Die Familie der Schnirkelschnecken (Helicidae)
Im Mai 2009 traf ich mich mit Autoren und Lesern einer seltsamerweise viel zu unbekannten Science Fiction Buchserie in Landshut. Bei der Gelegenheit sah ich mir nach 40 Jahren endlich einmal wieder die Burg Trausnitz an. Es gibt von der Altstadt aus einen Weg, die Fürstentreppe, die ich Anfang der 70er Jahre schon einmal erklommen hatte, aber irgendwie muss die in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewachsen sein. Eindeutig zu anstrengend für einen Labormenschen wie mich, der seinen Keller höchstens einmal pro Monat verlässt. Aber mit mehreren Pausen habe ich den Aufstieg dann tatsächlich doch geschafft. Und ich muss sagen: Es hat sich rentiert!
Beim Abstieg am späten Nachmittag fielen mir dann mehrere Schnecken am Rand der Fürstentreppe auf, die ich natürlich sofort fotografieren musste. Von meinen Begleitern hat das keinen verwundert – die kennen das schon, dass ich einfach immer alles fotografieren und untersuchen muss. Nur das Probennehmen habe ich mir vor einigen Jahrzehnten abgewohnt, das Zeug wiegt einfach zu viel und alle Nebenräume meines Labors sind bis zur Decke gefüllt. Daher: Nur Fotos.
Als erstes fiel mir eine größere Anzahl Weinbergschnecken (Helix pomatia) auf, was mich zu der sicher falschen Annahme verleitete, der Burgberg wäre früher einmal ein Weinberg gewesen. Ich fand nach einigem Herumsuchen, dass hier anscheinend wirklich nur eine Art lebt. Die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) war nicht vertreten. Was auch nicht weiter verwundert, denn selbst wenn manche Leute Bayern als die nördlichste Provinz von Italien ansehen, so weit ist der Klimawandel doch noch nicht.
Da es Menschen gibt, die Weinbergschnecken essen, obwohl eigentlich jedem klar sein müsste, dass sie nicht koscher sind, stehen sie unter Naturschutz.
Woran erkennt man eine Weinbergschnecke? In erster Linie an der Größe. Der Gehäusedurchmesser liegt bei etwa 6 Zentimetern. Die Färbung des Gehäuses kann dunkelgelbe bis bräunliche Töne annehmen, wobei die Farbe von Rille zu Rille unterschiedlich sein kann. Der Körper der Schnecke ist meist grau.
Weshalb habe ich mir die Schnecken so gründlich angesehen? Nun, die Gehäuse von Schnecken sind üblicherweise rechtsdrehend spiralförmig. Aber: etwa eine von 10.000 hat ein linksdrehendes Gehäuse. Man nennt sie dann einen ‚Schneckenkönig’, und die waren früher an den zoologischen Instituten heiß begehrt. Da gab es echtes Geld dafür. Ich habe etwas von um die 1000 Mark in den 60er Jahren in Erinnerung. Und seit ich davon weis, halte ich natürlich die Augen offen. Nur, genützt hat es bisher nichts.
Aus diesem Grund habe ich auch während der ersten Jahre meiner Schulzeit laufend Schnecken beobachtet und gezählt. Als ich bei weit über 1000 angekommen war, tauchte bei mir der fürchterliche Verdacht auf, dass ich vielleicht immer wieder die selben Schnecken zähle, weshalb ich dann damit begann, die Schnecken zu sammeln und in ein selbstgebasteltes Terrarium zu sperren. Was natürlich bald Ärger gab, als die ersten Schnecken starben und anfingen, intensiv nach totem Fisch zu stinken…
Die Schnecken, die ich damals gesammelt habe, und die auch heute noch sehr häufig zu finden sind, waren Garten-Bänderschnecken (Cepaea hortensis). Sie haben einen Durchmesser von etwa 25 Millimetern, sind von der Grundfarbe her gelb bis braun und haben bis zu 5 dunkelbraune Streifen, die parallel zur Spirale des Gehäuses laufen. Es gibt aber auch Individuen ohne Streifen. Diese sehr flexiblen Färbungen innerhalb ein und derselben Population nennt man Farbpolymorphismus, unterschiedlich gefärbte Individuen bezeichnet man als Morphe.
Aber zurück nach Landshut. Neben den Weinbergschnecken kroch auch noch eine kleinere, gelbe Schnecke mit einem dunkelbraunen Ring. Im ersten Moment dachte ich, es sei eine Garten-Bänderschnecke, aber bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass die Mündung des Gehäuses einen dunklen Rand aufweist. Und die Mündung von C. hortensis ist immer hell. Also konnte das nur eine Hain-Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) sein. Die sind etwa gleich groß, von gelber über brauner bis schwarzer Grundfarbe. Ansonsten gilt für sie das selbe wie für die Garten-Bänderschnecke.
Die drei hier kurz beschriebenen Arten haben eines gemeinsam: Sie gehören zur Familie der Schnirkelschnecken (Helicidae). Vermutlich leitet sich der Name von ‚Schnörkel’ ab, weil praktisch alle Arten dieser Familie mit spiralförmigen ‘Rallyestreifen’ verschnörkelt sind.
Übrigens: Es ist ein Riesenspaß, die kleinen Steine auf Bild3 zu analysieren. Da findet man (fast) jedes Gestein, das die Isar seit der letzten Eiszeit aus den Alpen ausgewaschen hat.
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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