Die Uhren und die Zeit
Vor allem stellen Sie sich vor, unsere Johanneskirche mit einer Digitalanzeige auf dem Kirchturm - oder irgendein andere Kirchturm! Eine schreckliche Vorstellung, oder?
Die Digitaluhr - ich drücke auf den Knopf und ich sehe ganz klar die Stunde und die Minute - als wenn in der Zeit Stillstand, Stehen-Bleiben gibt. Bei der Zeigeruhr läuft immer irgendein Zeiger, sei der Sekunden-, der Minuten- oder der Stundenzeiger. Die Zeit vergeht - vor dem Zeiger ist Zukunft, hinter dem Zeiger Vergangenheit. Die Zeit verschwindet in die Vergangenheit.
Zeigeruhren - so finde ich - sind ehrlicher, denn sie zeigen mir auch noch, was mir noch bleibt, was vor mir liegt. Was kann ich noch leben, tun, denken?
Ich sehe auf das Ziffernblatt und weiß: Die Zeit fließt dahin, aber ich habe noch Zeit.
Die Zeiger dieser Uhren sind immer unterwegs - von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Ohne Unterbrechung - pausenlos. Und je nach Zeiger - sei es Stunden-, Minuten oder Sekundenzeiger - , umso schneller flitzt er über die Skala. Den >mathematischen Punkt< - so hat ihn der Kirchenvater Augustin genannt: Einen Punkt ohne Ausdehnung - ein Nichts eben. Der Zeiger gleitet darüber.
Kann ich dem Nichts Leben einhauchen? Kann ich ihm Sinn, Kontur, Ausstrahlung verleihen? Nein!
“Wer mich findet, der findet das Leben; wer mich aber verfehlt, der zerstört sein Leben, spricht der Herr.” (Spr. 8, 35)
Oft vergesse ich bei all dem Streß das Beten und damit das Bewusst Leben. Ich mag Digitaluhren nicht. Die Zeigeruhren liebe ich: Ein Blick auf as Ziffernblatt wird mir oft zum Gebet: Herr, lass mich Dich finden und nicht verfehlen! Lass mich mein Leben finden und es nicht verfehlen! Hilf, Herr, dass ich meine Zeit recht ausschöpfe!
Viel Zeit ist schon vergangen, aber es ist noch nicht zu spät!
Also, liebe Freunde, schöpft Eure Zeit voll aus. In diesem Sinne eine behütete Zeit: Macht's gut!
Euer Pfarrer Markus C. Maiwald
Wir müssen hier zum Glück nicht über die Zeit-Zwänge, die jeder in irgendeiner Form hat (als Lehrer hast du Punkt 8.Uhr im Klassenzimmer zu steh, da ist keine Sekunde Verzögerung möglich) diskutieren. Herr Pfarrer Maiwald hat die Diskussion ja eher technich begonnen (Vergleich Ziffernblatt - Digitalanzeige) und mich damit ja ins Schwärmen gebracht.
Die Zeit im Sinne von "Lebenszeit", Ausnutzen der Zeit im Sinne von "Carpe diem": nutze den Tag (was heißen will: jede Stunde, jede Sekunde des Tages) geht natürlich in eine andere Richtung. Vielleicht sollten wir darüber unter einer anderen Thematik diskutieren - und der Gongschlag meiner Wohnzimmer-Perpendikel-Uhr aus der Gründerzeit ruft mich zum Essen: ohne Frage der Zang der Zwänge (wenn die Frau zum Essen ruft).