Interview mit Shihan Wolfgang Wimmer vom Erlinger Bushido-Kai
1995 habe ich mich dem Bushido-Kai beim SV Erlingen angeschlossen. Dieser wurde gegründet von Wolfgang Wimmer, den er auch seit damals leitet. Als ich seinerzeit meine Budokarriere startete, ahnte ich noch nicht wohin mich dieser Weg führen würde, auch nicht um das Besondere, das gerade diesen Kai (=Vereinigung) im Vergleich zu anderen ausmacht und auch nicht um die Person meines Sensei, Shihan Wolfgang Wimmer – auch nicht um dessen Vielfalt und nationale und ebenso internationale Bemühungen im Bereich der Budokünste.
Um ihn, obwohl ich es mittlerweile als eine seiner längsten Schülerin schon sehr gut tu, noch besser kennen zu lernen und auch mehr Hintergrundinfos zu ihm in Erfahrung zu bringen, habe ich mich entschlossen, mit ihm ein Interview zu machen. Nur aus Gründen, der über das Lehrer-Schüler-Verhältnis hinausgehenden freundschaftlichen Verbindung zu meinem Sensei, habe ich die „Du“ Form gewählt. Dies soll keine Respektlosigkeit (ein Punkt auf den wir im Budo genau achten) sein, sondern die eher freundschaftliche Verbundenheit wiederspiegeln.
..: Wie lange bist Du schon in der Marktgemeinde?
WW: Ich bin vor 17 Jahren in hiesige Marktgemeinde gezogen – zuerst nach Erlingen, später Langenreichen. Davor habe ich lange Jahre in Augsburg gewohnt.
..: Seit wann betreibst Du Budo und wie bist Du dazu gekommen?
WW: Bereits im Kindesalter war ich davon fasziniert. Zu dieser Zeit lief im Fernsehen die Serie Kung-Fu mit David Carradine, sowie „Die Rebellen vom Liang Shan Po“ und ich war damals schon gefesselt davon, mit welcher Leichtigkeit die verschiedenen Situationen bewältigt wurden.
Letztendlich habe ich 1983 mit Budo begonnen. Ich befand mich damals in der Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Königsbrunn und ein Teil dieser Ausbildung war auch die Selbstverteidigung. Zu meiner Zeit der Ausbildung dort war es noch so, dass man im ersten Ausbildungsjahr in der Unterkunft übernachten musste. So war ich dankbar, dass auch nach Dienstende ein Sportangebot war, eines davon war Ju-Jutsu, an welchem ich mit meinen damaligen Zimmerkollegen auch teilnahm. Daneben war quasi um die Ecke bei meinen Eltern in Augsburg, wo ich damals wohnte, eine Budoschule, bei der ich mich auch anmeldete und mit dem Jiu-Jitsu und Karate begann.
..: Ich weiß, dass Du ungern den Begriff Kampfsport verwendest. Kannst Du den Lesern verraten warum?
WW: Dazu muß ich nun ein wenig ausholen. Du weißt ich betreibe japanische Budokünste, wobei der Begriff Budo für die Gesamtheit aller japanischen Kampfkünste steht. Früher sprach man in diesem Zusammenhang von Bujutsu was soviel wie Kriegskunstweg oder „Militär-Weg“ bedeutet. Die Gründung geht hierbei darauf zurück, dass im Japan der damaligen Zeit sehr viele Kriege der rivalisierenden
Clans um die Vorherrschaft in Japan ausgetragen wurden und die Samurai (japanische Krieger) sich harten und strengen Schulungen von Kampftechniken unterwarfen, um auf dem Schlachtfeld bestehen zu können.
Später, als die „Schlachten weniger wurden“ war auch nicht mehr die Notwendigkeit hierzu vorhanden, gleichwohl bewahrte man die erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten, allerdings wandelte sich der Begriff Bujutsu (Jutsu=Technik) zu Budo (Do=Weg), bei welchem neben der Kampftechnik noch eine sogenannte „innere“ Lehre oder auch Philosophie enthalten ist.
