Gedenken an Edith Stein (Hl. Teresia Benedicta vom Kreuz)

Edith-Stein-Denkmal in Köln
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Wir feiern heute (9. August) das Fest der heiligen Teresia Benedicta vom Kreuz. Sie ist uns bekannter als Edith Stein. Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 als Kind jüdischer Eltern in Breslau geboren. Sie studierte (1916-1918 in Freiburg i.Br.) Philosophie und fand nach langem Suchen den verlorenen Gottesglauben wieder. Schließlich wandte sie sich der katholischen Kirche zu und wurde am 1. Januar 1922 getauft. Ihren Lehrberuf und ihre wissenschaftliche Arbeit verstand sie fortan als Gottesdienst. 1933 trat sie in den Kölner Karmel ein. Im Sinne des von ihr gewünschten Ordensnamens Teresia Benedicta vom Kreuz opferte sie ihr Leben für das deutsche und das jüdische Volk auf. Wegen der Judenverfolgung verließ sie Deutschland und fand am Silvestertag 1938 Aufnahme im Karmel von Echt in den Niederlanden. Am 2. August 1942 wurde sie von den nationalsozialistischen Machthabern verhaftet, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und wahrscheinlich am 9. August durch Giftgas ermordet. Papst Johannes Paul II. sprach sie am 1. Mai 1987 im Köln selig, und am 11. Oktober 1998 in Rom heilig. Sie ist eine Heilige, die uns modernen Menschen besonders nahesteht.

Das heutige Thema des Evangeliums von der Begegnung Jesu mit der Samariterin (Joh 4,19-24) hat wohl das Leben von Edith Stein bewegt. Was bestimmt eine hochbegabte Jüdin, den Glauben ihrer Väter zu verlassen und sich dem Glauben der Christen zuzuwenden? Hat sie sich wirklich vom jüdischen Glauben abgewandt? Zumindest ihre Verwandten sahen es so.

Ihre Nichte Susanne Biberstein hat es Jahrzehnte später so formuliert: „Indem sie - gemeint ihre Tante Edith - katholisch wurde, hatte unsere Tante ihr Volk im Stich gelassen. Ihr Eintritt ins Kloster bekundet vor der Außenwelt, dass sie sich vom jüdischen Volk absondern wollte. So sahen wir es ...“.1 Der Eintritt ins Kloster der unbeschuhten Karmeliten in Köln erfolgte im Oktober 1933, also in einer Zeit, als sich für aufmerksame Juden schon der Leidensweg abzeichnete. Edith Stein wusste um die Vorwürfe und Enttäuschungen, die sie ihren Verwandten bereitete. Schon ihre Taufe 1922 war gut überlegt und vorbereitet. Jahrelang hat sie darum gerungen, ob ihr Weg ins Kloster von Gott gewollt ist. Deshalb konnte sie ihren Verwandten bedacht und überlegt antworten: „Sie lasse niemanden im Stich. Der Eintritt ins Kloster garantiere ihr keine Sicherheit und werde die Wirklichkeit der Außenwelt nicht ausschalten. Sie würde immer ein Teil der Familie und ein Teil des jüdischen Volkes bleiben, auch als Nonne.“2

Edith Stein wußte um die jüdischen Wurzeln des Christentums und verleugnete sie nicht. Aber sie wuchs über die jüdischen Wurzeln ihrer Herkunft hinaus, wenn auch ein Teil ihrer Verwandten, vor allem ihre Mutter diesen Schritt nicht verstehen konnte.

Ähnlich muss es der Frau ergangen sein, zu der Jesus sagte: „Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.“ (Joh 4,21) Jesus verurteilt nicht, dass Gott auf einem Berg oder in Jerusalem angebetet wird, aber er führt über die ortsbezogene Anbetung hinaus. Gebet und Glauben erfahren durch Jesus eine neue Dimension, ohne die alte Dimension zu verlassen.

Jesus selbst sagt:„Das Heil kommt von den Juden“. Er fährt dann aber auch fort: „Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit.“ (Joh 4,23) Das ist die Dimension, in der die Philosophin Edith Stein philosophiert. Sie philosophiert nicht voraussetzungslos, sondern entgegen dem Anspruch der meisten neuzeitlichen Philosophen ist für sie Philosophie und Offenbarung kein Widerspruch. Für sie ist die Grundfrage aller Philosophie die Frage nach dem Sinn des Seins. Für die gläubige Philosophin wird die geoffenbarte Wahrheit zum Maßstab.

