Adventsperle 9: Auf den Inhalt kommt es an
Liebe Leserin, lieber Leser,
am Beginn meines Pfarrerlebens hat er mir diese ganz andere Weihnachtsgeschichte erzählt, er, der schon ganz hinfällig da im Pflegebett lag, er, der für mich damals wie mein eigener Großvater war, er, der immer wieder weinte wegen seiner Hinfälligkeit, aber nur wenn ich da war als sein Pfarrer - eigentlich noch Vikar, da machte er keinen Unterschied, denn Pfarrer ist Pfarrer, sagte er -, er, der trotz seiner Gebrechlichkeit ein alter Charmeur blieb und die holde Weiblichkeit liebte, ein Gentleman der alten Schule.
Es war in der Früh am Heiligabend, als ich ihn besuchte. Wir waren alle ganz weihnachtlich gestimmt - und das heißt an Weihnachten, sich an die alten Zeiten erinnern.
Und so begann er zu erzählen: “1935. Zwei Jahre nach der Machtergreifung. Nazideutschland. Weihnachten kommt auf die schwarze Liste. Es wird verboten. Zukünftig soll das Julfest gefeiert werden. So hätten es schon unsere Vorfahren gemacht.
Sturmbannführer Michl lädt mich zum Julfest. Neugierig, wie ich als Jugendlicher, geh ich da hin. Ich will sehen, was sie da machen. Mein Vater wollte es nicht, aber ihm zum Trotz bin ich erst recht hingegangen. Ich wollt das einmal sehen.
Der Julmann tritt auf, läßt markige Sprüche vom Stapel. Danach sagt er schwülstige Gedichte auf. Es ist die Rede vom hohen Himmel und den klaren Sternen. Irgendwie stimmt für mich da gar nichts.
Und dann noch die Julklapp, der Höhepunkt des Festes. Jeder bekommt ein Julpack. Auch mir warf der Julmann ein riesiges Paket zu. Alle meine Figernägel breche ich mir ab beim Lösen der starren Papierstrippe. Obacht geben beim Auspacken - so die Devise! Faden und Packpapier nicht zerstören. Alles fein säuberlich aufwickeln, das Papier glätten und sorgfältig falten! Schließlich soll alles wiederverwendet werden - vielleicht sogar ein drittes und viertes Mal.
Das war der Befehl des “Führers”: Senkt die Importe! Schafft alles aus Eigenem! Verschwendet nichts!
Die erste Hülle fällt, die zweite. Unter ihr die dritte, die vierte und die fünfte. Ich müh mich den Knoten ab, glätte Papier, wickele Bindfäden auf. Nicht nur ich, die anderen auch. Zum Schluß halte ich eine Streichholzschachtel in der Hand. In ihr ein Zettel: “Die Ortsgruppe der Partei wünscht eine frohes Julfest!”
Eine riesige Verpackung, dahinter ein karger Inhalt! Das ist Julklapp.
Zwei Tage später sitze ich in der Schrebergartenlaube mit unserer Jugendgruppe. Eigentlich sind wir verboten, aber wir treffen uns weiterhin illegal. Berlin, schlimmste Gegend. Die Berliner sagen - hier riecht es nach armen Leuten. Die Gesichter verhärmt, ausgezehrt, verbittert. Ein winzige Licht flackert auf dem wackeligen Tisch. Ungewissen flackert die Kerze. Ich zieh meine Jacke noch fester zu. “Schlagen wir Lukas 2 auf! Papier raschelt, zerlesene neue Testamente werden aufgeschlagen. “Wer will lesen?” Ich lese. Stockend, mühselig folge ich mit dem Finger der Zeile, so schlecht ist das Licht. Doch es wird Weihnachten in unseren Herzen in diesem Augenblick. >>Siehe, ich verkündige Euch große Freude, denn Euch ist heute der Heiland geboren.”
Und ich beginne zu träumen. Eine kümmerliche Verpackung. Dort in der Laube in Berlin-Lichtenberg.
Dort auch eine kümmerliche Verpackung. Im Stall zu Bethlehem: Der Geruch von Ochs und Esel, Stallgeruch eben, trüber Beleuchtung, kümmerliche Mitwirkenden.
Aber der Inhalt! Der Inhalt:
"Seht, die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde, kommt und ist für alle da, kommt, dass Friede werde."
Auf den Inhalt kommt es eben an! Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, eine inhaltlich bereichernde und begeisternde Adventszeit und eine behütete Zeit: Machen Sie es gut!
Ihr Pfarrer Markus C. Maiwald aus Meitingen
Bürgerreporter:in:Markus Christian Maiwald aus Augsburg |
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