Mir geht es bei der Unterrichtung und Vermittlung nicht nur um die Lehre der „rein technischen Aspekte“, sondern auch um Etikette, Zeremoniell, Philosophie, Geschichte, Hintergrund und die Person. Weiter wird mit dem Begriff „Sport“ (in Kampfsport) immer ein gewisser Vergleich angestrengt, ein sportlicher Vergleich, in welchem es Sieger und Verlierer gibt (im Budo gibt es Trainingspartner), ein sportlicher Vergleich in welchem es, gerade im Randori, nicht darum geht, primär die Gesundheit meines „Trainingspartners“ zu achten, sondern das Gewinnen im Vordergrund steht.
Für mich besteht die Unterrichtung von Budo aus Shin (Geist), Waza (Technik) und Ki (universelle, körpereigene Energie). Nur durch die Lehrer aller drei Bereiche wird eine gesamtheitliche Schulung durchgeführt, wird der Schwerpunkt nur auf einen oder zwei Bereiche gelegt, führt dies zu einer einseitigen und/oder verfälschten und unvollständigen Übermittlung.
Da ich, wie zuvor gesagt, aber nicht nur die reine Technik lehre, sondern eben daneben auch andere Aspekte, spreche ich nicht von Kampfsport...
..: Wie waren und sind deine Beziehungen zu deinem Sensei?
WW: In den Kampfkünsten bzw. dem Budo steht die Loyalität an erster Stelle. Mein erster Sensei verstarb leider viel zu früh und ich war danach etwas „orientierungslos“ 1999 lernte ich, nachdem ich bis dahin auch bei anderen Verbänden Kontakte geknüpft hatte, jedoch hier nie das gefunden hatte, wonach mir verlangte, meinen Sensei, Shihan Allan Tattersall, Hanshi, Kyudan kennen, der für mich im Laufe der Jahre zu einem engen Freund, Mentor und Förderer wurde.
Nachdem ich zuvor bereits über Allan Berichte hörte, entschloss ich mich spontan, diesen nach Meitingen zu einem Lehrgang einzuladen. Ich hatte gerade das Fax an ihn abgeschickt, als auch 10 min. später mein Telefon klingelte und Allan dran war. Es folgte ein ca. 1 ½ stündiges Telefonat mit ihm. 1999 kam Allan dann zu ersten Mal nach Meitingen bzw. Deutschland und ist seitdem, zum Teil mehrmals jährlich, mein Gast. Allan, 2012 im Alter von 78 Jahren, beeindruckte mich bei seinem ersten Lehrgang, die Leichtigkeit seiner Bewegungen aber auch die stets freundliche und offene Art, immer bemüht jedem zu helfen (egal welches Alter oder Graduierung).
Allan war es auch, der mir damals die Tür öffnete in eine Welt, von der ich nur Träumen konnte. Er empfahl mich persönlich für eine Mitgliedschaft in der japanischen Budo-Elite-Organisation Dai Nippon Butoku Kai. Ich hatte zuvor schon einiges darüber gelesen und gehört, aber nie im Traum daran gedacht, jemals damit in Kontakt zu kommen. Meinen ganzen Weg in den Budokünsten nach 1999 habe ich einzig und allein meinem Sensei, Shihan Allan Tattersall, Hanshi, zu verdanken.
Dieser kann ebenso auf eine sehr besondere Budolaufbahn zurückblicken. Als besonderes Highlight war sein Trainingsaufenthalt im Takenouchi Ryu Dojo in Japan – dem ältesten noch existierendem Dojo, erbaut 1525. Aber auch seine Freundschaft mit dem bereits verstorbenen Shihan Haruna, zuletzt Leiter des Musashi Dojo in Ohara und 28fachen gesamtjapanischen Iaido Champion sind der Erwähnung wert.
..: Wolfgang Du hast nun viele Begrifflichkeiten erwähnt, die dem fachunkundigen Leser nicht geläufig sind. Kannst Du bitte die Begriffe Sensei, Shihan, Hanshi erläutern?
