Anton, Teil 19 (Der Teich)
Im Sommer 1999 war der Teich in Antons Garten bereits so richtig schön zugewachsen. Als seine Menschen in Urlaub waren und ich ihn jeden Morgen aus seiner Wohnung ließ – natürlich immer im Zusammenhang mit einem ausgedehnten Frühstück, das Anton bei gutem Wetter auf der Terrasse einpresste – führte sein erster Weg zum Teich, um erst einmal ausgiebig zu trinken. Mir war das grüne Wasser irgendwie suspekt, Anton dagegen schien es prima zu schmecken.
Was blieb mir also anderes übrig, als es selbst einmal zu testen? Also nahm ich ein 100ml Becherglas, füllte es und sah mir den Inhalt an. Grün. Hm. Sah aus wie kalter Kräutertee, der nicht durch ein Sieb gelaufen ist. Roch auch so. Ich schnupperte etwas gründlicher am Glas, und ich war mir nicht sicher, ob das Einbildung oder Realität war, aber ich finde, es roch ein wenig nach Phenol. Könnte von der Teichfolie kommen, aber sicher war ich mir nicht.
Dann überlegte ich, ob ich die “Geschmacksprobe“ durchführen sollte. Bewegte sich da etwas im Wasser? Vielleicht sollte ich mir das Konzept noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Bei der Gelegenheit erinnerte ich mich an das analytische chemische Praktikum an der LMU, an dem ich 1979/80 teilnahm. Wir mussten dort jeden Tag 5 farblose (Chemiker Soziolekt für weiße) Substanzen analysieren. Jeder Teilnehmer bekam natürlich andere, damit man nicht abkupfern konnte. Und der Laborant, der das Zeug zusammenmischte, war unbestechlich (was bei Studenten, die arttypisch notorisch pleite sind, eh keine Rolle gespielt hätte).
Einmal hatte einer meiner Kommilitonen, wir nannten ihn den „Chirurg“, weil er anstelle eines Laborkittels einen Chirurgenkittel trug, den er in der Anatomie geklaut hatte (nach der „Mutprobe“, dem obligatorischen Besuch auf der Zuschauertribüne), keinen Bock, das ganze Analyseprogramm durchzuziehen. Also sah er sich die Pülverchen unter einer Lupe an, um vielleicht aus der Kristallform zu erraten, was er da vor sich hatte. Bei einem war er sich sicher: Das kann nur Kochsalz sein. Den Einwand, so etwas einfaches würden die uns nie vorsetzen, ignorierte er.
Also kostete er. Verzog das Gesicht und meinte: Geschmacklos. Also kein Kochsalz. Also musste er es doch analysieren. Ob er wollte oder nicht. Als etwas später der Assistent, der das Praktikum betreute, dazukam, der „Chirurg“ ihm strahlend von seinem „neuen Verfahren“ erzählte, wurde der käsebleich. Fragte dann, wie lange die Geschmacksprobe her sei, und atmete erst auf, als klar war, dass seit dem über eine Stunde vergangen war. Als wir am Nachmittag unsere Ergebnisse abgaben und die Auflösung erhielten, erfuhren wir, dass eine der 5 Schalen, die der Chirurg hatte, Zyankali enthielt…
Nachdem mir DAS durch den Kopf gegangen war, beschloss ich, auf die Geschmacksprobe jetzt und auch in Zukunft zu verzichten. Denn: Ich habe ein Mikroskop – und ich werde es benutzen!
In einem Tropfen Wasser aus dem Teich konnte ich dann auch wirklich das pralle Leben unter dem Mikroskop beobachten. Außer einigen Sonnentierchen und Grünalgen waren mir die meisten Mikroorganismen jedoch unbekannt. Möchte nicht wissen, was mir durch den Kopf gegangen wäre, wenn ich das Wasser wirklich verkostet hätte. (Vermutlich mein Frühstück) Was folgt daraus? Katzen haben offensichtlich eine deutlich andere Verdauung als Menschen. Ober sind einfach besser im Training...
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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