Gerechtigkeit für alle? Manager sahnen ab, Gehälter sind am 20. aufgebraucht.
Die verzweifelte Frage der Moderatorin Sandra Maischberger, ob es bei Gehältern Gerechtigkeit geben könne, wurde von allen Anwesenden mehr oder weniger verneint.
Klaus von Dohnanyi (ehem. Bürgermeister Hamburgs, SPD) stellte klar fest, dass die Situation insgesamt in D. noch deutlich besser sei als z.B. in Italien, Frankreich, England. In D. seien die Firmen traditionell mehr ihren Mitarbeitern verpflichtet als anderswo, aber die Manager würden sich immer weiter von diesem Ideal entfernen. Er zeigte auf, dass Entlassungen in großen Firmen oft ohne Alternative seien, um die Firma insgesamt zu retten (Beispiel: Wende in der DDR). Eine Reglementierung überzogener Managergehälter durch den Staat sei durchaus möglich. So könnten z.B. die Spitzensteuersätze für Spitzenverdiener anders angesetzt werden. Mindestlohn-Diskussion: Der Kampf gegen Fernost-Gehälter finde täglich bei einer Unmenge von Produkten statt („Made in China / Taiwan.“).
Günter Wallraff (Schriftsteller; Ex-„Maulwurf“ in einem Call-Center) prangerte an, dass in vielen Firmen jeder zweite Arbeitsplatz von Leiharbeitern besetzt werde, die reine Verfügungsmasse der Unternehmer seien. Er zeigte auf, dass die Unternehmergehälter in den letzten Jahren um 300 Prozent gestiegen seien, während die Gehälter der Angestellten real drastisch gesunken seien. Es fehle an jeder Ethik. Mitarbeiter von Call-Centern, die fast nur noch aus dem Ausland agieren würden, würden gezielt zu Betrüger ausgebildet. Die Mindestlöhne in England und Frankreich hätten sich sehr bewährt. Auch D. müsse weitaus mehr Arbeiter in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bringen.
Niki Lauda (Ex-Rennfahrer, Betreiber der Fluglinie „Lauda-Air“) stellt fest, dass die Bezahlung im Sport nichts mehr mit Leistung zu tun habe. So habe Uwe Seeler ca. 1000 DM als Nationaltorhüter im Monat verdient und habe nebenbei Sportartikel vertrieben, um leben zu können. Heute käme ein Klinsmann nicht aus Amerika zurück, wenn man ihm „nur“ eine statt acht Mio Euro im Jahr geboten hätte. Fußballer würden heute das 700-fache von früher verdienen. Ziel müsse es sein, bei Managergehältern deren Gier und die Ethik wieder zusammenzuführen. Ein Manager, der Arbeitsplätze und Kapital einer Firma vernichtet habe, dürfe dafür nicht auch noch belohnt werden.
Utz Claassen (Abitur 1980 mit 17 Jahren, Schnitt 0,7; heute beim BDI zuständig für Innovationsfragen) verteidigt eine gute Bezahlung von Managern, wenn diese „gute“ Arbeit leisten. Porsche habe z.B. die bestbezahlten Manager. Dies bleibe aber ohne jede Kritik, da die Mitarbeiter der „Porsche-Familie“ am Erfolg beteiligt würden, z.B. durch die 5000-Euro-Prämie in 2007. Das Problem sei, dass die Politik global orientiert sei (z.B. bei Manager-Gehältern), die Bevölkerung aber vor Ort empfinde, dass nichts vom Aufschwung ankomme. Die Mindestlohn-Diskussion hält er für problematisch, da der ML Arbeitsplätze vernichten könnte. Außerdem sei Kapital flexibler einsetzbar als Arbeitskräfte, also: Mit Kapital ist mehr zu verdienen als durch Arbeitskräfte.
Eva Maria Colin (Kinder-Krankenschwester sei 27 Jahren) stellt ernüchtert fest, dass statt des Lohnes nur der Arbeitsdruck steige. Die Millionengehälter bei Managern empfindet sie als völlig maßlos, was sie „wütend und traurig zugleich" mache. Das Sparen des Staates dürfe keinesfalls auf Kosten der Menschen, die ganztags volle Arbeitsleistung bringen, erfolgen. In Kliniken sei dies besonders krass („zwei Schwestern für 30 Patienten“). Daher sei der Beruf völlig inattraktiv geworden, es gebe kaum Nachwuchs: zu wenig Geld, kaum Wertschätzung, dafür Dauerstress.
Fazit: „Gerechtigkeit“ der Bezahlung sei Utopie (Maischberger, Colin), man könne allenfalls an die Spitzenverdiener appellieren, sich ihrer ethischen Verantwortung wieder bewusst zu werden.
Traureiges eigenes Fazit:
Die Diskussion wird wohl weitergehen, die soziale Schere weiter auseinanderklaffen.
Wunderbarer Bericht zu einem mir sehr wichtigen Thema. Finde dass das Fazit absolut zutreffend ist und die soziale Schere auch in Zukunft noch weiter auseinander gehen wird. Typisches Beispiel ist das Schließen des Nokia Werkes mit über 2300 Mitarbeitern und der daraus resultierenden Verlagerung nach Rumänien oder Bulgarien. Dort sind die Löhne dementsprechend niedrig und der Profit für das Unternehmen noch höher. Das ist unsere Zukunft.