WW: Bei diesen Begriffen handelt es sich zum einen um sog. Lehrtitel (Lehrerbezeichnung), zum anderen um Ehrentitel im Budo. Sensei ist eine generelle Bezeichnung für jeden Lehrer, wobei man im Bereich des Budo die Bezeichnung Sensei nur für Personen ab dem 2. DAN (=2. Schwarzgurt) gebraucht. Personen unterhalb des 2. DAN werden als Sempai (=fortgeschrittener Schüler) bezeichnet. Ein Shihan wiederum ist ein Budoka, dessen Graduierung über dem 5. DAN liegt, der ein Dojo (japanisch für Budoschule) leitet und selbst Sensei unterrichtet. Es gibt hier noch weitere sogenannte Lehrerbezeichnungen, wie Shidoin, Shihan-Dai und Dai Shihan, die innerhalb einer Vereinigung (ob Dojo, Verein oder Verband ist egal) eine Abstufung darstellen sollen.
Hanshi ist der höchste der Ehrentitel im Budo. Weitere sind (von der Wertung auch in dieser Reihenfolge) Dooshi (=hoch disziplinierter Krieger), Tasshi (=Krieger mit hohen Fertigkeiten), Renshi (=glänzender Lehrer, mindestens 4. DAN), Kyoshi (=treuer Lehrer, mindestens 6. DAN) und Hanshi (=beispielhafter Lehrer, mindestens 8. DAN und Lebensalter über 50)
Interessanterweise kommen gerade diese Ehrentitel vom japanischen Dai Nippon Butoku Kai, der diese seinerzeit einführte.
..: Jetzt hast Du auch schon mehrfach vom Dai Nippon Butoku Kai (DNBK) erzählt. Was genau ist das?
WW: Oh je, wie viel Zeit hast Du den?
Der japanische Dai Nippon Butoku Kai (bzw. Dai Nihon Butoku Kai), dessen Gründungsgeschichte auf die Yabusame-Zeremonie (Bogenschütze zu Pferd) im Jahr 818 zurückgeht, wurde 1895 unter der Schirmherrschaft des japanischen Kaiserhauses, mit Zustimmung des Kaisers der Mejii-Zeit, gegründet. Er wurde beauftragt, die verschiedenen Ryu (Stile) des japanischen Bujutsu zu kontrollieren und zu standardisieren. Dazu wurde ein Komitee gebildet, das die Budo menjo (Rangbescheinigungen der Kampfkunstmeister) und die Shihan menjo (Lehrerlizenzen) ausgab und bestätigte. Dadurch standen alle Ryu, die sich dem Butokukai nicht anschlossen, außerhalb des offiziellen Rahmens.
Auf dem Gelände des Heian-Schreines wurde (dieser wurde in Verehrung des Kaisers Kammu 781-806 errichtet, unter dessen Regentschaft Kyoto als neue Hauptstadt geplant und verwirklicht wurde) ein großes Dojo erbaut und in Anlehnung an das erste, unter Kaiser Kammu 794 gegründete Butokuden „Dainippon Butokuden“ genannt.
Zweck der Vereinigung war es, die Budokünste Japans - und damit einhergehend den „japanischen Geist“ - zu fördern, denn viele der traditionellen Kampfkünste hatten sich seit Beginn der Modernisierungsbestrebungen Japans in der Meiji-Zeit (ab 1868) nach westlichem Vorbild zu Sportarten mit Wettkampfregeln gewandelt. Westliche Sportarten hatten zudem begonnen, sich zunehmender Beliebtheit zu erfreuen, zum Nachteil der Budokünste. Das Butokuden in KyMto wurde 1899 fertiggestellt, daran folgten plangemäß die weiteren Butokuden in den übrigen Präfekturen, 1905 schließlich eine eigene Schule für Ausbilder in den Kampfkünsten, die BudM Senmon GakkM (College der Kampfkünste).
