Verkehrskonferenz: Freie Wähler fordern bürgerfreundlichen ÖPNV
Ein Ticket für die ganze Region – Kreistagsfraktionen aus drei Landkreisen schlagen „Schwaben-Ticket“ vor
In einer Machbarkeitsstudie des AVV wird derzeit ergebnisoffen die Integration des Altlandkreises Dillingen und des Landkreises Donau-Ries geprüft. Dies nahmen die Mandatsträger der Freien Wähler der Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg-Land, Dillingen und Donau-Ries zum Anlass, um gemeinsame Ziele für die Zukunft des regionalen öffentlichen Personennahverkehrs zu erörtern und zu definieren.
Die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler des Landkreises Augsburg Melanie Schappin lud daher die Kollegen um Erich Nagl, Bernd Nicklaser und Florian Riehl zu einem überregionalen Austausch nach Gersthofen ein.
Das landkreisübergreifende Gespräch sei angesichts der Entwicklung im AVV auch nach Auffassung von Landespolitiker Dr. Fabian Mehring, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Freien Wähler Regierungsfraktion im Landtag, dringend nötig. So konnten entgegen der gemeinsamen Zielgebung vor ca. fünf Jahren, als Mehring selbst noch die Fraktion im Landkreis Augsburg führte, weder die Fahrgastzahlen im Regionalverkehr maßgeblich erhöht noch das Defizit verkleinert werden. Das Gegenteil sei nun eingetreten, das jährliche Defizit steige weiter, während die Fahrgastzahlen zumindest im Regionalverkehr sogar sinken. „Wir verwenden immer mehr Steuergeld dafür, immer weniger Menschen zu befördern – während unsere Straßen unter dem zunehmenden Individualverkehr kollabieren. Das darf so nicht länger weitergehen“, so Mehring. Die FW-Fraktion des Landkreises Augsburg hatte von Anfang an größte Bedenken, als die AVV-Tarifreform im Jahre 2017 beschlossen wurde, verließ sich aber auf die damalige Zusage, dass nach der damals auf den Weg gebrachten Evaluation grundsätzliche Reformen in Angriff genommen werden, so Mehring. „Diese Zeit ist jetzt gekommen“, finden Mehring und Schappin übereinstimmend.
Tatsächlich kommt das Gutachten u.a. zu den Ergebnissen: „Die Mehrheit der bewerteten Ziele wurden voll erfüllt oder sogar deutlich übererfüllt“, oder „Tarifreform nahezu komplett erfolgreich“. Schappin kann aus Sicht des Landkreises Augsburg diesen im Gutachten attestierten Erfolg aber nicht erkennen. So wurden im Landkreis gerade einmal 0,41% mehr Abos verkauft, im Vergleich dazu sei die Bevölkerung im gleichen Zeitraum von 2017 bis 2019 um ca. 1,6% gestiegen. Der einzige Erfolg, der im Landkreis verbucht werden konnten, war laut Schappin der Vorstoß der Stadt Gersthofen unter Bürgermeister Michael Wörle. Durch den Aufschlag Wörles, der es wagte 2019 ein 240,00 bzw. 360,00 € -Ticket für alle Gersthoferinnen und Gersthofer einzuführen, konnten hingegen innerhalb kurzer Zeit die Aboverkaufs-Zahlen im eigenen Stadtgebiet um insgesamt 94% gesteigert werden.
Auch die Einnahmen des AVV sprechen keine Erfolgsgeschichte: “Die Defizite sind von 2017 bis 2019 um fast 2 Mio. €, dh. nahezu 10% gestiegen, Tendenz steigend, daher müssen die Ticketpreise zum Jahreswechsel wieder um 0,9 Prozent angehoben werden.“, so Schappin. Auch nach Anton Rittel, Kreisvorsitzender der Freien Wähler im Landkreis und Mitglied des Arbeitskreises Regionaler Nahverkehrsplan/ÖPNV kann und darf es ein Weiterso nicht geben: „Wir brauchen beim AVV einen fundamentalen Neuanfang, wir müssen alles vom Kopf auf die Füße stellen“, so Rittel.
