Meine blauen Tränen ...
Meine blauen Tränen ...
In einem Landschaftsschutzgebiet meines Geburtsortes Untermühlhausen (Kreis Landsberg / Lech) stachen vor wenigen Tagen Unbekannte zehn kräftige Knabenkrautpflanzen aus. Dadurch, so die Befürchtung der Betreuer dieses Gebietes, könnte die gesamte Population gefährdet sein. Dem Entsetzen über diesen „Frevel an der Natur“ folgt der abschließende Hinweis, dass den Tätern, sollten sie denn ausfindig gemacht werden, ein Bußgeld drohe. Dass diese Bußgelder sehr deftig sein können, ist unerlässlich. Naturschutzgebiete, die weder kommerziell vermarktet noch landwirtschaftlich genutzt werden, sind unersetzliche Biotope für Flora und Fauna – und damit nicht zuletzt für uns Menschen.
Schauplatzwechsel: Erdinger Moos. Das Moorgebiet, das erst ab dem 19. Jahrhundert durch Entwässerung und Torfabbau urbar gemacht wurde, musste eine weitere drastische Absen-kung seines Grundwasserspiegels hinnehmen, als 1992 der heftig umstrittene Flughafen München II gebaut wurde. Wo vorher seltenste Sumpfpflanzen und Sumpfbewohner zu finden waren, wo beeindruckende Kolonien von Fasanen ihr Zuhause hatten, starten heute Touristen in ihre Billigurlaube. Viele Quadratkilometer eines unwiederbringlichen Biotops wurden dafür auf Dauer vernichtet. Merkwürdig: Der Hinweis, den Tätern würde ein deftiges Bußgeld drohen, ist nirgendwo zu finden.
Schauplatzwechsel: Pfronten-Steinach. Unmittelbar nach der deutschen Grenze, am Beginn Tirols, findet sich der „blaue Berg“ meiner Kindheit. Nie wieder in meinem Leben entdeckte ich einen Hügel, der so sehr mit Enzianen, Mehlprimeln und „Schusternagerl“ bedeckt war, dass er sich mir als „blauer Berg“ einprägte. Vor drei Jahren besuchte ich „meinen“ Berg wieder. Nein, er ist nicht mehr blau. Das Blau ist einer gewaltigen Kiesgrube gewichen. Mein innerer Aufschrei wich dem Handeln: Ich beging einen unentschuldbaren Naturfrevel, nahm einige der achtlos von einer Schubraupe zur Verrottung aufeinander getürmten Enziane mit und setzte sie bei uns in den Lechauen um Fuchstal ein. Deren Blau erinnert mich seither Jahr für Jahr an jenen magischen Berg meiner Kindheit. Merkwürdig: Der Zusatz, den Tätern würde ein deftiges Bußgeld drohen, ist nirgendwo zu finden.
Zehn heimische Orchideen, von Privatleuten ausgestochen, haben ein sattes Bußgeld zur Folge. Viele Quadratkilometer, durch Staaten oder Industrie gezielt und systematisch vernichtete Biotope dienen dem Fortschritt. Die Diskussion um den Bau der Startbahn München III offenbart diese Tragödie von neuem. Meinen blauen Tränen werden wohl teerhaltige Tränen folgen. Ob sie Finanzminister Kurt Faltlhauser trocknen wird, für den die 18.000 Demonstranten gegen dieses Projekt nichts weiter als „Krakeeler“ sind?
Unerhört!
Ich habe mich schon dabei erwischt botanische Raritäten meiner Tochter nur nach einem Blick über die Schulter zu zeigen! Bloss keinen Standort verraten. Ist bei dem Frauenschuh ja ähnlich - da gab es in den Voralpen auch ganze Hänge voll und nun findet man am selben Standort nur 2 oder 3 versteckte Pflanzen.
Zuletzt haben wir mit dem Gartenbauverein einen Ausflug gemacht. Die Führung zeigte einige unscheinbare Orchideen am Wegesrand - mit dem Hinweis, dass die ganz sicher auch nur deswegen da noch sind, weil sie so unauffällig sind.
Zum Haare raufen, fürwahr!
Viele Grüße
Sabine