Aufgrund der Beziehung des DNBK zum Kaiserhaus, aber auch seine Rolle in der Ausbildung der Offiziere wurde der DNBK nach Beendigung bzw. Kapitulation im 2. Weltkrieg durch die Alliierten verboten. Unter schwierigen Bedingungen erfolgte kurz darauf die Wiedereröffnung des DNBK, aber auch sogleich wieder dessen Schließung. Mit Abschluß des Friedensvertrages 1952 zwischen den USA und Japan und damit einhergehenden Wiedererlangung der staatlichen Souveränität Japans wurde unter großen Anstrengungen der DNBK neu gegründet. Damals unter der Bezeichnung „Nippon Butokukai“ (das Wort DAI bedeutet im japanischen „groß“ und bekundete in diesem Zusammenhang einen Großmachtsanspruch), mittlerweile wurde der Name um diesen Zusatz aber wieder ergänzt. Prinz Kuniyoshi Kuni no Miya war der erste, oberste Vorstand der DNBK in Kyoto, derzeit ist dies seine Exzellenz, Prinz Higashi Fushimi.
Der DNBK hat seit 1985 eine Internationale Abteilung, welche ihren Sitz in Norfolk/Virginia/USA hat. Alle Mitglieder im DNBK, die außerhalb Japans wohnen, laufen über die Internationale Abteilung. Die Struktur der DNBK sieht Repräsentanten und sog. Koordinatoren in den einzelnen Ländern vor. Diese Ländervertreter treffen sich in sog. Representative-Meetings bei den diversen DNBK
Veranstaltungen. Seit 2000 wurde ich von seiner Exzellenz Prinz Higashi Fushimi als Vertreter des DNBK in Deutschland ernannt.
..: Und wie genau bist Du denn nun zum DNBK gekommen?
WW: Wie ich oben schon angedeutet habe, hat einen wesentlichen Anteil an meinem Budoweg mein Sensei, Shihan Allan Tattersall, Hanshi. Er empfahl mich 1999 für eine Mitgliedschaft im DNBK, im Jahr 2000 nahm ich, damals mit einem Schüler des Bushido-Kai (Manfred Schneider) bei der 1. UK Butoku Sai in Manchester teil. Hier hatte ich ein persönliches Gespräch mit Hanshi H.T. Hamada, Vorstand der Internationalen Abteilung der DNBK (mittlerweile Vizepräsident dieser in Kyoto). Am darauffolgenden Tag wurde ich von diesem auf meine derzeitige Graduierung (5. DAN und Renshi) überprüft und bestätigt.
Es folgten diverse weitere DNBK Veranstaltungen weltweit, an denen ich teilnahm und meine Kenntnisse im Bereich der Budokünste erweiterte, aber auch internationale Kontakte zu knüpfen. So bereiste ich u.a. Norfolk/USA, Brüssel/Belgien, Sintra/Portugal, aber auch 2008 Kyoto/Japan selbst – ein Traum wurde wahr!
Hier traf ich persönlich auf seine Exzellenz, Prinz Higashi Fushimi in dessen Tempel, dem Shoren-in in Kyoto, sowie auf zahlreiche renommierte DAN Träger Japans und konnte bei den Seminaren von deren reichhaltigen Kenntnissen lernen.
Über die Jahre hinweg wurden meine derzeitigen Grade/Titel vom DNBK geprüft/überprüft und beurkundet. Das Besondere daran ist, dass jegliche Beurkundung persönlich von seiner Exzellenz, Prinz Higashi Fushimi unterzeichnet wird.
Seitdem mir die Repräsentantschaft für Deutschland für den DNBK übertragen wurde habe ich, nach meiner Auswahl, würdige Budoka in Deutschland für Mitgliedschaft, aber auch Anerkennung von Graden und Titeln empfohlen. Bislang wurde jeder meiner Empfehlung gefolgt. So konnte ich mich für mittlerweile 95 deutsche Budoka für eine Mitgliedschaft verwenden und ca. 50 für Grade/Titel empfehlen.
