Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung; Teil 5

6. Lebenserwartung und Renteneintrittsalter

6.1 Lebenserwartung

Es wird völlig richtig die These vertreten, dass die geringere Sterblichkeit zu einer Erhöhung der Lebenserwartung führt, die nun ihrerseits wieder höhere Rentenlasten verursacht. Ein gutes Maß für die (über) hundert Einzelwerte der einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten ist die mittlere Restlebenserwartung eines x-Jährigen, die allein von eben diesen einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten abhängt. Für die Belastung durch Renten ist dabei weniger die Lebenserwartung eines Neugeborenen als vielmehr die Lebenserwartung der Rentner von Bedeutung. Hier eine Kurz-Übersicht für verschiedene Sterbetafeln:

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Die mittlere Lebenserwartung steigt stetig an, lediglich für den männlichen Bevölkerungsanteil zeigt die Tafel 1960/62 einen Einbruch, der auf den gegen den Trend laufenden einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten in den Altern 55 bis 83 beruht. Die Verlängerung der mittleren Lebenserwartung ist also seit über hundert Jahren - länger als die gesetzliche Rentenversicherung besteht - erkennbar.
Die deutlich größere Lebenserwartung der weiblichen Bevölkerung wird erhalten bleiben. Private Rentenversicherer müssen dies in ihren Tarifen durch höhere Prämien für Frauen berücksichtigen – aufgrund eines kürzlich ergangenen Gerichtsurteils sind geschlechtsunterschiedliche Tarife nicht mehr zugelassen: Die Richter glauben naturbedingte Unterschiede abschaffen zu können und übersehen die Folgen ihres Urteils für die Kapitalversicherung, bei der die Frauen jetzt mehr zahlen müssen. In einer allgemeinen gesetzlichen Altersversorgung besteht dieser Zwang nicht, die Männer müssen hier also einen Teil der Last der Frauen mittragen - dies mag als Teil-Ausgleich der sonst von den Frauen an anderer Stelle allein zu tragenden Lasten gesehen werden.
Die Erhöhung der Lebenserwartung der Neugeborenen beruht zum überwiegenden Teil auf der Erhöhung der Lebenserwartung oberhalb des Alters von 60 Jahren, also der Langlebigkeit der Rentner. Diese Entwicklung führt zu einer erhöhten Belastung der Rentenversicherungsträger, sie drückt sich auch in höheren Rentenbarwerten aus. Das Schlagwort vom „demographischen Faktor“ taucht auf, mit dem die monatlich zu zahlende Rente gemindert werden soll.

6.2 Nenneintrittsalter

In jedem allgemeinen Altersversorgungssystem muss ein Nenneintrittsalter in die Rente definiert werden. Mit der Einführung der gesetzlichen Alterssicherung im Jahr 1889 war dieses Alter auf 70 Jahre festgesetzt, seit 1916 beträgt es 65 Jahre.
Das Nenneintrittsalter ist nichts anderes als eine Rechengröße, ein Bezugspunkt. Das Nenneintrittsalter sei definiert als das Renteneintrittsalter, bei dem 100% der Rente fällig werden.
Wer mit einem höheren Alter als dem Nenneintrittsalter in die Rente eintritt, erhält auf seine Rente einen Zuschlag, er bekommt also mehr als 100% der Rente.
Wer mit einem niedrigeren Alter als dem Nenneintrittsalter in die Rente eintritt, muss einen Abschlag von seiner Rente hinnehmen, er bekommt also weniger als 100% seiner Rente.

6.3 Rentenzuschlag, Rentenabschlag

Die Regelung führt zu folgendem einfachen Sachverhalt:
Ausgang ist das Nenneintrittsalter in die Altersrente.
Liegt das tatsächliche Eintrittsalter darüber, gibt es einen Rentenzuschlag in Höhe von 0,005 je Monat, das sind 12*0,005=0,06 oder 6% je Jahr.
Liegt das tatsächliche Eintrittsalter darunter, gibt es einen Rentenabschlag in Höhe von 0,003 je Monat, das sind 12*0,003=0,036 oder 3,6% je Jahr.
Versicherungsmathematisch sind diese Werte nicht exakt, als Näherung aber brauchbar.

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Es ist richtig, dass zwischen männlichen und weiblichen Versicherten nicht unterschieden wird, denn die Werte unterscheiden sich kaum.
Der Rentenabschlag in Höhe von 0,003 je Monat, führt dazu, dass die Rente bei einem vorzeitigen Bezug von 334 (genau: 333,33) Monaten, das sind 28 (genau: 27,77) Jahren auf null gefallen ist. Dieser starke Abfall der Rente bei vorzeitigem Bezug ist eine gute Bremse, gegen den möglichen Wunsch, mit einem möglichst geringen Eintrittsalter in die Altersrente hineinzugehen.
Die hier genannten Rentenzuschläge und Rentenabschläge sind keine Änderung des gegenwärtigen Rentenrechts.

6.4 Rentenantrag

Rente wird nur auf Antrag gezahlt. Diese Regelung sorgt dafür, dass der Berechtigte selbst den Zeitpunkt für den Beginn seines Rentenbezuges festlegen kann. Der Beginn des Rentenbezuges darf dem Berechtigten nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden. Dies ist - soweit es das Rentenversicherungsrecht betrifft - keine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage. Änderungen sind jedoch im derzeitigen Recht der Arbeitslosenversicherung erforderlich, weil derzeit unter bestimmten Bedingungen ein Arbeitsloser durch Entzug der Unterstützung gezwungen werden kann, seine vorzeitige Altersrente zu beantragen.

