Dietmar Lex: Aus dem Kulturausschuss im Rat habe ich noch nie jemanden bei unseren Konzerten gesehen

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Dietmar Lex ist Künstler, Literat, Musiker und Ensembles-Leiter beim Musikkreis Laatzen, hat seine Werke u. a. in der Niedersächsischen Landesbibliothek und im Funkhaus des NDR in Hannover ausgestellt. Im E-Mail-Interview gewährt er Einblicke in die Laatzener Kunstszene und erklärt, worum es in seinem kürzlich veröffentlichten Buch "Spiel'n Se ma' was Flottes" geht.

Herr Lex, wie würden Sie das Kunstangebot in Laatzen beschreiben: Gibt es genügend Institutionen und Vereine, die Kunst in Laatzen angemessen repräsentieren – oder gibt es zu wenig Kultur in Laatzen?

Zunächst einmal – es gibt viele Vereine, die sich um das Zusammenleben der Menschen bemühen, und das durchaus mit Erfolg. Im Musikkreis Laatzen kann ich mit einigem Stolz sagen, dass es ein derartiges Angebot, sprich ein so großes, voll besetztes sinfonisches Schüler- und Jugendorchester, nach Alter und Leistungsklassen geordnet, ehrenamtlich geführt und professionell organisiert in der Region Hannover nicht noch einmal gibt.
Oder zumindest haben wir noch niemanden gefunden, auch in ganz Niedersachsen nicht. Das spricht für sich, insofern ist hier ein großer künstlerischer Bereich vertreten. Was die bildende Kunst betrifft, so sieht es m. E. hier schon etwas anders aus. Es gibt Vereinigungen wie den Kunstkreis Laatzen, die sich bemühen, aber denen es noch nicht gelungen ist, über ihre Grenzen zu springen. Woran das liegt, kann man nur vermuten. Vielleicht daran, dass die bildende Kunst nicht in der Form konsumiert wird, die sie verdient hätte. Wahrgenommen wird es schon, aber häufig nur zum Zwecke der „Inslichttrückung der eigenen Person“. Man zeigt sich auf Vernissagen, vorzugsweise, wenn man wieder einmal gewählt werden will, trinkt Sekt und das war es dann. Gekauft wird nicht und gespendet zu wenig! Andererseits vermisse ich in Laatzen auch ein wenig Qualität. Auch sog. „Spektakuläres oder Provokantes würde den Schaffenden durchaus einmal gut tun.

Sie selbst leisten einen großen Beitrag zum Laatzener Kunstangebot: Sie haben zusammen mit sieben weiteren Künstlern 1983 die Gruppe 8 gegründet, sind Mitglied der Teamleitung des Musikkreises Laatzen und Buchautor und haben in einer Ausstellung des Kunstkreises zuletzt einige Ihrer Werke gezeigt. Wie kam es zur Gründung der Gruppe 8? Und was zeichnet sie aus?

Die „Gruppe 8“ ist ein Zusammenschluß von Künstlerinnen und Künstlern, die sich den Drucktechniken verschrieben haben. Es werden hauptsächlich Radierungen, Kupferstiche, Kaltnadel- und Aquatintawerke gefertigt. Die Technik ist sehr alt, bereits zu Dürers Zeiten und lange noch danach wurden Bücher hiermit illustriert. Hervorgegangen ist dieser Kreis aus einem Angebot der Leine-VHS seinerzeit und seit 1983 zusammengeblieben. Es gibt durchaus Vorbilder für solche Künstlervereinigungen: „Die Brücke“, der „Blaue Reiter“, die „Berliner Secession“, usw. usw. Und nebenbei: Wir suchen dringend eine Werkstatt!!!!! Diese muß eine etwa 600 Kilogramm schwere Druckpresse aufnehmen, allerlei Farben, Werkzeuge, Regale und Druckutensilien. Sollte bezeizbar sein und einen Wasseranschluß haben und ansonsten richtigen Werkstatt-Charakter!

Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Besuchern Ihrer Ausstellungen, Konzerte und Lesungen: Welches Feedback bekommen Sie von den Laatzenern?

Unsere Konzerte sind eigentlich immer recht gut besucht. Mit den Kammerkonzerten des Musikkreises im November in St. Marien haben wir uns sogar schon einen Namen gemacht, der über Laatzens Grenzen hinausgeht. Das freut mich sehr. Für Ausstellungen gilt das oben gesagte: Man kommt vielleicht, zeigt sich und geht wieder. Ich kann mich an eine Ausstellung in der Arche der Thomasgemeinde in Laatzen erinnern: „Kirchen aus aller Welt“. Interessiert hat sie in Laatzen kaum jemanden, obwohl sie wirklich schön war und gut zu einer Kirchengemeinde passte.
Man wurde in Langenhagen auf mich aufmerksam und hat die gesamte Schau zur dortigen St. Paulusgemeinde geholt. Doch mit dem gleichen dürftigen Besucherergebnis.
Aber: Die örtlichen Medien, die Presse usw. bemühen sich schon, Termine und diesbezügliche Inhalte anzukündigen. Insofern gibt es in diesem Bereich nichts auszusetzen. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass die Qualität einer Ausstellung oder eines Konzertes überhaupt nichts mit dem Publikumszuspruch zu tun hat. Und: Man hat auch individuell nicht immer Zeit und Gelegenheit, entsprechende Termine zu besuchen. Fast alle Einladungen, die ich bekomme, kann ich nicht wahrnehmen, weil ich z. B. selber irgendwo spielen muss ...

