Rena von Dachskinder e.V. schenkt dieser Familie Exklusivzeit

Foto: Dachskinder e.V.

Wenn Rena kommt, dann beginnt für eine Familie im Augsburger Land eine ganz besondere Zeit. Dann bekommen sie alle eine Portion „Exklusivzeit“. Rena ist gelernte Ergotherapeutin und ist beim Verein Dachskinder e.V. angestellt. Der Verein, der in Meitingen gegründet wurde, unterstützt Familien mit Kindern mit Behinderung oder einer schweren Erkrankung.

Nur zweimal im Monat kann Rena für drei bis vier Stunden zu Besuch kommen. Das hat sich das Ehepaar, das gemeinsamen einen 23-jährigen Sohn hat, der mehrfach schwerstbehindert ist, genau ausgerechnet. Mehr Geld steht ihnen aus dem Pott der Verhinderungspflege nicht zur Verfügung. Doch diese wenigen Stunden sind für die Familie etwas ganz besonderes. Für den 23-Jährigen bedeutet es weit mehr als fachmännisch versorgt zu sein. „Sie haben begonnen, gemeinsam zu filzen“, verrät die Mutter und freut sich darüber, ihren Sohn nicht nur gut versorgt zu wissen, sondern auch zu spüren, dass er sich sicher fühlt und Rena sich mit ihm beschäftigt.

Nicht mit jeder Betreuungskraft hatte die Familie so viel Glück. Stattdessen berichten die Eltern von einer wahren Odyssee, die die Familie hinter sich gebracht hatte, bis sie den Tipp erhielt, sich beim Verein Dachskinder zu melden. Betreuungspersonen, die schnell die Lust an der großen Herausforderung verloren haben, die ein 23-Jähriger, der im Rollstuhl sitzt und nicht etwa in Worten kommuniziert, sondern sich mit Lauten, Bewegungen, Berührungen und Blicken artikuliert, nun mal mit sich bringt. Doch auch Menschen, die sich nur als Aufpasser verstanden haben, kamen nicht lange in die Familie.

Ebenso wie die Mutter jedes gesunden Kindes, wünscht sich die Mutter des 23-Jährigen auch und vielleicht noch viel mehr, dass es ihrem Sohn gut geht. Dieses Gutgehen beginnt mit einem fröhlichen Abschied von der Mutter – ohne dass ihr Sohn sich an sie klammert – und endet mit einem gesunden Sitz im Rollstuhl und einem Blick der sagt „wir sind gut ausgekommen“, wenn die Eltern zurückkommen. Nur wenn alles passt, können auch die Eltern selbst die „Exklusivzeit“ genießen. Und diese ist jetzt wichtiger denn je, da durch die Corona-Pandemie die Förderstätte, die der 23-Jährige besucht, zunächst komplett geschlossen hatte und bis heute nur im Schichtbetrieb geöffnet ist, um die Abstände zu wahren. Das bedeutet aber auch für die Eltern, dass auch die Zeiten in der Förderstätte als feste Betreuungszeiten passé waren.

Alleine oder mit ihrem Mann durch das Haus zu fegen, im Garten zu arbeiten, einzukaufen, bummeln zu gehen oder einfach mit Freunden Essen zu gehen – das alles genießen die Eltern dann zu zweit, wenn sie ihren 23-Jährigen Sohn in guter Obhut wissen. Zwar könnten sie ihren Sohn hier und da auch mitnehmen, aber das lange Sitzen im Rollstuhl, lange Autofahrten oder eine Umgebung, die nicht auf Rollstuhlfahrer eingestellt ist, bringen dem 23-Jährigen wenig Freude. Da bleibt er lieber zuhause, geht mit Rena spazieren oder filzt. Das Haptische, das Greifen und das mit dem Tastsinn erleben, ist etwas, das Rena und den 23-Jährigen eint und direkt von Anfang an eine Basis schuf, die Vertrauen schaffen sollte. Während der Schwerstkranke über das Berühren von Händen und Haaren Nähe aufbaut, um eine Person kennenzulernen, mag es auch Rena gerne, über eine Berührung Kontakt zum 23-Jährigen herzustellen.