Neue Impulse und Ideen lieferte Josef Brandner aus Thannhausen, selbst Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Landkreis Günzburg, 3. Bürgermeister und Busunternehmer. Josef Brandner betreibt in den Landkreisen Günzburg und Unterallgäu gemeinsam mit weiteren regionalen Partnern den FLEXIBUS, ein modernes Konzept des öffentlichen Personennahverkehrs. Der FLEXIBUS holt nach Wunsch den Fahrgast an einer nahe gelegenen Haltestelle ab und bringt ihn an die von ihm gewünschte Haltestelle und gegebenenfalls auch wieder nach Hause. Die Bestellung erfolgt entweder telefonisch oder via App und ist denkbar einfach und kundenorientiert. Die Grundversorgung leisten im Landkreis Günzburg so z.B. 4-5 Grundlinien, sogenannte Rückgratlinien unter Einbeziehung der Zugstrecken. Alle Querverbindungen bzw. Zubringerverbindungen werden durch den FLEXIBUS bedarfsgerecht, zeit- und kostensparend für die Bürger als auch den Landkreis erschlossen und abgedeckt. So schaffte es der Landkreis Günzburg z.B. im Jahr 2017 laut Brandner mit nur einem Viertel des finanziellen Aufwandes wie etwa in den Landkreisen Augsburg oder Aichach-Friedberg nahezu ähnlich viele Kilometer, jeweils bezogen pro Einwohner, zurückzulegen.
Nachdem in den Landkreisen Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries mehrere Verkehrsverbünde den ÖPNV bedienen, müsste nach Jürgen Kopriva und Gerrit Maneth als erster Schritt ein bürgerorientiertes Gesamtkonzept für die bayerische Metropolregion Augsburg bzw. Schwaben erstellt werden. Eine Brechung AVV-MVV darf künftig den Bürger nicht mehr belasten, so auch Nagl. Es sei laut Riehl an der Politik, hier zumindest eine Durchgängigkeit des Tarifsystems herzustellen.
Ein Schlüssel für die aktuelle Diskussion „Verbunderweiterung und Schienenintegration“ kann nach Brandner ein digitales Ticketing-System für den ÖPNV sein, „das wir im Schwabenbund u.a. für die Landkreise Günzburg, Unterallgäu, Oberallgäu, Ostallgäu und die Städte Kaufbeuren, Kempten und Memmingen entwickelt haben. Das System würde sich bestens eignen, um die Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg, Dillingen und Donau-Ries mit den Nachbarverbünden MVV, VGN und VVM als auch dem Schienenverkehr bayernweit zu verbinden“.
Ebenso müsse laut Schappin der Freistaat in die Pflicht genommen werden, sich wie in den anderen beiden bayerischen Metropolregionen München und Nürnberg auch am AVV zu beteiligen. Damit könnte eine grundständige Reform des AVV finanziert werden und ein ausgewogenes Angebot für alle Bürgerinnen und Bürger auch aus ländlichen Regionen, vielleicht mit Blick nach Günzburg, erstellt werde.
Einig waren sich alle Anwesenden auch, dass die Einführung eines 365,00-Euro-Tickets langfristig das überregionale gemeinsam Ziel sein muss, wenn eine Verkehrswende weg vom Individualverkehr hin zu mehr öffentlichem Personennahverkehr erreicht werden soll. Gerade weil die Landbevölkerung für individuelle Überlandstrecken in der Regel nicht ohne eigenes Kfz auskomme, führe ein teures ÖPNV-Ticket zu einer massiven Doppelbelastung, die sich viele Haushalte gut überlegen, so Mehring: „Um Menschen, die ein eigenes Auto besitzen in den ÖPNV zu locken brauchen wir ein so attraktives Angebot, wie etwa ein 365,00-Euro-Ticket. Die Stadt Gersthofen habe mit ihrem Experiment bewiesen, dass es funktioniere.“
Bürgerreporter:in:Team Fabi aus Meitingen |
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