Für dieses Jahr stand, nach 2008, wieder ein Besuch in Japan für mich an mit einer Teilnahme an der 4. Welt-Butoku-Sai und 50. japanischen Butoku Sai – ich bin mit soviel neuen Eindrücken zurückgekehrt und glaube diese erst in ein paar Wochen so richtig verarbeitet zu haben. Was "auf dem Papier" positiv hängengeblieben ist: Wir haben als Nation Deutschland bei zwei Vorführungen, unter 22 teilnehmenden Nationen, jeweils den 2. Platz als Team bei den Ländervorführungen erreicht, sowie einen 1. Platz (ich selbst), einen 2. Platz (Mike Brauer) und drei 3. Plätze (Beate Brauer, Bjorn Fehr) in den unterschiedlichen Budokünsten erreicht. Ich selbst wurde daneben von Prinz Higashi Fushimi mit dem Kyoshi, dem zweithöchsten Ehrentitel in den Budokünsten, sowie dem Shichidan (7. DAN) im Jiujitsu ausgezeichnet.
..: Was ist es, was dich an den Kampfkünsten am meisten beeindruckt?
WW: Für mich persönlich zählen Eigenschaften wie Gerechtigkeit/Aufrichtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrheit, Ehre, Treue – dies sind die 7 Tugenden der Samurai, die auch als Bushido bekannt sind. Die Namensgebung des von mir geleiteten Dojo ist nicht nur zufällig, sondern bewusst von mir gewählt worden. Bushido ist der Verhaltenskodes und die Philosophie der Samurai. Ein Kodex, der auch heute noch in bestimmten gesellschaftlichen Schichten Japans Bestand hat und für mich Leitlinie meines Lebens ist.
Beeindruckt bin ich in den Kampfkünsten, neben den oben genannten Werten von Vertrauen, Philosophie, Disziplin, Überwindung der eigenen Grenzen, Beharrlichkeit, Integrität. Dies alles zusammen, mit den 7 Tugenden, macht uns nicht zu besseren Menschen, aber zu Menschen, die bemüht sind besser zu werden.
Meiner Meinung nach lehrt Budo in seiner Vielfalt und Gesamtheit Toleranz, Achtung, Nächstenliebe, Respekt voreinander, Tradition, festhalten an der Kultur zur Völkerverbindung.
Dies alles dient der Erziehung zu einem selbstbewußten und –sicheren Menschen, weg von einem „Ich“-bezogenen Menschen.
Daneben sehe ich sowohl als pädagogische, aber auch Lebensaufgabe, die Weitergabe durch Lehren der Budokünste in seiner reinen, unverfälschten Art, als Erbe, welches wir erhalten haben, aber auch verpflichtet sind weiterzugeben.
Aber auch das Zentrieren, wie in nahezu allen Budokünsten üblich, ist von immenser Bedeutung – im Budo, wie im täglichen Leben.
Die Umsetzung aller dieser Punkte im Alltag führen letztendlich zu einer ganzheitlichen Entwicklung von uns selbst, hin auch zu einem zentriertem, konzentriertem, aufmerksamen, selbstbewußtem und –sicherem, toleranten Menschen, der die Kultur, Tradition und den Nächsten achtet und sich seiner Verantwortung, im Budo wie im Leben, bewußt ist.
..: Du bist seit nunmehr fast 30 Jahren im Budo „unterwegs“, als Sensei seit über 20 Jahren tätig. Woran liegt es, dass du dies über so viele Jahre so erfolgreich machst?
WW: Diese Frage kann ich nicht beantworten, da musst Du meine Schüler fragen.
Ich persönlich glaube, dass es auch an meiner Art liegen muß, wie ich Budo lehre. Mir war es nie wichtig irgendwelche Titel zu bekommen – ehrlich gesagt bin ich bei Personen vorsichtig, die irgendwelche Titel in den Vordergrund rücken bzw. mit diesen angesprochen werden wollen. Für mich sind, gerade im Budo, Ehrentitel solche, die Schüler in respektvoller Weise an ihren Sensei richten.
Ich z.b. spreche Allan in der Öffentlichkeit mit Hanshi an, er fordert dies nicht. Im Gegenteil sagt er „I am Allan“ – ich aber respektiere ihn und seine Leistung und spreche ihn deswegen so an.
