Interview
Jahresrückblick mit Meitingens Bürgermeister Dr. Michael Higl

Bürgermeister Dr. Michael Higl auf dem Meitinger Weihnachtsmarkt | Foto: Peter Heider
  • Bürgermeister Dr. Michael Higl auf dem Meitinger Weihnachtsmarkt
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  • hochgeladen von Florian Handl

Das Jahrbuch ist die perfekte Gelegenheit mit Meitingens Bürgermeister Dr. Michael Higl über das Jahr 2023 zu sprechen. Die Themen waren aktuelle Krisen und Herausforderungen, was "Meitingen miteinander bedeutet" und mit welchen handfesten Maßnahmen die Marktgemeinde Meitingen an der Zukunft arbeitet.

myheimat: Die letzten Jahre waren geprägt von Krisenbewältigung. Ist der Krisenmodus der neue Normalzustand oder ist wieder der politische Alltag eingekehrt?
Bürgermeister Dr. Michael Higl: Die Terminfülle aus den Vor-Corona-Jahren ist wieder da und vieles ist wieder möglich. In einigen Bereichen merkt man allerdings Veränderungen: So hat beispielsweise die digitale Kommunikation weiter zugenommen.

myheimat:Corona spielt aktuell in Meitingen...
Bürgermeister Higl: ... für uns in der Verwaltung zum Glück eine unbedeutende Rolle.

myheimat:Der Ukraine-Krieg dauert nun fast schon zwei Jahre. Wie viele Ukrainer sind seitdem nach Meitingen gekommen und wie funktioniert die Integration?
Bürgermeister Higl: Von rund 350-400 Menschen mit Fluchthintergrund, die derzeit in staatlichen Unterkünften (etwas mehr als ein Drittel) sowie in privaten Wohnungen leben, sind rund 100 Personen aus der Ukraine.
Dank vieler engagierter Helfer, großartiger Arbeit in Kindergärten und Schulen und vielen Betrieben können wir zahlreiche Beispiele gelungener Integration benennen.
Allerdings ist festzustellen, dass es bei der derzeit enorm hohen Zahl an Zuweisungen in die Landkreise es immer schwieriger wird, Flüchtlinge zu integrieren; oftmals kann leider nur noch Unterbringung in den Kommunen stattfinden.
Im Moment sind wir mit unseren Zahlen in Meitingen im Landkreisdurchschnitt. Bei anhaltender Zuwanderung müssen wir wohl im nächsten Jahr mit zusätzlichen Aufgaben rechnen.

myheimat:„Meitingen miteinander“ ist ja ein Stichwort, das man immer wieder liest. Was verbirgt sich dahinter?
Bürgermeister Higl: Unter „Meitingen miteinander“ verstehen wir die verschiedenen sozialen Einrichtungen und Initiativen, die es im Markt Meitingen gibt – für ganz unterschiedliche Lebensbereiche. Dieses Jahr gab es dabei Jubiläen zu feiern: So konnten die Tagesstätte für psychische Gesundheit und das Seniorenbüro Meitingen auf zehn Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblicken, bereits seit 20 Jahren gibt es das Kunststück Familie der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhilfe im Familienzentrum Meitingen, das Informationen, Rat und Hilfe für Familien bietet. Ganz neu ist dagegen das JUZE, das derzeit in den Räumen der evangelischen Kirche ein zu Hause hat. Dieses Angebot ist heuer Mitte des Jahres gestartet und wird sehr gut angenommen. Hier arbeiten wir daran, die Öffnungszeiten auszuweiten.
„Meitingen miteinander“ dazu zählen natürlich auch das Quartiers- und Inklusionsbüro, viele Hilfs- und Beratungsangebote sowie ehrenamtliche Initiativen. Alles in allem wird hier wertvolle Arbeit für das soziale Netz im Markt Meitingen geleistet.

