Anton, Teil 33 (Katzenkaugummi)
Anton war ja von Natur aus ein extrem neugieriger Kater, der stark exploratives Verhalten zeigte. Und vor ihm blieb nichts verborgen. Ende August 1998, das Wetter war an diesem Tag nicht so besonders, kam Anton zu mir ins Wohnzimmer, wollte sich eigentlich auf ‚seinen’ Stuhl legen, stutzte aber plötzlich und sprang auf den Hocker vor dem Telefon. Dort streckte er sich, kam aber nicht an das Objekt seines Interesses heran. Also sprang er auf den Kasten mit dem Telefon, und untersuchte die dort herumliegenden Notizblöcke und Stifte.
Ich begriff immer noch nicht, was ihn dort eigentlich so faszinierte, erkannte aber an seiner Körpersprache, dass er irgend etwas jagte. Schließlich pfotelte er ganz vorsichtig in eine Schale mit Stiften links hinten auf dem Kasten. Und griff mit den Krallen einen Gummiring!
Was will ein Kater mit einem Gummiring? Anton nahm den Ring in den Mund, sprang zurück auf den Hocker, dann auf die Lehne seines Stuhls. Und dort fing er an, genüsslich auf dem Gummi zu kauen. Er legte in ab, hielt ihn mit den Pfoten fest, zog daran, kaute wieder eine Weile und hatte sichtlich Spaß damit.
Als ich ihm so zusah, erinnerte ich mich, dass ich das mit knapp zwei Jahren auch gemacht hatte: Meine Großmutter kochte im Herbst Obst ein, und konservierte es in Einweckgläsern. Glas und Deckel werden mit breiten roten Gummiringen abgedichtet, indem die Gläser in einem Einwecktopf erhitzt wurden, die Luft sich ausdehnte und nach dem Abkühlen Unterdruck in den Obstgläsern herrschte.
Natürlich war ich damals immer mit dabei, nagte Apfel- und Birnenschalen ab, probierte das gekochte Obst (das aber erst schmeckt, wenn es gezuckert ist) und: Ich entdeckte die roten Gummiringe, die sich hervorragend als Kaugummi eigneten. Also kaute ich darauf herum, erinnere mich noch gut an das Bissgefühl und den Geschmack (na ja, der war nicht so überzeugend, aber das Bissgefühl war ein echtes Erlebnis.) Nur hatte meine Großmutter etwas gegen diese Zweckentfremdung ihrer Gummiringe. Die halten dann nicht mehr dicht und müssen erst noch mal gewaschen werden und so weiter. Also durfte ich sie nicht kauen.
Anton durfte. Und tat es auch ausgiebig. Da er sie nicht als Ganzes aß, sondern wirklich nur in kleine und kleinste Stücke zerbiss, drohte ihm auch keine Gefahr. Also sah ich zu und ließ ihn.
Später habe ich von seinen Menschen erfahren, dass das nichts neues war: Er jagte auch in seiner Wohnung nach Gummiringen, die aber mittlerweile Antonsicher im Schreibtisch verwahrt waren. Aber es gab ja eine zweite Quelle...
Aschenbecher auslecken! Heftig! Anton mochte keinen Zigarettenrauch, auch die Katzen meiner Bekannten gingen immer weg, wenn jemand rauchte. Aber es gab in einer WG, in der ich mal wohnte eine Ratte, Gustel, nach Augustin Souchy benannt, der kam sofort an und schnupperte sehr intensiv mit, wenn jemand einen Joint rauchte. Danach schlief er immer tief und entspannt auf seinem Häuschen (Natürlich in seinem Käfig, weil dort die Katzen nicht reinkamen. Und mit denen stand er auf Kriegsfuß. Karlo hatte es einmal gewagt, neben seinem Käfig zu schlafen, kam dann mit dem Schwanz zu nahe an die Gitterstäbe heran, was Gustl sofort ausnutzte: Er schlich sich an, griff mit beiden Händen zu, zog den Katzenschwanz so weit in den Käfig, dass er zubeißen konnte. Ich hab das Ganze gesehen, konnte aber nicht glauben, was da passiert. Gustl biß voll in den Schwanz,worauf Karlo entsetzt aufsprang, fast an der Decke klebte. Seit dem hatte der Kater Respekt vor der Ratte.) Aber das ist lange her, 1982...
B