"Königsbrunn hat einen neuen Treffpunkt"
Ein Interview mit 1. Bürgermeister Franz Feigl
myheimat: Herr Feigl, lassen Sie uns mit einem zukunftsträchtigen Thema beginnen und etwas über die Energieversorgung sprechen. In puncto Windkraft plädierten Sie dafür, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, solange dies noch möglich sei. Sie sprachen sich für eine Bürgerenergiegenossenschaft aus. An welchen Standorten sind Windkraftanlagen im Augsburger Land vorstellbar?
Feigl: Die Basis unseres Lebens und Wirtschaftens ist die Energie. Deutschland hat mit dem Umbau der Energieerzeugung begonnen: weg von den zentralen Kraftwerken, hin zu einer flächendeckenden dezentralen Energieerzeugung. Wenn man diese Energiewende ernst nimmt, sind Windkraftanlagen ein unverzichtbarer Baustein, auch wenn sie als Nachbarn nicht beliebt sind. Es gibt aber zwei Ebenen: die planungsrechtliche und die wirtschaftliche Ebene. Wenn es dem Regionalen Planungsverband nicht gelingt, die vorgegebenen Flächenfestlegungen mit Vorranggebieten für Windkraftanlagen zu erreichen, gelten die Windkraftanlagen als privilegiert und können von jedem Investor überall außerhalb der besiedelten Gebiete errichtet werden. Wo sie sich rechnen, werden also Windkraftanlagen entstehen, ob die Anwohner begeistert sind oder nicht. Daher plädiere ich nach wie vor dafür, dass die Kommunen nicht nur planungsrechtlich, sondern auch wirtschaftlich von Anfang an mit dabei sind. Die Kommunen können nicht alles finanzieren. Sie können aber teilhaben, bei der Strompreisentwicklung in der Zukunft mitwirken und den eigenen Bürgern die Möglichkeit der Teilhabe geben.
myheimat: Ungebetenen Besuch bekamen Sie im März von Aktivisten des Augsburger Klimacamps. Es ging um den Kronengarten am Europaplatz, der wegen Vorbereitungen einer Baustelle weichen musste. Die Aktivisten leerten Erde auf Ihren Schreibtisch. Auf eine derart brachiale Aktion ist man nicht vorbereitet. Wie erlebten Sie diese Situation?
Feigl: Stellen Sie sich einfach vor, jemand leert Ihnen an Ihrem persönlichen Arbeitsplatz Humus auf den Tisch. Auch Sie werden erstaunt sein, eher einen Angriff auf Ihr persönliches Arbeitsumfeld, d.h. einen geschützten Bereich, vermuten und sich dann mit dem Täter dementsprechend auseinandersetzen.
myheimat: Wie lassen sich Behörden besser vor unerwünschten Gästen schützen?
Feigl: Es geht bei dieser Frage immer um die Verhältnismäßigkeit der Mittel gegenüber einer bestimmten Gefahr für verschiedene Rechtsgüter. Je gewichtiger das bedrohte Rechtsgut ist, desto massiver dürfen angedachte Mittel sein. Wenn also Leib und Leben von Mitarbeitenden bedroht sind, kommen Maßnahmen wie im Strafjustizzentrum (Zutritt nur durch eine Schleuse, Leibesvisitation etc.) in Betracht. Wenn es aber nur um überschaubare Gefahren für Sachen oder die allgemeine Ordnung geht, muss eine Behörde das Risiko eines einzelnen Vorfalls im Verhältnis zu den tausenden regulären Besuchen schlicht aushalten. Insofern sehe ich zumindest für Königsbrunn keinen Handlungsbedarf.
myheimat: Viele erbetene Gäste kamen dagegen zum Tag der offenen Tür ins neue Bürgerservicezentrum in der Marktstraße. Was hat die Stadt Königsbrunn mit dieser neuen zentralen Anlaufstelle gewonnen?
Feigl: Durch die Zusammenführung aller publikumsintensiven Dienstleistungen des Fachbereiches „öffentliche Sicherheit und Ordnung, Schule, Sport und Soziales“ können unsere Bürgerinnen und Bürger das meiste vor Ort barrierefrei erledigen und müssen nicht mehr bei Wind und Wetter bis auf den Fußweg hinaus anstehen. Jetzt gibt es einen großzügigen Wartebereich mit Kaffeeautomat und auch eine Information, die dem Ratsuchenden weiterhilft. Daneben finden die Kundinnen und Kunden der Volkshochschule Augsburg-Land dort barrierefreie, modern ausgestattete Räume für die unterschiedlichen Angebote.
Dadurch hat Königsbrunn einen neuen Treffpunkt im Herzen der Stadt bekommen.
myheimat: Eine besondere Herausforderung für Kommunen ist die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Diskussion um dieses Thema beherrschte in den letzten Wochen und Monaten die Schlagzeilen. Eine neue Unterkunft im Gewerbegebiet Süd für knapp 80 Erwachsene und bis zu 15 unbegleitete Minderjährige konnte der Bauausschuss des Stadtrats nicht verhindern. Viele Bürgermeister beklagen, dass die Belastungsgrenzen bereits überschritten seien. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Situation in Königsbrunn dar?