myheimat:Geben Sie uns einen Einblick in die aktuelle wirtschaftliche Lage und mit welcher Entwicklung rechnen Sie?
Bürgermeister Higl: Wir kompensieren derzeit ein strukturelles Haushaltsproblem mit Rücklagenentnahmen und Krediten. Diese Finanzierung über (das in Meitingen noch recht gut gefüllte) Sparschwein oder zu Lasten der Zukunft ist nur für langfristige Investitionen wie zum Beispiel die Sanierung der Wasserversorgung, Kindergarten- oder Schulbauten oder auch den Straßenbau gerechtfertigt.
Allerdings können wir 2024 die laufenden Kosten trotz relativ gutem Steueraufkommen nicht decken.
Der Grund liegt darin, dass die Kommunen immer mehr Aufgaben erfüllen müssen, die allesamt defizitär sind. Das beginnt mit dem hohen Zuschussbedarf für die Kinderbetreuungsplätze (durchschnittlich 7.000 Euro pro Kind), steigende bürokratische Anforderungen bis zu den Ausgaben für Jugendhilfe und Krankenhausdefizite, die wir über die Kreisumlage bezahlen. Im Gegenzug dazu wurden Einnahmen wie die Straßenausbaubeiträge von der Staatsregierung gestrichen.
Wenn sich hier nicht in naher Zukunft etwas zum Positiven ändert, werden wir unweigerlich in die Diskussionen über freiwillige Leistungen geraten, die ich vor allem von Kollegen aus anderen Bundesländern kenne, beispielweise könnten dann Vereinsförderungen, Sozialarbeit oder das Freibad in Frage gestellt werden: Hier handelt es sich aber nicht um rausgeschmissenes Geld, sondern um wertvolle Initiativen, die das Zusammenleben stärken und die Heimat lebenswert machen.
Derzeit sichert eine stabile Wirtschaft mit hoher Beschäftigungsquote und Gewerbesteuerzahlungen (noch) einen verantwortbaren Haushalt. Unsere weiterhin vor uns stehenden großen Aufgaben im Bereich der Erneuerung der Infrastruktur und Schulhausbauten im Zusammenhang bereiten mir durchaus Kopfzerbrechen.

myheimat:Wie kommt der Markt Meitingen bei der Erstellung des Wärmeplans voran und auf welche Technologien setzen Sie bei der Wärme- und Energiewende?
Bürgermeister Higl: Ich halte es für wichtiger, Wärmenetze zu verwirklichen als buntes Papier mit irgendwelchen Plänen zu colorieren und in ein Regal zu stellen. Dieses Schicksal wird den meisten Plänen drohen, ähnlich wie unser Wärmekataster, für das sich keiner der potentiellen Investoren interessiert.
Wir haben in Meitingen sechs einzelne Wärmenetze, die in den letzten 20 Jahren überwiegend in privatwirtschaftlicher Initiative entstanden: Vom Gasversorger über Landwirte mit Biogasanlage oder Hackschnitzelheizung fanden sich unterschiedliche Betreiber. Mit dem Niedertemperaturnetz mit Nutzung der Abwärme der SGL ist der Markt Meitingen auch selbst als Versorger von mehreren hundert Wohneinheiten aktiv, wobei ich das nicht als Kerngeschäft einer Kommune betrachte – wir haben mit Wasser- und Abwassernetzen schon einiges zu tun. Vielmehr gibt es Betriebe, die auch bei uns diese Leistungen schon erfolgreich erbringen – und wir unterstützen hier im Rahmen der Möglichkeiten. Aktuell plant die Firma GP Joule Wärmeprojekte in Herbertshofen mit der Abwärme der Lechstahlwerke als Basis sowie in Waltershofen. Hier setzt man auf eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage in Verbindung mit einer Hackschnitzelheizung.
Im Bereich der Energiewende können wir auf zahlreiche von uns betriebenen PV-Anlagen sowie Nutzung von Klärgas ebenso wie auf Sparanstrengungen beispielsweise in der Straßenbeleuchtung berufen. Neben unseren bisherigen Anstrengungen bleibt das Thema weiter präsent, so planen wir derzeit eine PV-Anlage für das Wasserwerk – einen unserer größten Energieverbraucher. Auch die energetische Sanierung des Rathauses steht als Maßnahme an.