Und ich denke, es ist, bei Allan und auch bei mir, die Art und Weise wie wir Budo unterrichten und wie wir mit Schülern umgehen – von Mensch zu Mensch, immer bemüht jedem einzelnen Hilfe beim Erlernen der Technik zu geben.
..: In den Budokünsten ist ja das Thema „DAN“ ein vorherrschendes. Was denkst du über Dan-Grade?
WW: Prinzipiell sind wir alle, egal welche Graduierung, Schüler im Budo. Ich habe schon 6. und 7. DAN aus anderen Künsten unterrichtet im Jiujitsu, ebenso wie ich selbst einen Unterricht in einer von mir nicht praktizierten Budokunst beim einem 3. DAN genossen habe – wo ist das Problem?
Hierzu eine kleine Geschichte, die ich mit Hanshi Tattersall in Norfolk abends an der Bar erlebt habe: Ich war gerade mit Hanshi Tattersall, Hanshi Dimayuga (ein Freund aus Frankreich, den ich auch über die DNBK kennen gelernt habe) im Gespräch an der Bar, als ein ca. 19jähriger Budoka sich neben Allan stellte und etwas bestellte. Als er nun merkte, welch „hohe“ Person er da neben sich hatte, verbeugte er sich sogleich zu Hanshi Tattersall und sprach diesen sehr ehrerbietig an. Hanshi Tattersall sagte darauf zu ihm „ Das einzige was uns beide unterscheidet, ist das Alter! Wenn Du in mein Alter kommst und so lange Budo machst, wirst Du genau so weit sein wie ich. Außerdem sind wir hier nicht auf der Matte....ich bin der Allan“
Aber auch ich habe ein persönliches Erlebnis hierzu, welches mich, ehrlich gesagt, auch heute noch zum Lachen bringt. Ich war damals bereits der Verbandsehrenpräsident und 1. Vorsitzende und trug den Ehrentitel des Renshi und 6. DAN. Im Rahmen meiner Verbandstätigkeit nahm ich an einem Lehrgang bei einer Karategruppe in Nordrhein-Westfalen teil. Es begab sich, dass ich in einer Pause auf die Toilette ging. Da stand ein ca. 10jähriger im Budo-Gi am Pissoir. Als er mich sah, nahm er seine Hände an die Seiten seiner Beine und nahm eine „stramme“ Haltung ein. Ich sagte ihm schnell er solle in die ursprüngliche Position zurückkehren, damit „nichts schief geht“...Später, als der Junge draußen war, musste ich über diese
Geschichte lachen, gleichwohl zeigt sie aber auch die innere Einstellung eines Budoka....egal wann, egal wo, Respekt zu jeder Zeit.
Eine DAN-Graduierung ist eine Einstufung innerhalb der Meistergrade und hängt von technischen Fähigkeiten (bis zum 5. DAN) bzw. Engagement in und für die betriebene Budokunst ab, sowie dem Lebensalter und den Jahren des Praktizierens der Budokunst.
Für mich ist eine DAN Prüfung auch eine Charakterprüfung. Kinder und Jugendliche haben keinen vollständig ausgebildeten Charakter. In Deutschland (und nicht nur hier) wurde an die volle Geschäftsfähigkeit aber auch rechtliche Verantwortlichkeit wegen unserer Taten ein Alter geknüpft. Vieles hängt hier mit dem 18. Lebensjahr zusammen – so ist für mich eine Voraussetzung für die Ablegung der Prüfung zum 1. DAN das Lebensalter 18 – eine Vorgabe, die ich auch in dem von mir geleiteten Budoverband als Standart eingeführt habe.
Ich selbst habe meine Prüfungen bis einschließlich 4. DAN Jiujitsu (aber auch in anderen von mir praktizierten Budokünsten) vorangetrieben. Ab dem 4. bzw. dem 5. DAN hat dies stagniert. Alles was darauf folgt sind Verleihungen durch ein Gremium oder eine höher graduierte Person. Was ich damit sagen will ist, dass man bis zu einem gewissen Grad seine Entwicklung aktiv beeinflussen kann, danach aber andere der Überzeugung sein müssen, man ist reif.
