Erinnerung an Otto Selz
München soll zu einem der international wichtigsten Zentren der Holocaustforschung werden. Memory Gaps ::: Erinnerungslücken, eine Kunstinitiative digitaler Erinnerungskultur setzt sich zur Aufgabe, in seinen monatlichen Ausstellungen nicht nur an einzelne, sondern an sämtliche der NS-Opfergruppen zu erinnern. Viele Opfer der NS-Diktatur warten immer noch auf die Ehre kommunalen Gedenkens. Ein Plädoyer für Münchner Straßennamen, die es längst geben könnte:
Otto Selz (* 14. Feb. 1881 in München; † 27. Aug. 1943 im KZ Auschwitz) war ein deutscher Psychologe und Philosoph. Selz wuchs in München auf, absolvierte das Ludwigsgymnasium und studierte Rechtswissenschaften, Psychologie und Philosophie. Ab 1912 war er – unterbrochen durch Kriegsdienst – Dozent für Philosophie und Psychologie an der Universität Bonn, ab 1923 Professor für Psychologie und Pädagogik an der Hochschule Mannheim. 1934 wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Nach einer fünfwöchigen Internierung im KZ Dachau emigrierte Selz 1939 nach Amsterdam, wo er weiter forschte, lehrte und sich um eine Ausreise in die USA bemühte. Nach der NS-Besetzung der Niederlande wurde er 1943 verhaftet und im Durchgangslager Westerbork interniert. Otto Selz wurde am 24. Aug. 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er bereits kurz nach seiner Ankunft, am 27. August 1943, ermordet wurde.
„Über die Gesetze des geordneten Denkverlaufs“ lautet der Titel des bereits 1913 erschienenen Werkes, in dem Otto Selz u. a. denk- und bewusstseinsspezifische Aspekte der Wissensaktualisierung untersuchte. 1934 wurde Selz aufgrund des sogenannten Berufsbeamtengesetzes von 1933, welches der NSDAP erlaubte, jüdische und politisch missliebige Beamte willkürlich aus dem Dienst zu entfernen, im Alter von 53 Jahren zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Bis zum heutigen Tag existiert keine Straße in München, die seinen Namen trägt.
Die 2015 gegründete Kunstinitiative der deutsch-österreichischen Malerin Konstanze Sailer eröffnet Monat für Monat Ausstellungen von physisch realen Kunstwerken in virtuellen Räumen. Die Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen oder an Plätzen, die es nicht gibt, die es jedoch geben sollte: solche mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Von München bis Hamburg und von Berlin bis Wien sollen damit Beiträge zum kollektiven Gedächtnis geleistet und Erinnerungslücken geschlossen werden.
Zur Ausstellung „Denkverlauf“ von Memory Gaps ::: Erinnerungslücken
Bürgerreporter:in:Karl-Uwe Lehmann aus Berlin |
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