Streik der Lokführer – Automaten statt Lokführer?

Streik, Arbeitsverweigerung, gilt als legales Kampfmittel der Gewerkschaften. Ob und wenn wie lange gestreikt wird, bestimmen die Gewerkschaften. Die theoretische Abwehr des Streiks, die Aussperrung, gilt zwar als gerade noch legal aber dennoch als asozial und wird von den Gewerkschaften als „Unverschämtheit“ der Arbeitgeber bezeichnet.
Der Streik richtet sich offiziell gegen den jeweiligen Arbeitgeber. Bei diesem Arbeitgeber sollen Schäden eintreten und zwar so viel, dass diese Schäden höher sind, als wenn der Arbeitgeber die Forderungen der Gewerkschaft erfüllt. Streikschäden treten aber immer häufiger auch bei Dritten auf, Dritten, die, selbst wenn sie wollten, die Forderungen der Gewerkschaft nicht erfüllen können, einfach, weil sie nicht Vertragspartei sind.
Die Müllmänner streiken, formal, um den Arbeitgeber (öffentlicher Dienst) zu treffen; der Müll stinkt aber der Bevölkerung in der Nase, nicht dem Arbeitgeber. Fluglotsen streiken – und treffen statt ihren Arbeitgeber (öffentlicher Dienst) die Bevölkerung, die fliegen will. Lokführer streiken – und treffen die Reisenden, kaum ihre Arbeitgeber. Im Krieg nennt man das neuerdings „Kollateralschäden“, zwar nicht gewollt, aber von den be- oder besser getroffenen hinzunehmen. Im Kampf der Gewerkschaften sind diese Schäden bei den Unbeteiligten gerade das Ziel: diese Unbeteiligten sollen sich gegen den Arbeitgeber der Streikenden auflehnen.
Kann die Gewerkschaft ihre Streiks auch so ansetzen, dass keine oder doch nur wenige Dritte betroffen werden? Selbstverständlich könnte sie, aber dann wird in den Zeitungen nicht über den Streik berichtet werden. Wenn Finanzamtsmitarbeiter so streiken, dass nur die Fälle, in denen eine Steuer(nach)zahlung heraus kommt, unbearbeitet bleiben, dagegen die Fälle der Steuerrückzahlung sofort bearbeitet werden, dann trifft dieser Streik nur den Arbeitgeber aber keine unbeteiligten Dritten. Wenn Zugbegleiter zwar mit den Zügen fahren, aber keine Fahrkarten kontrollieren und dadurch keine Schwarzfahrer aufdecken, träfe dies die Arbeitgeber aber nicht die Reisenden.
Kurzfristig ist Streik unter Umständen ein sehr wirkungsvolles Mittel, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber die streikenden Arbeitnehmer nicht kurzfristig ersetzen kann aber zur Leistungserbringung gezwungen ist. Die Lokführergewerkschaft kann zum Streik aufrufen, weil kurzfristig nicht alle streikenden Lokführer ersetzt werden können, die Leistungen aber nur sehr kurze Zeit ausbleiben kann.
Aber es kann auch ganz anders kommen. Wird ein Arbeitgeber zu hart bestreikt, kann er auch aufgeben (und etwas anderes tun), dann ist als Streikergebnis der Arbeitsplatz weg. Oder der Arbeitsplatz wird wegrationalisiert. So ist es vor einigen Jahrzehnten den Setzern in den Zeitungsverlagen ergangen.
Was machen die streikenden Müllmänner im öffentlichen Dienst, wenn ihre Arbeit Privatfirmen übernehmen (zum Beispiel kurzfristig die bereits als Papier- und Glassammler tätig sind – eine einfache Vertragsklausel in den Vergabeverträge wäre ausreichend). Es mag sein, dass die Gewerkschaft den erfolglosen Streik kleinlaut abbricht, aber sie hat den Tarifvertrag bereits gekündigt, bis zum Neuabschluss gilt als Übergang zwar der alte Vertrag weiter – nur, kann die Gewerkschaft einen Neuabschluss erzwingen? Und wenn, könnte der nicht unter dem Tarif des alten liegen? Und kann die Gewerkschaft wirklich den Arbeitskampf beenden? Was, wenn der Arbeitgeber die nun nicht mehr benötigten streikenden Arbeitnehmer aussperrt? Und eine solche Aussperrung kann lange dauern.
Mülltonnen müssen geleert werden. Aber wie sieht das bei den Lokführern aus? Werden Lokführer wirklich gebraucht? Flugzeuge fliegen heute alle mit Autopilot und Flugzeuge haben für ihre Bewegung drei Freiheitsgrade im Raum, menschliche Piloten werden nur für Start und Landung gebraucht – noch. Aber noch fliegen die Piloten mit (und schlafen bisweilen während des Fluges).
Automatisch fahrende Autos, Autos haben zwei Freiheitsgrade, sind in der Entwicklung, zum Teil, um auf den Straßen zu fahren (das geht schon ganz gut), zum Teil, um im Gelände zu fahren (Rettungseinsätze, Militär). Die bisherigen Ergebnisse sind auch hier viel versprechend.
Züge, sie haben nur einen Freiheitsgrad, sind bereits automatisch gefahren, so zum Beispiel in Berlin die U-Bahn auf der kurzen nur vier Stationen langen Strecke zwischen Wittenbergplatz und Insbrucker Platz. Hier fuhren zwar die Fahrer mit, aber die hatten nichts zu tun.
Bei der Bahn ist es einfach. Im Gegensatz zum Flugzeug können Züge nur in einer Ebene fahren und im Gegensatz zum Auto ist ihr Fahrweg durch die Schienen vorgegeben. Züge haben nur die Möglichkeit, sich vorwärts oder rückwärts zu bewegen sowie den Sonderfall, sich gar nicht zu bewegen, also zu halten. Die dafür erforderliche Technik ist bereits vorhanden und erprobt. Bleiben nur die erforderlichen Investitionen, um die Züge und Gleise mit den erforderlichen Sensoren und Signalgebern auszustatten. Also eine Frage des zu investierenden Geldes.
Streng wirtschaftlich können die Lokführer genau so viel verlangen, dass sie gerade noch etwas billiger sind, als die Umrüstung von Zug und Gleis. Da über eine Investition aber nicht ein Automat entscheidet sondern auch Menschen, kann es sein, dass so ein entscheidender Mensch die streikenden Lokführer Leid ist und sich für die Investition entscheidet – Automaten streiken nicht und sind auf Dauer billiger als Arbeitskräfte.
Für die weitere Erprobung dieser Technik bieten sich vor allem wenig befahrene Nebenstrecken an, zumal diese Technik die Möglichkeit des Individualverkehrs auf der Schiene ermöglicht. So, wie man sich Taxen, die auf der Straße fahren, mieten kann, oder besser Mietwagen an Selbstfahrer, so kann man dann Schienentaxen mieten, die mit dieser Technik selbst ohne Fahrer ans Ziel gelangen.
Je öfter die Lokführer heute ihre Macht demonstrieren und streiken, um so eher werden wir die streikenden Lokführer durch Automaten ersetzen. - Na, dann streikt mal schön!

18.04.2011
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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