Bei der DNBK ist dies übrigens anders. Hier werden alle Grade, selbst hohe DAN Grade und auch Titel geprüft.
..: Hast du ein Vorbild?
WW: Ich möchte es mal so formulieren: Ich habe über die DNBK Hanshi Kuwahara kennen gelernt, Dieser ist (mittlerweile) 87 Jahre alt. Bei einem Seminar in Portugal 2006 hat sich dieser von jedem der 100 Teilnehmer mehrmals werfen lassen und die Technik an sich ausführen lassen – und er ist danach jedes Mal alleine wieder aufgestanden. Ich habe ihn 2008 und 2012 in Kyoto nochmals erlebt und er stellte sich als Uke (=Trainingspartner) bei einer Vorführung zur Verfügung – auf einem Holzboden...keine Matten.
Hanshi Tattersall, der den Genüssen nicht abgeneigt ist, betreibt mit mittlerweile 78 Jahren immer noch Budo aktiv auf der Matte.....
Dies sind meine Vorbilder. Ich hoffe, wenn ich so Alt bin, ich auch noch in der Lage bin aktiv Budo auf der Tatami zu betreiben.
..: Gefallen dir auch andere Budo-Disziplinen?:
WW: Budo in seiner Gesamtheit fasziniert mich und interessiert mich. Man sollte immer „über den Tellerrand“ schauen. Interessant finde ich hierbei auch das es in vielen verschiedenen Künsten Überschneidungen bzw. Gemeinsamkeiten gibt, aber auch unterschiedliche Ansichten. Diese kennen zu lernen ist das interessante.
..: Was kannst Du uns über Deine vielen Erfolge im Budo sagen?
WW: Was sind Erfolge im Budo? Ich persönlich sehe meinen Erfolg darin seit nunmehr fast 30 Jahren Budo zu betreiben, seit 16 Jahren den Bushido-Kai zu leiten und in dieser Zeit knapp 500 Schüler im Bushido-Kai gehabt zu haben. Junge Menschen für Budo zu begeistern zu können, zum Teil auch diese nach wie vor zu unterrichten in den Erwachsenenkursen. Aber auch Erwachsenen die Welt des Budo zu zeigen in seiner Vielfalt.
Erfolg heißt für mich auch, Schüler zu DAN Prüfungen erfolgreich gebracht zu haben.
Aber wenn Du Erfolg definierst im Sinne von Auszeichnung....
2008 erhielt ich während meiner Teilnahme an einem Budoseminar in Nizza/Frankreich den „Merite et Devouetment Francais“ in Gold – eine Auszeichnung des französischen Senats für Personen, die sich verdient gemacht haben im Bereich der Künste und/oder positiven Austausch mit Frankreich. 2009 wurde mir die goldene Ehrennadel der Marktgemeinde Meitingen aufgrund unserer Erfolge (2. Länderpreis für sehr gute Vorführung) bei der Welt Butoku Sai in Kyoto/Japan im Jahr 2008 verliehen.
Im Januar 2012 dann die bislang höchste Auszeichnung: Im Namen des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wurde mir die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (landläufig als Bundesverdienstkreuz bekannt) verliehen.
Daneben erhielt ich diverse Preise und Auszeichnungen bei verschiedenen Veranstaltungen und Lehrgängen, auch bei der Dai Nippon Butoku Kai, sowie Verleihung des Ehrentitels des Kyoshi.
..: Warst du in Sachen Budo auch im Ausland?
WW: Ja, es war ein Herzenswunsch von mir das Ursprungsland der japanischen Künste zu bereisen. Ich persönlich denke, dass man dies besser versteht, wenn man mit den Menschen vor Ort und deren Philosophie in Kontakt kommt. Daneben war ich in England, Belgien, Frankreich, Italien, Malta, Portugal, Griechenland, Australien, USA, Österreich und der Schweiz – zumindest fällt mir dies auf die Schnelle ein....
Danke für das sehr interessante und aufschlußreiche Gespräch....