Die damals schon bekannte Philosophin und Husserl-Schülerin gelangt zu selten beschrittenen Formen geistiger Vertiefung. Betrachtung, Kontemplation, Meditation, Leerwerden, Leersein sind für sie die Weise, um für das Göttliche ganz offen zu sein. Sie schreibt selbst: „Ich empfinde diesen Frieden als ein übergroßes Gnadengeschenk.“ 3

Dabei war das Klosterleben für die 42jährige Postulantin und Novizin keineswegs leicht. Nähen und andere klösterliche Hausarbeiten waren für die langjährige Dozentin völlig ungewohnt. Aber sie ordnet sich unter und bleibt dabei fröhlich. In Orientierung an die Ordensgründerin Teresa von Avila, deren Wahlspruch lautet: „Gott allein genügt“, schreibt Edith Stein, jetzt Teresia Benedicta vom heiligen Kreuz: „Die Hingabe unseres Willens ist das, was Gott von uns allen verlangt und was wir leisten können. Sie ist das Maß unserer Heiligkeit. Sie ist zugleich die Bedingung der mystischen Vereinigung, die nicht in unserer Macht steht, sondern freies Geschenk Gottes ist.“ 4.

Teresia Benedicta weiß, was auf sie und ihr Volk zukommt. Sie weiß, dass sie auch im Karmel nicht sicher ist. Schon 1935 äußert sie: „Man wird mich hier sicher noch herausholen. Jedenfalls darf ich nicht damit rechnen, hier in Ruhe gelassen zu werden.“ Im Juni 1939 schreibt sie noch deutlicher: „Schon jetzt nehme ich den Tod, den Gott mir zugedacht hat, in vollkommener Unterwerfung unter seinen heiligsten Willen mit Freude entgegen.“ 5

Zwar war Edith Stein 1938 in den Karmel im niederländischen Echt umgezogen, aber nach Kriegsausbruch wurden die Niederlande von den deutschen Truppen überrannt. Schwester Teresia Benedicta beginnt ihr letztes großes Werk, die „Kreuzeswissenschaft“. Formal ist es eine Arbeit über Johannes vom Kreuz, eine Darstellung von Leben, Werk und Spiritualität des großen spanischen Mystikers, aber man kann diese Arbeit auch interpretieren als die Auseinandersetzung mit ihrem eigenen bevorstehenden Tod.

Das Kreuz steht im Mittelpunkt ihres Denkens und ihrer Spiritualität: „Kreuz, einzige Hoffnung, sei gegrüßt,“ wagt sie zu schreiben. Aber sie sucht nicht das Leiden, sie bemüht sich noch um eine Auswanderung in die Schweiz. Aber es ist zu spät. Am 2. August 1942 wird sie zusammen mit ihrer leiblichen Schwester Rosa im Rahmen einer gegen katholische Juden in den Niederlanden gerichteten Aktion von zwei SS-Offizieren abgeholt. Der Weg führt nach Auschwitz. Dort ereilt sie am 9. August der Tod. Beim Abschied im Karmel soll sie gesagt haben: „Komm, wir gehen für unser Volk.“ Edith Stein war bis zuletzt beides: Jüdin und Christin. Und sie ist für uns Heutigen Mahnung und kaum einholbares Vorbild.

1 Susanne Batzdorff-Biberstein. In: Herbstrith, Waltraud: Edith Stein. Ein neues Lebensbild in Zeugnissen und Selbstzeugnissen. Freiburg 1983, S. 70 f.
2 Ebd. S. 71.
3 Edith Stein Werke, VII, Nr. 164, S. 159 f.
4 Edith Stein Werke, VI, S. 67.
5 Edith Stein Werke, X, S. 148 f
Weitere Quelle: Cordula Koepcke: Edith Stein. Ein Leben. Würzburg 1991.
Manfred Hermanns: Rez. zu Cordula Koepcke, Edith Stein. Ein Leben. Echter Verlag, Würzburg 1991. In: Breuer, Karl Hugo (Hrsg.), Jahrbuch für Jugendsozialarbeit. Bd. XIV. Köln 1993. S. 334-338.

Edith-Stein-Denkmal in Köln
Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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