Kommunale Netze - Chance und Herausforderung.

Dr. Florian Bieberbach, Kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke München.
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Der Neujahrsempfang der Landsberger SPD stand unter dem Motto „Starke Stadtwerke – Kommunen als Treiber der Energiewende“. Dr. Albert Thurner konnte am Sonntag Nachmitttag Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Vereinen, und Kultur begrüßen. Grußworte überbrachten Landsbergs OB Ingo Lehmann, der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel und die Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner.

Nicht erst der Atomunfall von Fukushima hat die Stadt Landsberg veranlasst aus der Atomkraft auszusteigen. Als erste Kommune in Bayern kaufte Landsberg das Stromnetz zurück. Seitdem vertreiben die Landsberger Stadtwerke ausschließlich Ökostrom. Dr. Florian Bieberbach, der Kaufmännische Geschäftsführer der Stadtwerke München war Gastreferent der Veranstaltung und sprach über Spielräume von Gemeinden und Städten im Rahmen der Energiewende.

Wenn heute die EU davon spricht, bis 2050 etwa 80 bis 95% alternative Energie einzu-setzen, sind dies Ziele, die für den Bürger in weiter Ferne liegen. Einen erheblich höheren Stellenwert haben Ereignisse, die sich in unmittelbarer Nähe, sprich in der Kommune abspielen. Auswirkungen darauf haben sowohl Energiekonzepte des Bundes, wie Atomausstieg, erneuerbare Energie, effizientere Nutzung von fossilen Energieträgern und auch bayerische Energiekonzepte, die heißen: Ausbau von Netzen, Energieforschung, Klimawandel oder Verdoppelung von alternativer Energie auf etwa 50% in naher Zukunft. Wesentliche Bedeutung wird hierbei der Photovoltaiktechnik, der Geothermik und der Windkraft zukommen. Wenn wir heute davon ausgehen, dass die Preissteigerungskurve bei fossilen Energieträgern, allein schon deshalb, weil die Vorräte nicht unendlich sind, nach oben notiert, wird bei alternativer Energie, je mehr sie zum Einsatz kommt, die Kurve langfristig nach unten zeigen. Wir haben heute schon Schmerzgrenzen bei Energiepreisen erreicht, unter denen sozial schwachgestellte Haushalte aber auch weite Kreise verarbeitender Unternehmen stöhnen. Die entscheidende Wende, um Energiepreise sozial verträglich zu halten, könnten Kraft-Wärme-Kopplung und die Windkraft bringen.

Städte wie München oder Landsberg führen Energieversorger in Eigenregie und bauen Netze weiter aus. Die Vorteile liegen offen auf der Hand: Kommunale Energieversorger sind unabhängig, keine Monopolisten die Energie aus politisch unstabilen Ländern importieren und dabei Geld aus Deutschland abfließen lassen. Hier sollten wir darauf achten, dass Geld im Lande bleibt und Gewinne nicht dem Shareholder Value zufließen, sondern den Kommunen, die auf demokratische Weise über die Verwendung entschei-den. Citizen Value ist gefordert, um in der kommunalen Wirtschaft, einen zusätzlichen Nutzen für die Bürger und Bürgerinnen und das Gemeinwesen als Ganzes zu erbringen.

Eine sehr hohe Akzeptanz beim Ausbau der Energieversorgung wird von Kommunen erreicht - anders als dies bei einem internationalen Konzern wie EON der Fall ist -. Bürgernähe und Ortskenntnisse sowie Auswirkungen, die auf den Bürger zukommen, können vor Ort in die Planungen einfließen. Börsennotierte Unternehmen orientieren sich am Aktienkurs und haben in der Regel nur Quartale im Auge. Kommunale Unternehmen arbeiten mit Planungsphasen über zehn, zwanzig Jahre oder weit längere Zeiträume. Diese langen Zeitspannen sind ein enormer Vorteil für den Ausbau der Infrastruktur und sichern die Erhaltung und Wertsteigerung von Versorgungsdienstleistern. Natürlich ist wirtschaftliches Handeln eine Grundvoraussetzung, um diese Ziele zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass kommunale Unternehmen ein sehr großes Ansehen bei den Bürgerinnen und Bürgern genießen. Die kommunale Feuerwehr, Sparkasse, Ver-kehrsbetriebe und Stadtwerke stehen enorm hoch im Kurs. Nicht zuletzt, weil die Kom-mune auf die Geschäftsabwicklung enormen politischen und strategischen Einfluss neh-men kann. Ebenfalls ist es eine Tatsache, dass die Preise von kommunalen Unterneh-men im Schnitt etwas unter den Preisen der Wettbewerber liegen. Dies ist im Wesentli-chen auf den Wettbewerb und auch darauf zurückzuführen, dass kommunale Unterneh-men weniger stark gewinnorientiert arbeiten. Desweiteren werden Kommunen Finanzierungen für Bauvorhaben angeboten, die weit unter den heute unsicheren Staatsanleihen liegen. Schuldverschreibungen von Kommunen zählen insbesondere in Finanzkrisen zu einer sicheren Anlageform. Erwirtschaften kommunale Betriebe Gewinne, können sozialverträgliche Arbeitsplätze erhalten und der Kommunalhaushalt kann durchaus damit aufgestockt werden.

Um eine kommunale Wirtschaft zum Erfolg zu führen sind einige Regeln zu beachten. Ein häufiges Vorurteil ist die ineffiziente Arbeitsweise von Behörden. Was kann man dagegen tun? Der Wettbewerb zwingt auch ein kommunales Unternehmen sich am Markt zu platzieren und entsprechend effizient zu agieren. Der Kunde wird nicht bereit sein, höhere Preise zu bezahlen, nur weil der Strom von Stadtwerken kommt. Wenn gesagt wurde, dass Kommunen strategischen und politischen Einfluss auf ihren Betrieb ausüben können, darf das nicht heißen, dass sich eine Stadtverwaltung in das operative Geschäft einmischen darf. Die Kommune muss, wenn sie der Meinung ist, das richtige Management für ihren Betrieb zu haben, auch den nötigen Vertrauensvorschuss gewähren. Selbstverständlich zählt hierzu auch das notwendige Know How, die richtigen Fachkräfte und Spezialisten an Bord zu haben. Ein weiterer Punkt ist konsequente Kundenausrichtung eines Unternehmens. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen den hoheitlichen Aufgaben einer Kommune, also dem sogenannten behördlichen Handeln und den Aufgaben eines Dienstleisters, der folgerichtig auf kundendienstliches Verhalten ausgerichtet sein muss. Nicht zu vernachlässigen sind bürokratische Regelungen wie z. B. Ausschreibung oder Vergabe die nicht selten einem Wettbewerber Vorteile verschaffen. Nur hier wird vom Gesetzgeber keine schnelle Lösung zu erwarten sein. Ein oft zu hörender Kritikpunkt - auch von der Bundesnetzagentur - sind zu kleine Netzstrukturen. Und hier geht die Kooperation der Stadtwerke von München und Landsberg einen vorbildlichen Weg, der es erlaubt die Netzkapazität erheblich auszuweiten. Beispiele weit kleinerer Kommunen belegen ebenfalls, dass auch sie Kraftwerke oder Windparks selbst an weit entfernten Standorten erfolgreich bauen und wirtschaftlich betreiben. Ein Appell von Dr. Florian Bieberbach an alle Kommunalpolitiker, die sich für eine Energiewende auf kommunaler Ebene entschieden haben oder noch entscheiden werden: "Sie sind auf dem richtigen Weg".

Bürgerreporter:in:

Hans Bucsek aus Landsberg am Lech

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