Landkreise – wozu?

Die Frage, ob und wenn wozu Landkreise gebraucht werden, kann, wie oft üblich, ohne jede Sachkenntnis diskutiert und entschieden werden, einfach nach dem Motto: das war schon immer so. Wer etwas sachlich-fundierter argumentieren will, muss sich einige Fragen stellen.
Bevölkerungszahl. Verwaltung ist für die Bevölkerung da. Anders gesagt, ohne Bevölkerung gibt es auch keine Verwaltung. Die Bevölkerungszahl in Deutschland, heute rund 82 Millionen, wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich abnehmen, ob auf 77 oder 67 Millionen ist im Prinzip nicht so wichtig. Wichtig ist nur, die Bevölkerungszahl insgesamt wird sinken. Regional wird diese Zahl stagnieren oder sogar steigen, der dann aber um so stärker sinkende Zahlen an anderen Stellen gegenüber stehen. Aus dieser einfachen Betrachtung ergibt sich bereits: wir werden insgesamt weniger Verwaltung brauchen, regional mal mehr mal weniger. Diese grundsätzliche Überlegung ist auf die einzelnen Bundesländer und dort auf die Regionen herunter zu brechen.
Geografische Größe. Die sinnvolle räumliche Größe einer Verwaltungseinheit hängt von den jeweiligen Möglichkeiten der Kommunikation und der Bewegungsmöglichkeit ab. Die Kommunikation ist heute (Telefon, E-Mail, Fax) auf der Erde praktisch unbegrenzt, weil jede Entfernung in Sekunden überbrückt werden kann. Für die materiell zu transportierende Nachricht (Brief, Paket) gilt, das dies innerhalb Deutschlands binnen eines Tages (Brief) oder zwei bis drei Tagen (Paket) möglich ist. Aus der Sicht der heute möglichen Kommunikationstechnik gibt es in Deutschland keine größenbedingten Grenzen.
Bleibt die Frage der Bewegungsmöglichkeit. In der Zeit, als man zu Fuß ging, mag eine Strecke von fünf Kilometern für eine Stunde und zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometern für eine Tagesreise stehen. Heute mit dem Auto dürfte die Stunden-Entfernung auch über Land bei fünfzig Kilometern und die Tagesreise bei fünfhundert bis tausend Kilometern liegen. Mit einer Strecke (Radius) von fünfzig Kilometern ließe sich eine Kreisfläche von knapp achttausend Quadratkilometern abdecken. Das möge die, den Bürgern zumutbare Entfernung, der Zeitaufwand, sein, um von seinem Wohnort zum zentralen Sitz der Verwaltung zu kommen. Die räumliche Bürgernähe der Verwaltung lässt sich aber auch dadurch erreichen, dass die Verwaltung zum Bürger kommt, sei es durch Filialen, sei es mit einer „rollenden Verwaltung“, die, wie die Händler mit ihren Einkaufswagen, in die Städte und Dörfer kommt.
Soviel zu den grundlegenden Vorüberlegungen.
Die von der Verwaltung zu erfüllenden Aufgaben werden auf die einzelne Verwaltungsebene verteilt. Diese Ebenen sind:
EU
Bund
Länder
(Regierungsbezirke)
kreisübergreifende, freiwillige Zusammenarbeit
Landkreise / kreisfreie Städte
Gemeindeverbund / freiwillige kommunale Zusammenarbeit
Gemeinde
Ortsteile
Ergänzt man diese Liste noch um:
Zeilennummern
Bezeichnung einer Aufgabe
Bemerkungen
dann sind damit die Spaltenköpfe unserer Arbeitstabelle vorgegeben. In die Zeilen kommen dann die einzelnen Aufgaben (zum Beispiel: Schülertransport, Jugendamt, Sozialunterstützung, Nahverkehr, Fachaufsicht ...). Hier ist die eigene Arbeit des politisch-Denkenden oder des politisch-Verantwortlichen gefragt, in ein paar Stunden eigener Arbeit ist die Sache gemacht, der teuer bezahlte Gutachter macht es auch nicht viel besser.
Setzt man in diese Arbeitstabelle die einzelnen Aufgaben ein, stellt sich schnell heraus, dass heute die Zuordnung der Aufgaben auf die einzelnen Ebenen sehr unsystematisch, zufallsabhängig ist. Es gibt Aufgaben, die sogar innerhalb des gleichen Landkreises mal Sache des Landkreises, mal Sache einer Gemeinde ist. Überschneidungen gibt es auch zwischen Bundesland und Landkreis.
So kann es – je nach Wunsch und Zielsetzung – sowohl dazu kommen, dass der Landkreis zwischen Land und Gemeinde zerrieben wird. Aber es ist auch denkbar, dass die Gemeinde ihre Aufgaben verliert und so eine neue größere Gemeinde, rein zufällig in der Ausdehnung eines heutigen Landkreises, geschaffen wird; ob die dann Landkreis oder Gemeinde heißt, ist bedeutungslos.
Die politische Entscheidung ist hier frei, ob mit oder ohne Landkreis. Sachlich begründen lässt sich die eine wie die andere Variante. Und damit ist die Frage: Landkreise – wozu? als das entlarvt, was sie ist: eine politische Entscheidung zum Vorteil oder Nachteil einer Partei.
Auf lange Sicht, so in fünfzig Jahren, dürfte allerdings die Ebene „Landkreis“ verschwinden – und die Gemeinden durch Fusionen (nach Fläche) deutlich wachsen.
Verlagert man die von den Landkreisen ausgeübten hoheitlichen Aufgaben auf das Bundesland, dann bleiben nur noch die Aufgaben, die als Gemeinde-Zusammenarbeit ausgeführt werden, der Landkreis wird zum Dienstleister einer Gruppe von Gemeinden. Denkt man diesen Gedanken weiter, dann wird dieser „Landkreis“ auch von den Gemeinden kontrolliert, wie etwa eine GmbH durch ihre Gesellschafter. Dann braucht es keine eigenen Kreistage als gewählte Parlamente, es braucht keinen gewählten Landrat, denn der wird von den Gesellschafter-Gemeinden wie jeder andere Manager in der Wirtschaft auf Zeit bestellt. Die Finanzierung dieser Art Landkreis ist auch sehr einfach: die Gemeinden als Gesellschafter müssen ihn mit einer Umlage finanzieren, und zwar zu hundert Prozent, es gibt keine eigene Verschuldung des Landkreises. Dieses Umlageverfahren wird ja von den Gemeinden gegenüber dem Bürger auch gern an anderer Stelle angewandt, also bitte auch hier ganz entsprechend, nur das hier dann die Gemeinden die Zahlenden sind. Den Anfang hierzu haben wir ja heute bereits in der „Kreisumlage“.

21.12.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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