myheimat: Das Stadtbild hat sich in den letzten Jahren durch viele Baumaßnahmen verändert, wie beispielsweise durch die Fertigstellung des Hauses der Musik oder der Eröffnung der Bahnunterführung. Wo liegen aktuell die größten Baustellen der Stadt und welche Projekte werden als nächstes angegangen?
Bürgermeister Higl: Den Bahnhof muss die Bahn bauen, wir haben mit der Unterführung einen wesentlichen Bestandteil als Vorleistung eingebracht. Nun sollen die Voruntersuchungen für das dritte Gleis zwischen Augsburg und Donauwörth starten – und die Bahn will dabei den Bahnhof betrachten. Ich fürchte, dass wir das Thema auch noch nächstes Jahr im Interview auf der Agenda stehen haben.
Es macht mehr Freude, Projekte voranzubringen statt ständig Projektpartner zu bitten/auffordern/anschieben zu müssen.
Größte Baumaßnahme des Marktes wird nächstes Jahr die bereits erwähnte energetische Sanierung des Rathauses sein, Den Sanierungsbedarf haben wir schon vor einiger Zeit mit 10 Millionen Euro beziffert, doch dank der Aufnahme in ein europäischen Förderprogramms können wir insgesamt mit rund der Hälfte an Zuschüssen rechnen. Diese Chance müssen wir nutzen.  Wir stehen gerade mitten in den Vorbereitungen und werden daher Ende des Jahres 2024 in ein derzeit leerstehendes Bürogebäude der SGL in der Werner-von-Siemens-Straße ziehen. Hier bleiben wir voraussichtlich bis 2027, da für die Sanierung des Rathauses mit einer Bauzeit von drei Jahren zu rechnen ist.
Außerdem werden wir zwei Stellplätze am Meitinger Feuerwehrhaus als Ersatz für Räume im alten Bauhof schaffen, welcher im Zuge der Neugestaltung des Bahnhofsumfelds abgerissen wird.
Im Ideenfindungsprozess für die Entwicklung der Ortsmitte Erlingens haben sich sehr viele Bürger eingebracht. Auch die Prüfung einer Erweiterung oder ein Neubau des Feuerwehrhauses steht mit auf der Agenda. Wir werden das nächste Jahr dafür nutzen, daraus konkrete Planungen für die Erweiterung des Hauses für Kinder und die Ortsplatzgestaltung zu erstellen. Für 2025 kann’s dann hoffentlich mit dem Bau losgehen.
Mit den Straßensanierungen im Pouzauges Ring und Schleifweg setzen wir unser Modernisierungsprogramm im Tiefbau fort. Auch umfangreiche Kanalsanierungen werden in den nächsten Jahren viel Geld kosten, das nicht sichtbar, aber für uns alle notwendig eingesetzt wird.
Ein kleineres, aber gerade in diesen Krisenzeiten beachtenswertes Vorhaben ist die Erneuerung des Mahnmals in Herbertshofen: Das bestehende Kriegerdenkmal ist nicht mehr zu sanieren. Die Soldatenkameradschaft Herbertshofen-Erlingen setzt sich dafür ein und wird von weiteren Ortsvereinen und dem Markt Meitingen unterstützt.

myheimat:Einweihung des Hauses der Musik und Kultur, 50 Jahre Partnerschaft Pouzauges-Meitingen und der Weihnachtsmarkt. Was war ihr persönliches Highlight?
Bürgermeister Higl: Neben den genannten Punkten fand ich die Verlegung der Stolperschwellen im Gedenken an die Zwangsarbeiter sehr bewegend. Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule haben die Veranstaltung sehr würdig gestaltet. Als tragische Erinnerung bleibt, dass der damit befasste Lehrer (und mein Schulfreund) Andreas Tepper, wenige Tage zuvor plötzlich verstarb. Seine vor seinem Tod geschriebenen Rede wurde verlesen und sie las sich wie ein Vermächtnis: Er betonte, wie wichtig es sei, die Erinnerung an die Schrecken von Unrechtsherrschaft wach zu halten um sie an die kommenden Generationen weiter zu geben – denn gerade in diesem Bewusstsein muss unsere Gesellschaft ihre demokratischen Grundwerte immer wieder aufs Neue verinnerlichen und verteidigen – und auf diesem Fundament die Zukunft gestalten.

myheimat: Auch in diesem Jahr haben die Vereine mit Ihren Aktivitäten das Stadtleben bereichert. Welchen Stellenwert haben diese für die Gemeinschaft?
Bürgermeister Higl: Unbezahlbar!

Ich danke Ihnen für das ausführliche Gespräch! Das Interview führte Florian Handl

Bürgerreporter:in:

Florian Handl aus Augsburg

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