Anton, Teil 50 (Wie terrorisiert man einen Hund?)
Ende August 1998 waren die Lagerhallen der Kohlenhandlung zwar bereits abgerissen, die freien Flächen wurden von polyploiden Pflanzen schnell neu besiedelt aber im ehemaligen Wohnhaus auf dem selben Grundstück lebten noch Mieter. Und die hatten einen Hund. Groß, zottelig schwarz und ein wenig doof. Einen von der Sorte Spitzgedackeltermopsbernhardiner, bei dem man Vorne und Hinter nur an der Richtung der Nahrungsaufnahme und Abgabe erkennen konnte.
Soweit ich mich erinnere, hieß er Moritz, bin mir aber nicht ganz sicher. Zumindest finde ich den Namen nirgends in meinen Unterlagen. Anton kannte den Hund natürlich, der ihn auch. Kunststück, wer innerhalb von Antons Aktionsradius von damals geschätzt 600 Metern kannte Anton nicht? Selbst bei den Leuten zwei Straßen weiter, die nicht wussten wie er hieß, waren seine Auftritte berüchtigt. Sie nannten in „The Leader“, wie ich einmal von meiner Tante erfuhr, und das hatte einen simplen Grund: Sobald Anton irgendwo auftauchte, drehte sich ganz automatisch alles um ihn. Nicht nur bei den dortigen Menschen...
Am Nachmittag hatte mich Anton abgeholt, wir gingen durch den Garten aber Anton wollte offensichtlich weiter. Er sprang über einen Apfelbaum auf die hintere Gartenmauer, wartete, bis ich auch unter dem Baum durchgekrochen war und über die Mauer schauen konnte und sprang dann in das Abbruchgrundstück. Seltsamerweise klingelte er dabei.
Ich dachte noch, so ungeschickt ist er doch sonst nicht, und sah zu, wie er sich – jede Deckung ausnutzend – näher an das alte Wohnhaus anschlich. Und dabei auch wieder klingelte! Das konnte kein Zufall sein. Wenn Anton klingelte, dann um gehört zu werden. Die beiden Menschen, die in dem alten Haus wohnten und ihr Hund waren im Garten, der Hund stand sehr entspannt vor der Haustür. Und Anton kam ihm immer näher…
Da er laut und deutlich klingelte, hörten ihn die beiden Menschen, konnten ihn aber nicht sehen. Plötzlich sagte die Frau zum Hund: “Da kommt den Anton!”, worauf der Hund sich hektisch umdrehte und ins Haus rannte.
Das war es also! Anton hatte sich zwar angeschlichen wie an eine Beute, hatte aber gleichzeitig geklingelt, um bemerkt zu werden. Er wollte den Hund also gar nicht fangen, sondern ihn nur terrorisieren, ihn in Panik versetzen, ihm zeigen, wer hier der Boss ist!
Und das war im auch gelungen. Ich weis nicht, ob er vorher irgendwann mit dem Hund gekämpft hat, der war immerhin bestimmt zehn mal so schwer wie Anton, aber offensichtlich hatte der ernsthaft Respekt vor dem Kater. Was dessen Selbstbewusstsein nur noch weiter stärkte. Und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Anton mir seine Wirkung auf den Hund vorführen wollte. (Schade, dass man bei Katzen nicht sieht, wenn sie grinsen. Dass sie Humor haben, wenn auch einen sehr skurrilen, dürfte ohnehin klar sein.)
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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