6.5 Rentenauskunft

Damit der Versicherte seinen Rentenantrag zur von ihm gewünschten Zeit stellen kann, muss er über den Wert seiner Rentenanwartschaft, praktisch also seine Rentenhöhe, informiert sein. Daraus folgt zwingend, dass jeder Versicherte das Recht hat, jederzeit über seine Rentenanwartschaft Auskunft zu bekommen. Das ist inzwischen geltendes Recht.
Die Rentenauskunft soll einerseits dem Versicherten ständig seinen „Kontostand“ zeigen, um ihm damit rechtzeitig die Möglichkeit zu geben, noch selbst vorzusorgen. Zum anderen aber wird er durch die jährliche wiederholte Mitteilung an das Rechtssystem gebunden und durch seine ständige Unterrichtung werden zum dritten Eingriffe der Politik in seine Rechte erheblich erschwert.

6.6 Mindesteintrittsalter

Im heute geltenden Rentenrecht gibt es umfangreiche Bestimmungen über die Definitionen etlicher unterschiedlicher Mindesteintrittsalter.
Eine Definition eines Mindesteintrittsalter ist jedoch für die Funktionsfähigkeit einer allgemeinen Altersversorgung nicht erforderlich. Die Rentenabsenkung bei vorzeitigem Renteneintritt verhindert ausreichend jeden Missbrauch. Das Instrument des Rentenabschlags erspart eigene Vorschriften über ein Mindesteintrittsalter in die Altersrente. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die durch die Rentenabschläge geminderten Rentenzahlbeträge nicht durch andere Leistungen des sozialen Netzes, zum Beispiel die Sozialhilfe, wieder ausgeglichen werden.

6.7 Lastquote und demographischer Faktor

An anderer Stelle wurde die Lastquote aus den nach dem Alter definierten Anteilen der Bevölkerungszahlen abgeleitet. Will man bei veränderlicher Lebenserwartung die Lastquote gleich hoch halten, dann müssen die Altersgrenzen verschoben werden. Für uns bedeutet das hier: Bei sich ändernder Lebenserwartung muss das Renteneintrittsalter verschoben werden.
Dies ist theoretisch einfach. Praktisch aber etwas kompliziert, denn einmal müssten die Daten aus der Bevölkerungsstatistik schnell genug verfügbar sein, zum andern aber würde ein von Jahr zu Jahr sich änderndes Renteneintrittsalter für die Betroffenen zu einem schwer kalkulierbaren Datum werden.
Der deutsche Gesetzgeber hat daher eine andere Antwort gefunden: Es geht ja bei der Lastquote nicht eigentlich um die Zahl der Personen, sondern vielmehr um Geld, also das Produkt aus Durchschnittsrente und Rentneranzahl. Und um dieses Produkt zu beeinflussen, genügt es, die Durchschnittsrente zu manipulieren. Das ist im heute geltenden Recht um so einfacher, als dem Versicherten ohnehin der Wert seiner Rentenanwartschaft praktisch nicht bekannt ist.
So kam man in der Rentenformel zeitweise zum demographischen Faktor, der (ohne diese Bezeichnung zu nennen) im § 68 Abs. 5 BSG VI in der Weise definiert war:
(LEBt-9 / LEBt-8 - 1) / 2 + 1
wobei „LEB“ die durchschnittliche Lebenserwartung des 65-Jährigen meint und „t“ das Kalenderjahr des Renteneintritts bedeutet.
Bei steigender Lebenserwartung ist offenbar LEBt-9 < LEBt-8 und damit der Quotient LEBt-9 / LEBt-8 < 1. Der Ausdruck in der runden Klammer der Formel ist also negativ und der Gesamtausdruck erhält einen Wert kleiner 1. Steigt die Lebenserwartung, führt dieser Faktor also zu einer Absenkung des Rentenzahlbetrages! - Bei fallender Lebenserwartung kehrt sich das Ganze natürlich um und führt dann zu steigenden Rentenzahlbeträgen - es sei denn, man ändert dann ganz schnell das Gesetz. 6.8 Zusammenfassung In jeder allgemeinen Altersversorgung muss ein Nenneintrittsalter definiert werden. Bei von diesem Nenneintrittsalter abweichenden Eintrittsaltern müssen die Rentenzahlbeträge durch Zu- bzw. Abschläge angepasst werden. Die mittlere (Rest-)Lebenserwartung steigt bei uns stetig an. Die stetig steigende (Rest-)Lebenserwartung macht eine stetige Anpassung entweder des Nennrenteneintrittsalters oder der durchschnittlichen Rentenzahlbeträge erforderlich. Die demographische Entwicklung in Deutschland macht eine Erhöhung des Nenneintrittsalters auf 70 Jahre erforderlich. Renten werden nur auf Antrag gezahlt. Der Versicherte erhält jährlich die Information über den Stand seiner Rentenanwartschaften sowie die erreichte Rentenhöhe. 01.10.2012 Hermann Müller Bentieröder Bruch 8 OT Bentierode D-37547 Kreiensen Hinweis: Tabellen sowie Hoch- und Tiefstellungen sind in dieser Seite nicht (korrekt) darstellbar. Unter Verwendung des Buches von Hermann Müller: „Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung“. Das Manuskript ist bei www.querkopp-mue.de abrufbar.

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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