"Den Müttern gehört der höchste Orden ..."

Lore Kienzl
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„Den Müttern gehört der höchste Orden ...“

Nicht weniger als acht Autoren gestalteten die freie Lesung des Landsberger Autorenkreises am vergangenen Freitag zu einem unvergesslichen Ereignis, das an Tiefgang kaum zu überbieten war.
Martje Herzog und Roland Greißl eröffneten den Abend mit drei Dialogen, mit denen sie den Telefonservice moderner Gesellschaften kritisch hinterfragten. Der „gläserne Bürger“ ist in deren Kundendateien allgegenwärtig, das gespeicherte Wissen über die Kunden erschreckend.
Ihr Debüt gab anschließend Frau Monika Wunderlich. Ihre Kurzgeschichte über ein junges Mädchen, das Höllenqualen erleidet, weil es in Gedanken den Tod des Vaters herbeigesehnt hatte, lässt die Zuhörer das Blut in den Adern gefrieren. Offen bleibt der Grund für den Hass des Mädchens, doch überdeutlich wird, wie sehr ihr das eigene Leben widerwärtig geworden ist.
Ebenfalls zum ersten Mal las Lore Kienzl. Es waren Texte ihrer früh verstorbenen Schwester Lilly Zeiler, die sie ihr als eine Art Hommage widmete. Ihre immense Themenvielfalt reichte von dem Borstenschwein, das als verwandelte Prinzessin durch den Kasperl erlöst werden muss, über den „Grant“, dem man als häufigen Tagesbegleiter Paroli bieten muss, bis hin zur Erkenntnis, dass sich alle Tiere als unsere Brüder erweisen würden.
Herbert Regele trug seine weithin bekannten Texte über Landsberg vor, in denen er die Geschichte der „Stadt am Fluss“ Revue passieren lässt. Tief unter die Haut gehen sie alle: seine Verarbeitung der Pest in Landsberg, die Anwesenheit Hitlers in der Stadt, dessen Helden, die getreu bis zum letzten Mann ihr Leben fürs Vaterland geben, und das Ergebnis seiner Herrschaft, die Häftlings-Hunger-Kolonnen, die Regele als Junge noch miterleben musste. „Wir haben der Welt den hässlichen Deutschen gezeigt“, so lautet sein tief erschütterndes Fazit.
Nicht weniger Tiefgang zeigten die Texte von Walter Westphal bei seiner ersten Lesung. Flucht, Vertreibung, Hunger und Elend arbeiten seine Gedichte auf, die sich mit konkreten Einzelschicksalen beschäftigen. Stellvertretend für viele mutige Frauen steht das Schicksal der einfachen Bauersfrau Helene Petereit, deren Mann in Leningrad fällt, die sich, der Vertreibung ausgeliefert, nun allein um ihre Kinder kümmern muss. Sein aufwühlendes Resümee: „Den tapferen Müttern dieser Zeit gehört der höchste Orden“.
Kilian Fitzpatrick leitete in den heiteren Teil des Abends über, als er einen Auszug aus seinem neuesten Roman „Sieben Tage“ vorstellte. Köstlich ist seine detailgenaue, hintergründige Beschreibung einer realen Chorprobe zur Johannespassion, bei der der Cellist sein Toupé verliert. Für alle anderen ein höchst vergnügliches, für den Cellisten jedoch ein höchst peinliches Ereignis, da er selbst den Verlust als Letzter bemerkt.
Den Abschluss bildete die ironisch-sprachkritische Glosse von Helmut Glatz. Es gebe in unserer Sprache zunehmend Wörter, die „das Tageslicht scheuen, die nicht ausgesprochen werden wollen“, so seine bissige Erkenntnis. "Subsidiaritätsprinzip", "Evaluation", "Kollateralschaden" u.a. seien "Untergrundmonster", die mehr verschleiern als etwas klar ausdrücken würden.
Der Tiefgang der gelesenen Stücke war nicht zuletzt auf die durchgehend überzeugende Art des Vortrags zurückzuführen. Die zahllosen Diskussionsbeiträge gaben ein beredtes Zeugnis von der tiefen Betroffenheit der Anwesenden.

Bürgerreporter:in:

Roland Greißl aus Fuchstal

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