Ausrutscher

Ausrutscher
Gestern hatten wir Besuch, ein Bekannter wollte an unseren Computer, um einige Formulare herunterladen, die er für seine Steuererklärung 2012 benötigte, dabei sollte ich ihm helfen, denn er als Naturwissenschaftler stiege da nicht so richtig durch, gleichzeitig sollte ich beim ausfüllen der Formulare mal einen Blick darauf werfen, das darf ich eigentlich gar nicht, ich bin zwar vom Fach, aber kein zugelassener Steuerberater, doch gegen eine formale kostenlose Hilfestellung, die nicht als „Mithilfe bei der Erklärung“ gewertet werden kann, ist nichts einzuwenden,
das war mir auch ganz Recht, denn ich hatte mir ein paar Schrammen zugezogen, ich war nämlich vor unserer Haustür auf den nassen Steinen ausgerutscht, das ist mir in den schlimmsten Schneefällen der vergangenen Winter nicht passiert, dafür aber jetzt während des Dauerregens mitten im Frühling, und zu tiefgreifenden Stellungnahmen hatte ich im Moment wirklich keine Lust,
und während ich also lediglich überprüfte, ob er Finanzamt-Süd ohne „h“ geschrieben hat, ging unser Freund in den Garten und jauchzte auf einmal auf, ich dachte schon, er wäre auch gerutscht, doch er kam unversehrt wieder ins Haus sagte „Nein, nein“, zeigte mit dem Finger nach außen, und ergänzte „Eine Arion subfuscus“, die erste in diesem Jahr, die lieben den Regen.

Ich verstand kein Wort, zumal unser Nachbar dazwischen fragte: “Sind die Mistviecher schon wieder da ?“

„Arion subfuscus“, erklärte mein Besuch, „die hellbraune Wegschnecke“, ich blickte auf die Terrasse und stimmte zu, ja tatsächlich, da war sie, dann schaute ich meinen Nachbarn an, der verstand den Blick:“Nein, nein“ meinte er, er hätte sie lediglich gesehen, aber er sei kein Lateiner, ich schaute ihn dankbar an,

eine Sekunde lang war er mir unheimlich geworden, dann stubste ich die Arion Dingsda mit dem Fuß an und war sehr überrascht, ich hatte ein Blatt auf den Rücken geschubst, ein braunes Blatt, zu meiner Entschuldigung sei gesagt, ich hatte in der Eile immer noch meine Lesebrille auf, so dass mir diese Verwechslung nicht anzurechnen ist, derartige Entschuldigungen hatten meine beiden Fachleute nicht, da nützte auch der Hinweis meines Freundes , er sei kurzsichtig, nichts, das ließ ich ihn auch wissen, der hatte inzwischen das Blatt hochgehoben und berichtigte sich: „Prunus laurucerasus Rotundifolia“, das Blatt von einem Kirschlorbeer“, aber das interessierte keinen mehr,

Hauptsache, es war keine hellbraune Arion.

Wir gingen ins Haus zurück, wobei mein Blick auf eine vor ein paar Tagen frisch eingesetzte Dahlie fiel, bzw. auf das, was noch von ihr übrig war, und das waren zwei Stiele ohne Blätter, Blätter, die gestern noch da waren, ich geriet leicht in Panik, denn ich hatte gelesen, Schnecken seien Zwitter, also Verwandlungskünstler, mal männlich, mal weiblich, was ist wenn sie sich zwecks Tarnung auch in ein Kirschlorbeerblatt verwandeln können, bei dem Gedanken wäre ich auf dem glitschigen Rasen fast wieder ausgerutscht.

Gerd Szallies

Das corpus delicti

Eine „Arion subfuscus“, die braune Wegschnecke, oder ein „Prunus laurucerasus Rotundifolia“, das Blatt von einem Kirschlorbeer“, wer weiß das schon so genau.

Bürgerreporter:in:

Gerd Szallies aus Laatzen

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