Zuweilen gelobe ich Besserung!
Kruscht und Krempel
Zuweilen gelobe ich Besserung!
Wie viele Frauen habe ich ein kleines „Shopping“ Problem. Nein, keine Schuhe, keine teuren Klamotten. Ich sammel auch keine kleinen Nippes Figuren oder Sammeltassen.
Ja, ich jage gerne Schnäppchen.
Nein, nicht beim Discounter A. oder bei L. Ich hamstere keine 50 Tüten Mehl im Sonderangebot und auch keine 25 Herrenhemden in Karomuster.
Aber… 3, 2, 1… Deins – das ist mein Problem.
Mein Problem hat viele ausgesprochen nützliche Seiten!
Da wir auf dem Land wohnen, muss ich nicht alle naslang für einen Zirkel oder Gefrieretiketten in die Stadt fahren.
Dafür hat meine Tochter einen russischen Zirkelkasten und die Reste von 2400 Etiketten wird sie eines Tages vermutlich erben.
Wir waren mal im Ikea Stil eingerichtet. Dieser Stil stammt noch aus unserer Studentenzeit und hielt recht lang. Nur gefallen – tat er nicht mehr.
Ich stamme aus einem praktischen Haushalt. Alles war gerade und modern! Leicht sauber zu halten und hygienisch.
Als meine Mutter den geerbten Küchenschrank meines Mannes sah, sprach sie prompt: „Kind, wie kannst Du nur….!“
Wenn ich daran denke, dann bin ich fast dankbar, dass sie meine nun schon lange Jahre währende Sucht nicht mehr erleben musste.
Irgendwann erbte mein Mann nämlich auch noch einen Rittersessel. Der stand ziemlich einsam neben dem Ikearegal und ebay kannte ich damals kaum dem Namen nach.
Wir sind inzwischen anders eingerichtet.
Ganz anders.
Anders als zuvor.
Anders als andere Leute es mögen.
Anders als alle anderen Menschen, die ich kenne.
Ich überlege, woher das kommt. Ob mein modernes Elternhaus daran Schuld ist?
Woran auch immer es liegen mag… ich liebe alte Sachen. Kruscht und Krempel, Möbel mit Macken. Schrille Teile, die meiner Mutter die Haare zu Berge hätten stehen lassen.
Kind wie KANN…
Nein, hier hieß es schon von der großen Tochter: Mama, wie KANNST Du nur! Wieder so ein Sperrmüllteil.
Ich hocke hier an meinem Schreibtisch mit der durchgebogenen Platte- Baujahr? Anno 18und Krug . Meine Tastatur kippelt zuweilen munter im Takt. Ich wippe dazu auf meiner modernen Knieschaukel – von kurz und fündig in München aufgetrieben. Abends werfe ich mich in meinen Ohrensessel und frage mich, wie man so etwas für 1 € einstellen konnte. Oder ich mache es mir auf den knarzend protestierenden Federn meines Gründerzeitsofas bequem. Das passte auf den Millimeter genau in unser Auto. Sollte doch so sein, oder?
Darüber schaukelt eine Petroleumlampe mit äußerem Kerzenkranz. Wenn man solche Schmuckstücke unter rustikal anbietet, dann muss man sich nicht wundern, wenn sie für einen Appel und ein Ei bei mir landen, oder? Abends decke ich den Tisch mit dem Geschirr, das bei meinen Schwiegereltern um die Ecke angeboten wurde. Der Tisch wurde aus Stuttgart geholt und stammt eigentlich aus den USA. Nur Amis kommen auf die Idee einen Tisch in die Breite ausziehen zu wollen. Zusammen geschoben sieht er nach Magersucht aus – ausgezogen hat er zu viel fast food serviert. Der Schrank, in dem mein ebay Geschirr der Jahrhundertwende steht, ist selber kaum jünger. Ein visionärer Schreiner hat von Harry Potter geträumt und ihn mit Sternen zum Zaubererschrank umgeschnitzt. Er wurde als Wasserschaden in Mittedeutschland feilgeboten und mein bester Ehemann von allen zuckelte geduldig mit dem Anhänger durch die Republik. Der Barschrank mit gotischen Schnitzformen und ellenlanger Glühfadenlampe ist zwar nicht wirklich antik – stand aber in Augsburg und war somit ein Heimspiel! Die Tischdecken für meinen Tisch mit dem abnormen Format nähe ich auf meiner Tretnähmschine. Wenn man drei Stück für je 1 € bunkert – hat man nämlich am Ende genügend Ersatzteile um eine davon super zum laufen zu bringen! Was andere so in Garagen stehen haben… es kann einem ja das Herz bluten, was man da so findet! Mein armes Buffet z.B. wurde übelst misshandelt bis es hier ankam. Ich bin mittlerweile ein perfektes Schleifgenie. Beize und Lackrolle sind meine ständigen Begleiter.
An manchen Tagen gelobe ich Besserung.
Heute ist so ein Tag.
Im Vorbeisurfen sah ich eine Kommode bei ebay. Och, fürs Gästezimmer? Das wär doch was. Dann wären die Bücher doch auch endlich mal verräumt. Und schwupp knallte ich 12 € drauf. Art deco. Wunderschönes Furnier.
Manchmal bin ich vorschnell. Ich sollte ERST den Platz ausmessen und dann das Format der Stücke beachten. Aber so schräg fotografiert sah sie doch so klein aus?!
Ich haue mir gedanklich auf die Finger und rufe den besten Ehemann von allen an:
„Robert, ich muss beichten“
„Schieß los“, meint mein Mann ungerührt und setzt sich aber vorsichtshalber.
„Ich habe eine Kommode gekauft“ nuschele ich leise.
„WO?“ fragt er alarmiert.
„Ganz in der Nähe“, antworte ich glücklich.
„Und WO ist dann das Problem? Holzwürmer? Wasserschaden? Abplatzendes Furnier? Schimmel?....“
„Nein, nein, aber… sie ist 2,05 m lang und – ich heule fast – ich bekomme sie nirgends hin!“
Gemeinsam überlegen wir vor und zurück, aber unser 60er Jahre Haus hat einfach nicht die Dimensionen der Altvorderen.
Ich trabe hoch und runter durch das ganze Haus – das Maßband ist in ständigem Einsatz.
Erneut melde ich mich bei Robert: „Hab`s!“, träller ich fröhlich. „Dein Werkstattverhau hat endlich eine Heimat gefunden!“
Am anderen Ende des Telefons höre ich etwas, das wie wild schimpfende Olèni klingt, wenn sie sich erschreckt hat.
Eine letzte Gegenwehr: „ Ja aber meinst Du nicht, dass das gute Stück für den Keller viel zu schade ist???“
„Schon“, meine ich grinsend. „Aber für 11.50 € bekomme ich keinen Werkzeugschrank. Auch bei ebay nicht.“
Und so ist es mit dem hehren Vorsatz wieder mal nicht all zu weit her. Gut, ich werde zukünftig noch eifriger das Maßband zücken. Aber die Bücher im Gästezimmer würden zweifelsohne besser in einem Schrank stehen. Und meine kleine Tochter wünscht sich einen Harry Potter Schreibtisch.
So suche ich halt weiter. Als Jäger und Sammler wie die Altvorderen – nur mit moderneren Mitteln.
Hoffnungslos verebayte Grüße
Sabine
Bürgerreporter:in:Sabine G. Schumacher aus Dassel |
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