Kurz zum Musikkreis: Er wurde 1996 gegründet, besteht in diesem Jahr also 15 Jahre. Was zeichnet den Verein allgemein und ihr zwei Ensembles (Holz- und Blechbläser sowie das Kammermusikensemble) im speziellen aus?

Die Aktivitäten des MKL gibt es schon mehr als 35 Jahre, sie wurden früher nur im privaten, schulischen oder kirchlichen Rahmen organisiert. Ich denke, als Hauptargumente können wir verbuchen, dass wir mit großem Engagement, mit professionellem Sachverstand und mit viel Spaß an der Sache dieses Schiff durch die nicht immer ruhige See steuern. Will sagen, auch bei uns gibt es Meinungsverschiedenheiten, das ist durchaus normal. Der Mitarbeiterstab ist so organisiert, dass sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen wohlfühlen und auch wirklich etwas lernen. Das reicht von sozialer Integration bis hin zur Arbeit mit Behinderten. Auch Fortschritte am eigenen Instrument sind das Ziel, wenn man z. B. für Nicolay Rimsky Korsakovs „Sheherazade“ mehr als intensiv üben muß!!! Das Kammermusikensemble ist seit 1992 zusammen, seit 1996 in die Arbeit des MKL integriert. Sehr erfolgreich arbeiten wir hier mit dem Bläserkreis Wunstorf zusammen, deren u. a. 4 Hörner uns Musik von z. B. Richard Strauss oder aktuell Richard Wagner ermöglicht. Das ist im Laienmusikbereich sehr selten! Auch die Originalbesetzung von 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 4 Hörnern, 2 Fagotten und Kontrabaß findet man sonst nur im Profibereich. Hierauf sind wir sehr stolz!

Am Wochenende waren Sie beim Sommerkonzert des Musikkreises zu hören. Für wann sind die nächsten Auftritte geplant?

Zunächst einmal ist unser Nachwuchs noch vor den Sommerferien dran:
So. 26.6. Mitgestaltung des Regionsfestes Hannover (Kinderorchester und Jugendorchester I)
Di. 28.8. Kinderkonzert in der Arche - alle Flötengruppen und das gesamte Kinderorchester
Sa. 2.7. Musikfest in der Arche, an dem alle jüngeren Musiker und alle, die sich von den Älteren gerne beteiligen wollen, gefragt sind.
Danach sind Sommerferien
Das alljährliche Kammerkonzert in St. Marien findet dieses Jahr am 18., November in St. Marien (19.30 Uhr) und am 20. November in St. Johannes, Wunstorf (17 Uhr) statt.
Das Winterkonzert mit allen Orchestergruppen ist geplant für den 16. Dezember im Erich Kästner Schulzentrum.

1986 haben Sie Ihr Erstlingswerk „Hannover mit dem Zeichenstift“ veröffentlicht, vor Kurzem erschien Ihr Buch „Spiel‘n Se ma‘ was Flottes“. Wie kam es dazu, dass Sie nach so langer Zeit wieder ein Buch veröffentlicht haben? Und worum geht es?

Wenn man im Bühnengeschäft unterwegs ist, und dazu zählt die Musik ja auch, dann erlebt man so viel, dass es für sechs Bücher reicht. Ich habe einfach nur geschrieben, was ich erlebt habe und noch vieles mehr darüber hinaus. Und ich habe einen Verlag gefunden. Wie sagt man so schön: Beabsichtigungen und Begebenheiten über und mit lebende(n) oder tote(n) Personen sind durchaus zufällig...“ Es sind Geschichten, die sich –bittesehr- so zugetragen haben. Einiges ist überspitzt, anderes wahr und wieder anderes könnte sich so ereignet haben. Auch Kritisches ist durchaus zu lesen, aber nie verletzend, sondern immer humorvoll. Unter anderem geht es z. B. um Hausmeister...Oder um doppelte Flügeltüren, deren eine Seite immer verschlossen ist. Oder um die Marschordnung beim Schützenausmarsch, die sich alle zwanzig Meter immer auflöst, weil man den Hinterlassenschaften der Tiere im Zug ausweichen muß...Oder, in der bildnerischen Kunst: Warum hängen so viele Gemälde verkehrt herum, also mit der Rückseite nach vorn...? Oder es geht um Kleidung beim Jubiläumsfest: Warum sind die Formen und Farben –je nach Geschmack- meist vielfältig, die Konfektionsgrößen aber die falschen...? Und ich habe immer darauf geachtet, dass der sprachliche Duktus ein akzeptables Niveau hat, ohne allzu sehr in philosphische Verstrickungen abzugleiten.

