früher gab es das bei der Baywa, und möglicherweise hat irgend jemand vor 50 Jahren im Stil von Papa ante Portas eine wirklich hinreichend große Menge davon gekauft…
Später beim Fotorundgang konnte ich eine Hummel und 5 Bienen auf den Herbstastern beobachten, traf kurz meinen Nachbarn, der gerade sein Gartenhaus frisch streicht, was bei mir die Befürchtung ausgelöst hat, dass das meine beiden Hintergründe auf dumme Gedanken bringen könnte, wenn sie davon erfahren. Hab schon befürchtet, dass ich bald vor ein paar Eimern Farbe stehen werde, bis mir einfiel, dass die beiden selbst öfters mal etwas anstreichen. Und das sieht nachher meistens besser aus als vorher.
Hinten im Garten auf dem Apfelbaum haben sich die Kokons weiter entwickelt: Die durchsichtigen Tröpfchen in den Kokons sind jetzt leicht rötlich. Wenn man das Bild von heute mit dem vom Freitag vergleicht (Herbst in Waldperlach, Teil 38), fällt der Unterschied sofort auf. Da scheinen wirklich kleine Insekten zu wachsen. Vielleicht Spinnen oder doch Schaumzikaden?
Ich spiel mit dem Gedanken, morgen einen der Kokons abzuschneiden und in eine Petrischale zu legen. Dann weis ich spätestens wenn etwas schlüpft, was da drinnen wächst. Solange es nur nicht so läuft wie in einer Firma vor 15 Jahren, in der ich mal einen Sack indischer Baumwollflocken als Testobjekte bekommen hatte...
Der Sack stand damals wochenlang in meinem Büro – ich brauchte nur ein paar Flocken, nicht einen Kubikmeter – und irgendwann bemerkte ich, dass der Sack Masern bekommen hatte: Lauter kleine rote Punkte. Ich hab mir das dann unter der Lupe angesehen, und es waren winzige Spinnen! Tausende! Leuchtend rot und weniger als einen Millimeter lang! Hm. Die firmeninterne Reaktion auf den Bioalarm beschreib ich jetzt aber nicht...
Nachtrag: 2130: Das Wetter ist super! Beste Durchsicht. Keine Wolken, kein Hochnebel, kalt (6°C). Werde jetzt versuchen, Komet Hartley 2 zu fotografieren.
2146: Es hat geklappt! Er ist als Stern 6. Größe im Perseus genau an der richtigen Stelle zu sehen. Und er ist knapp aus dem Rauschen heraus.
Hm, ja. Nachdem ich die Spinnen entdeckt und meine Kollegen zusammengetrommelt hatte, haben wir erst mal überlegt, ob die giftig sein können. Wie die Agar Kröte. Dann wurde uns klar, dass wir die Viecher unmöglich entkommen lassen können, wer weis schon, welchen Schaden die in der Biosphäre anrichten. Also haben wir erst einmal alle Spinnen mit einem Staubsauger eingesaugt (nachdem wir nach genügend Gummihandschuhen gesucht hatten), und Insektengift in den Staubsauger gesprüht, damit keine Spinnen im Staubsauger überleben. Dann haben wir den Staubbeutel luftdicht verpackt, und den Plastiksack mit den Baumwollflocken ebenfalls luftdicht zugeklebt. Zuvor kam dort auch Insektengift rein, dann kamen der Sack und der Beutel noch mal in einen luftdichten Plastiksack und das Ganze ging dann zu einer Firma, die so etwas sicher entsorgt. Mein Büro wurde anschließend gründlich desinfiziert. Das roch dann tagelang etwas seltsam (nach einer Mischung aus Babypuder und geschredderten alten Teppichfliesen). Ich hab die ganze Zeit gehofft, dass das Zeug wirklich nur für Insekten giftig ist, nicht aber für Menschen. Wie es die Typen, die es versprüht haben, behaupteten. Nur so wirklich getraut hab ich denen nicht. Ich hab jedenfalls zur Vorsicht nachher tagelang einen Unterteller auf meine Kaffeetasse gelegt, damit da nichts reinkommt. Was beim Trinken ziemlich blöd war, weil ich vor lauter Hacklechts öfters vergessen hab, dass ein Unterteller auf der Tasse liegt…
Ich denk, dass das Problem hauptsächlich deshalb entstanden ist, weil wir unbehandelte Baumwollflocken gebraucht haben. Also Flocken, die gerade frisch geerntet worden waren. Und die brauchten wir als Testobjekte für einen Sensor, der Verunreinigungen in Baumwollflocken finden musste (Nissen, Verpackungsmaterial, Reste von menschlichen Körperteilen, Splitter von der Erntemaschine u.s.w. Was man eben so in Baumwollballen findet.). Die Sensoren waren nach wenigen Jahren ein voller Erfolg. Ich schätze mal, dass sie bei etwa einem Drittel der weltweiten Baumwollproduktion eingesetzt werden.
Und, wie es scheint, haben wir die Invasion der kleinen roten Spinnen erfolgreich verhindert.
Also - ob ich einen der Kokons vom Apfelbaum ins Labor hole, das lass ich mir noch mal durch den Kopf gehen. Ich hab zwar vor ein paar Monaten angefangen, einen Handschuhkasten zu basteln, aber der ist noch nicht fertig. Wegen zu wenig Zeit. Ich könnte die Petrischale mit dem Kokon höchstens in ein luftdichtes Gefäß stellen. Ich weis ja noch nicht, wie groß die Viecher sind, dies sich da gerade entwickeln. Ich weis aber auch nicht, wie viel Sauerstoff die brauchen. Hm. Mal sehen.
B