Feigl: Auch in Königsbrunn kommen wir an unsere Grenzen. Zum einen bräuchten wir bei steigenden Asylfallzahlen viel mehr Menschen, die sich ehrenamtlich als Asylhelfer für Sprachkurse, für Hausaufgabenhilfe, für Einkaufs-, Behörden- oder Arztbegleitungen zur Verfügung stellen. Zum anderen steigt die Zahl der nicht deutschsprechenden Kinder in den Kindergartengruppen und Schulklassen deutlich an. Dadurch sind eine Integration in die Gruppen und Klassen sowie notwendige Einzelbetreuungen kaum mehr möglich.
myheimat: Lassen Sie uns ein wenig über das neue Zentrum Königsbrunns sprechen. Der zentrale Bereich der Bürgermeister‐Wohlfarth‐Straße zwischen Gartenstraße und Marktstraße wird umgestaltet. Der Abschluss der gesamten Baumaßnahme, die zur „Vision Zentrum 2030“ gehört, ist für das Frühjahr 2024 vorgesehen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortgang der Bauarbeiten?
Feigl: Nach derzeitigem Stand sollen die Arbeiten abhängig von der Witterung im Mai 2024 zum Abschluss kommen. Wenn wir dann diese gewaltige Baustelle mit viermonatiger Verzögerung abschließen können, dürfen wir zufrieden sein. Direkt im Anschluss geht es aber mit den Bauarbeiten im Süd- und Nordteil bis zu den Kreisverkehren weiter. In diesen Bauabschnitten wird aber nur noch in den Bereichen der Fußwege und Mittelinseln gepflastert und die Straßenfläche asphaltiert. Daher wird es dort nicht mehr zu so massiven Verkehrsbeschränkungen kommen wie im mittleren Abschnitt. Wir hoffen alle sehr, dass wir Ende 2025 mit der gesamten Umgestaltung von Kreisverkehr Nord bis Kreisverkehr Süd fertig sind.
myheimat: Am 26. August ist ein gigantisches Hagel‐Unwetter über Königsbrunn hinweggezogen – eine unfassbare Schneise der Zerstörung blieb zurück. Nahezu das gesamte Stadtgebiet von der Föllstraße bis zu Fohlenhofstraße wurde von Tischtennisball‐großen Hagelkörnern „niedergewalzt“, denen tagelanger Regen folgte. Innerhalb von kurzer Zeit zeigte sich ein Bild massiver Zerstörung. Wie haben Sie dieses Ereignis erlebt?
Feigl: Die Freiwillige Feuerwehr Königsbrunn war in rund 350 Fällen an drei Tagen rund um die Uhr bis zur Erschöpfungsgrenze im Einsatz. Viele Feuerwehren aus dem Landkreis haben uns mit ihren Drehleitern samt Mannschaft unterstützt. Unternehmen haben uns mit ihren großen Kehrmaschinen oder Hebebühnen beim Aufräumen genauso unterstützt wie die Gemeinde Graben mit der kleinen Kehrmaschine. Die meisten Menschen haben die Angebote zur kostenfreien Abgabe von Grüngut ordentlich genutzt. Manche Menschen, eine Bäckerei aus Langerringen und die örtliche Schokolaterie haben die Feuerwehrkräfte mit Getränken und Speisen auf eigene Kosten versorgt, wie auch das Bayerische Rote Kreuz mit seinem Verpflegungszug für die Feuerwehrleute gekocht hat. Einige Personen sind spontan zum Feuerwehrgebäude gekommen und haben ihre Hilfe angeboten.
Als sehr beruhigend und begeisternd empfand ich, dass die absolute Mehrheit der Menschen in solchen Krisensituationen zusammensteht und sich gegenseitig hilft. Über die einen oder anderen unglücklichen Ausnahmen kann man dabei insgesamt gut hinwegsehen.
myheimat: Nicht zuletzt für den Umbau der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße sind größere Investitionen notwendig. Auch die Baumaßnahmen entlang der neuen Straßenbahntrasse und der Grunderwerb im neuen Baugebiet am östlichen Stadtrand kosten Geld. Das führte nun zu der paradox klingenden Situation, dass der Stadtrat im Jahr 2021 einem 22-Millionen-Euro-Kredit zustimmte, der nun eigentlich gar nicht benötigt wurde. Dennoch musste das Geld jetzt abgerufen werden. Was hat es mit diesem Vorgang auf sich? Klären Sie uns bitte auf.