Seit 20 Jahren geben Sie Querflötenunterricht. Wenn Sie Ihre Schüler und Schülerinnen Ihrer ersten Zeit mit denen heute vergleichen: Stellen Sie Unterschiede in den verschiedenen „Unterrichtsgenerationen“ fest. Haben zum Beispiel früher die Schüler mehr Zeit zum Üben gehabt?

In der Sache und beim Arbeitsverhalten gibt es zu früher überhaupt keine Unterschiede. Das liegt daran, dass die Literatur ein gewisses Maß an Zuwendung erhalten muß, sonst klappt es nicht. Die Kinder müssen üben, das musste ich auch, obwohl ich lieber Fussballspielen wollte. In jüngerer Zeit stelle ich allerdings fest, dass man meint, die Anforderungen in der Schule müssen - nicht zuletzt auch durch das zwölfjahres Abi- noch intensiver bewältigt werden. Dies zeigt sich insbesondere in unseren Musikkreis-Proben und in meinem Unterricht. Die Probenarbeit im Sommerhalbjahr ist sehr viel schwieriger geworden. Durch den Schulalltag, besonders in den Abi-Jahrgängen, ist die unbedingt erforderliche Probenanwesenheit der Musiker nicht gewährleistet, und das geht eindeutig zu Lasten der Qualität. Es wird deutlich, dass Sachverhalte nicht verbessert, sondern einfach nur verändert werden, das gesamtgesellschaftliche Ergebnis der kürzeren Schulzeit bleibt fragwürdig. Doch das ist eine politische Frage. Gewandelt haben sich in erster Linie die Eltern, hier ist ein gutes Maß an Entspanntheit verloren gegangen. Doch: Wenn ein Kind Musik macht, dann öffnet und verschreibt es sich mit Leib und Seele, mit Intellekt und Motorik allen Anforderungen des Lebens. Weil die Musik alle Sinne anspricht und das Erlernen einen Instrumentes fast immer gute Noten in anderen Fächern in der Schule nach sich zieht. Das war früher so und ist heute genau noch so. Es gibt aber auch Erfreuliches: Neulich habe ich von zwei ehemaligen Schülerinnen eine Nachricht erhalten. Das ist leider sehr selten: Eine ist mittlerweile Musiklehrerin in Oberhausen und eine andere studiert Flöte und Harfe in Würzburg, steht kurz vorm Examen. So etwas ist natürlich für mich eine Freude. Es gibt einem das Gefühl, dass nicht alles falsch war, was man gemacht hat. Hier würde ich mir wünschen, dass ich öfter einiges über den Lebensweg der Ehemaligen erführe. Ist aber - s. o. - wirklich selten.

Welches sind Ihre nächsten Projekte?

Zur Zeit arbeite ich an einem Auftrag zur Öffentlichkeitsrepräsentation (was für ein Wort) für die Gemeinde Ilsede. Herstellung von Zeichnungen aus der Stadt, den umliegenden Gemeinden, der Ilseder Hütte usw. Sehr spannend. Zumal man etwas aus der nachbarschaftlichten Geschichte der Umgebung Hannovers erfährt, und diese hat es durchaus in sich.
Weiterhin bin ich dabei, das alte Dorf Grasdorf zeichnerisch auferstehen zu lassen. Ich habe festgestellt, dass ich zwar etwa 1700 Zeichnungen aus der ganzen Welt angefertigt habe, alle live vor Ort, aber selten welche aus der Heimat. Das soll nun anders werden. Musikalisch lasse ich alles auf mich zukommen, hier gibt es kaum etwas neues. Vielleicht darf ich einen Wunsch äußern: Gern einmal würde ich das erste Mozart-Konzert für Flöte und Orchester in G-Dur mit einem Orchester spielen, es gehört zu meinem Repertoire, aber „gegeben“ habe ich es noch nicht...

Mal abgesehen von der Kunst: Was macht Grasdorf und Laatzen lebenswert? Und was könnte besser werden?

Grasdorf ist einfach toll !!!!!!!!!
...
Und: Doch noch einmal zurück zur Musik. Besser werden könnte die administrative Akzeptanz unseres Tuns. Von den Damen und Herren des Kulturausschusses im Rat habe ich noch nie jemanden in unseren Konzerten gesehen. Auch die Schulleitungsmitglieder, die ja auf eine gute Zusammenarbeit wert legen, halten sich mit ihrem eigenen Kooperationshandeln bisher immer ausgesprochen zurück. Wenigstens einmal hier und da ein Höflichkeitsbesuch, das wäre schon mal ein Anfang... Besser –und vor allem energetisch effektiver durch Diodentechnik- werden könnte auch die Beleuchtung auf der Bühne des Forums im EKS, hier ist es dunkel, und es wird immer dunkler, je mehr Licht man einschaltet... Und ich würde mir wünschen, dass wir mit unserem Orchester endlich einmal genug Platz hätten. Ich glaube, dass niemand weiß, dass allein unser Schlagzeug, komplett aufgebaut, etwa 30 Quadratmeter Platz beansprucht...

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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