„Rena hat das richtige Gespür und ist direkt auf unseren Sohn zugegangen“, erinnert sich die Mutter an den Sommer, in dem Rena erstmals mit Angela Jerabeck, der Gründerin des Dachskinder-Vereins, zu ihnen kam. Nach einem Anruf der Mutter ist sie in die Familie gekommen, um die Situation einschätzen zu können. „Dass sich jemand so viel Zeit nimmt, die Einarbeitung begleitet und uns mit fachlichem Wissen unterstützt, habe ich noch nicht erlebt“, schwärmt die Mutter vom Engagement der Dachskinder. Angela Jerabeck, die vierfache Mutter, die selbst im Kinderkrankenpflegedienst aktiv war, braucht diesen Blick in die Familie, um einschätzen zu können, welche Pflegekraft die richtige ist. Dann geht Angela Jerabeck auf die Suche nach der Person, die zur jeweiligen Familie passt. Alternativen für die Eltern von Kindern mit Behinderung oder einer schweren Erkrankung gäbe es kaum, erklärt sie. Kinderkrankenpflegedienste können sich entsprechende Betreuungsdienste nicht mehr leisten, stationäre Einrichtungen gibt es aktuell nur in Buchloe und Kempten. Deswegen hat der Dachskinder-Verein auch das erklärte Ziel, eine Kurzzeitpflegeeinrichtung zu errichten. „Mit viel Glück ist der Baubeginn für das Haus Dachsbau im kommenden Jahr“, verrät Angela Jerabeck vorausblickend.

Bis die Einrichtung steht, will der Dachskinder-Verein die Entlastungspflege und -betreuung vor Ort weiter ausbauen. Dass die Dachskinder Fachkräfte in die Familien schicken, sorgt dabei für eine gute Ausgangsbasis. Die speziellen Bedürfnisse der Kinder vermitteln dann die Eltern vor Ort. Um zu lernen, welche Bedürfnisse der 23-Jährige hat und wie welche Laute und Gesten wie zu deuten sein könnten, ist Rena im Sommer öfter in die Familie gekommen. Jede Woche kam sie für etwa zwei Stunden zu Besuch, so dass sich der 23-Jährige an sie gewöhnen konnte. Seine Mutter zog sich in dieser Zeit zurück und blieb doch in greifbarer Nähe. Heute, nach einigen Wochen, in denen Rena regelmäßig in die Familie kommt, ist das Vertrauen zueinander gewachsen. Und die Familie kann die Exklusivzeit, die die Dachskinder-Pflegekraft ihnen durch ihre Anwesenheit schenkt, mehr und mehr genießen.

So arbeitet der Verein Dachskinder e.V.

Im Rahmen der Entlastungspflege und Entlastungsbetreuung, die der Verein der Dachskinder vor Ort in Familien anbietet, übernimmt das Dachskinder-Pflegepersonal Leistungen im Bereich der Grundpflege, der Behandlungspflege und der Pädagogik. Beim Verein der Dachskinder sind nur Fachkräfte angestellt. Dabei handelt es sich um gelernte Pflegekräfte aus dem Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege, um Heilerziehungspfleger, um Erzieher oder Kinderpfleger. Um diesen Fachkräften einen fairen Lohn zu bezahlen, stockt der Verein der Dachskinder den Stundenlohn der Kräfte um drei Euro pro Stunde auf. Auch die Fahrtkosten werden vom Verein übernommen. „Diese Zusatzleistungen finanzieren wir über Spenden“, erklärt Angela Jerabeck. Wer eine Fachkraft benötigt, als Fachkraft tätig sein möchte oder spenden will, damit noch mehr Familien „Exklusivzeit“ erhalten können, erreicht Angela Jerabeck telefonisch unter der Nummer 08271-4264006 oder per E-Mail unter info@dachskinder-ev.de.

Bürgerreporter:in:

Steffi Brand aus Meitingen

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