Feigl: Jeder Kredit in einem Haushaltsplan einer Kommune muss von der Rechtsaufsichtsbehörde, in unserem Fall das Landratsamt Augsburg, genehmigt werden. Die Genehmigung gilt in der Regel für zwei Jahre. Wenn man den geplanten Kredit aktuell nicht braucht und davon ausgehen kann, dass man künftige Kredite wieder genehmigt bekommt, kann man wie in der Vergangenheit die Kreditgenehmigung verfallen lassen, weil man den neu geplanten Kredit ja wieder genehmigt bekommt. Wenn man aber davon ausgehen muss, dass künftige Kreditaufnahmen aufgrund der sich verändernden wirtschaftlichen und damit steuerlichen Einnahmesituation eher zurückhaltend oder gar nicht mehr genehmigt werden könnten, aber entsprechende Investitionen anstehen bzw. wie bei der Baugebietsentwicklung Erwartungen gesetzt wurden, muss von der genehmigten Kreditaufnahme Gebrauch gemacht werden, um sicher zu gehen, dass gesetzte Erwartungen auch erfüllt werden können. Gesetzte Erwartungen und mündliche Zusagen spielen bei der Genehmigung eines Haushalts keine Rolle. Wenn dann noch extrem schnell steigende Zinsen zu erwarten sind, ist eine Kreditaufnahme schon aufgrund der geltenden Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geboten.
myheimat: Die Stadt investiert schon seit Jahren stetig in bessere Rahmenbedingungen für Schule und Unterricht. Welche Bilanz ziehen Sie im Hinblick auf die Schulsanierungen für das Jahr 2023?
Feigl: Die Generalsanierung der Grundschule Süd ist bis auf die üblichen Restabwicklungsarbeiten abgeschlossen. Der Teilneubau mit Generalsanierung der Grundschule Nord ist noch in vollem Gange. Hier gab es aufgrund der Überraschungen im Untergrund erhebliche mehrmonatige Verzögerungen. 2024 werden die Schüler samt Lehrerschaft und Betreuungspersonal des Hortes und der Mittagsbetreuung an der Grundschule Nord insgesamt ihre neuen Räume in Beschlag nehmen können.
myheimat: Auch der Sport- und Freizeitpark West soll sich in den nächsten Jahren deutlich verändern. Wie sieht Ihre Vision für diesen städtebaulichen Bereich aus?
Feigl: Ganz aktuell wird der Fitnessparcours für alle Generationen, d.h. Trainingsstationen entlang eines Weges im Sport- und Freizeitpark, geplant und 2024 umgesetzt. Daneben wird 2024 die Gestaltung des sog. Gymnasiumweihers fortgesetzt und hoffentlich abgeschlossen. In den kommenden Jahren soll die Skateanlage evtl. an einem etwas veränderten Standort neu geformt werden, eine Pumptrack-Bahn und eine Calisthenics-Anlage mit Ninja-Parcours sollen ebenso dazukommen wie eine Minigolfanlage. Dazu müssen die endgültigen Standorte für die Anlagen festgelegt und der Bebauungsplan angepasst werden.
myheimat: Sind Sie im Jahr 2023 bei der Entwicklung des „Forums“ als Zentrum für Kultur, Freizeit und Sport, als Ort der Begegnung für die Königsbrunnerinnen und Königsbrunner ein Stück weitergekommen?
Feigl: Aufgrund der aktualisierten Annahmen zu den Baukosten hat der Stadtrat die Überarbeitung der Machbarkeitsstudie veranlasst. Daher mussten Nutzflächen eingespart werden und finanzierbare Bauabschnitte müssen gefunden werden. Das Forum besteht ja aus mehreren Bauteilen. Zum einen aus der energetischen Neuausrichtung der Pharmpur EISARENA. Dabei konnte als erster Baustein die Ausführungsplanung der künftigen Nutzung der Abwärme aus der Eisproduktion in Auftrag gegeben werden. Zum anderen wird gerade ermittelt, wie viel des Restbestandes der ehemaligen Therme erhalten und schließlich mit einer Fassade eingehaust werden soll. Dadurch soll der erhaltenswerte Bestand vor Verfall geschützt werden, die Dachflächen sollen gedämmt und hergerichtet werden, um die für die Eisarena wie das künftige Forum benötigten Photovoltaikanlagen unterzubringen, und schließlich soll der momentan unschöne Anblick verschwinden. Dann kann über die Zeit in einzelnen finanzierbaren Maßnahmen der Innenausbau erfolgen und in einem separaten Bauabschnitt ein Veranstaltungssaal angebaut werden.
myheimat: Nennen Sie uns bitte ganz kurz und knapp drei Projekte, die Sie während der nächsten drei Jahre bis zum Ende der Wahlperiode noch angehen wollen?
myheimat: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?
Feigl: Auch im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Begegnungen, die mich beeindruckt haben. Eine der sehr positiven Begegnungen hatte ich zwei Tage nach dem Hagelereignis, als mir einer unserer total ermüdeten und erschöpften Feuerwehrmänner voller Stolz erzählte, dass er im Regen so viele Dachziegel ersetzt und Dachfenster provisorisch verschlossen hat, dass er nicht mehr annähernd weiß, wie viele das waren.
myheimat-Team:Joachim Meyer aus Friedberg |
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