Untaugliches Internetprojekt „kandidatenwatch.de" zur Landtagswahl HESSEN 2009 ?! Was Kandidaten zur documenta-Reform sagten oder nicht sagen wollten
Das Internetprojekt „kandidatenwatch.de" zur Landtagswahl HESSEN 2009 sollte Wähler und Kandidaten zusammenbringen. Was man schon immer die Landtags-Kandidaten & Kandidatinnen fragen wollte, aber bisher vielleicht nicht zu fragen wagte: Jetzt war es wieder möglich. Mit wenigen Mausklicken konnte man mit KandidatInnen in Kontakt treten!
Der Verein „Mehr Demokratie e.V." und die Macher von „abgeordnetenwatch.de" wollen mit diesem Angebot die Barriere zwischen der Politik und insbesondere jungen Bürgerinnen und Bürgern absenken und Interesse am Geschehen und den handelnden Personen wecken. Alle Kandidaten standen – wie ein Jahr zuvor - zur Auswahl bei www.kandidatenwatch.de.
Man kann sich fragen, ob die Antworten auf kandidatenwatch.de (kurz: „KW“) ein echter Informations-Schatz für die Wahl-Entscheidung der Wahlberechtigten ist. Wer noch nicht weiß, wen er wählen soll, könnte sich auf KW informieren. Die Themenvielfalt der Fragen ist groß. Die Wählerinnen und Wähler können nach der Motivation der Kandidierenden und ihren politischen Zielen fragen, wobei Rede & Antwort bzw. besonders auch NICHT-Antwort (!) einer wählbaren Figur durchaus eine Grundlage für die Wahlentscheidung bilden können. Wie hoch die Nutzerzahlen sind, deren Fragen freigeschaltet bzw. NICHT freigeschaltet werden, erfährt man leider nicht; hier sollten unabhängige Politik-Wissenschaftler Untersuchungen machen. Meine Dokumentation der Frage-Versuche und das Antwort-Resultat könnte hierfür ein Ansporn sein; mit Ablehnungsschreiben in dieser „chaotischen“ Form seitens der KW-Mitarbeiter hatte ich nicht gerechnet. Zur Frage „Wie seriös und/oder schlecht ist KANDIDATENWATCH.de? Ärger mit dem Chek“ siehe die WEB-Dokumentation (1).
Es hat beim ersten Überblick den Anschein, dass bei KW nur relativ wenige WählerInnen ONLINE in Hessen nachgefragt haben. Dort konnten BürgerInnen einen Kurzsteckbrief der hessischen LandtagskandidatInnen einsehen und ihnen online Fragen stellen. Warum eigentlich wird das Angebot nur von so wenigen heimischen HESSEN-Wählern genutzt!? Es kann durchaus sein, dass viele Fragesteller dadurch abgeschreckt werden Fragen zu stellen, weil die Fragen den KW-Mitarbeitern NICHT ins Konzept passen und abgelehnt werden.
Zu den wenigen Schreibern, die sich aufgerafft haben, an die Nr.1 von CDU, SPD, FDP, GRÜNE und LINKE eine Frage zu stellen (zum Problem einer erforderlichen documenta-Reform), gehörte ich. Dass man sich als KW-Fragensteller über KW.de auch ärgern kann, konnte ich mit der Dokumentation in (1) belegen.
Ich reichte die jeweils gleiche Frage zum Thema KUNST-Politik in HESSEN an die fünf Nr.1-Kandidaten ein. Die Frage an die jeweilige NR.1 der zur Wahl stehenden Parteien – KOCH (CDU), SCHÄFER-GÜMBEL (SPD), HAHN (FDP), AL WAZIR (GRÜNE) und VAN OOYEN (LINKE) habe ich am 13.01.2009 Frage gestellt. (2) Analog stellte ich an die Kandidaten von CDU und SPD meines heimischen hessischen Wahlkreises Marburg-Biedenkopf (I) – die Herren Detlef RUFFERT (SPD) & Dr. Christean WAGNER (CDU) die gleiche FRAGE über KW. Diese Frage ging auch an die Kandidaten von CDU und SPD des Wahlkreises Marburg-Biedenkopf (II) – die Herren Dr. Thomas SPIES (SPD) & Frank GOTTHARDT (CDU). Hier die Frage:
Hallo Herr GOTTHARDT!
Seit Jahrzehnten zementierte die hessische Kunst-Politik das m. E. undemokratische & monokratische GmbH-Modell zur documenta. Herr Prof. Dr. Friedhelm HUFEN hat den „Fall documenta" in der Neuen Juristischen Wochenschrift ausführlich documenta-kritisch behandelt: 17/1997 S. 1112-1114 - „Muss Kunst monokratisch sein?“. Eine erste Findungs-Kommission aus PolitikerInnen bestimmte jeweils neu die sekundäre Findungskommission, die selektiert hat. Für 2012 wurde wieder eine Ein-Frau-Lösung gesucht. Ein „Mahnmal der 101 Verrisse" im WEB erinnert an das „BUERGELiade Fiasko“ 2007. Die Nachfolge-Veranstaltung ist zur documenta 13 von Frau BAKARGIEV mutiert. Seitens der weit verbreiteten „Kunstzeitung“ (Chefredakteur Karl Heinz SCHMID) wurde der Vorschlag „Findungskommissare als Kuratoren“ vorgebracht: Zuletzt habe so manch/r documenta-Leiter/in mit bildender Kunst „mehr eigene Visionen und Reflexionen illustriert, als der Kunst selbst jenen Atem zu geben, den eine Ausstellung braucht“, führt SCHMID aus. Seither sei ab der d10-DAVID-documenta „fleißig daran gearbeitet“ worden, der Liebe (zum Kunstwerk) den Garaus zu machen.“ Über „diffuse Theorien und einen höchst eigenen, (…) oft aufgeweichten Kunstbegriff“ (…). In der KZ (Juli 2008, S.7) plädierte SCHMID für das Gremium-Modell. Auch Prof. Peter WEIBEL (ZKM Karlsruhe) plädierte für ein zeitgemäßes pluralistisches documenta-Modell plädiert (KZ 09/08, S. 2): Alle Mitglieder eines Gremium-Teams würden „über so viele Kompetenzen“ verfügen, „dass es eine Illusion wäre zu glauben, die Kompetenzen eines einzelnen Kurators könnten umfangsgleich sein“. WEIBEL findet, SCHMIDs Gremium-Idee sollte man „weiter propagieren, weil ich sie wirklich überzeugend finde. Eine bessere Leitung der documenta als das Team, das einen Leiter finden soll, wird es nicht geben.“
FRAGE: Wann kommt endlich der hessische „URKNALL“ zu einer documenta Reform, die Sie unterstützen sollten!?
Schöne Grüße W. Hahn
Auf diese Frage haben die unterlegenen Wahlkreis-Kandidaten RUFFERT (SPD) und GOTTHARDT geantwortet. DANKE!
Die Herren Doktoren & Gewinner WAGNER (CDU) und SPIES (SPD) hatten es vorgezogen, lieber NICHT auf meine - für sie möglicherweise unangenehmen - Fragen zur hessischen Kunstpolitik zu antworten. NICHT DANKE!
Herr Frank GOTTHARDT (CDU) (WK II Marburg-Biedenkopf) antwortete:
Sehr geehrter Herr Hahn,
ich kann Ihre Einschätzung zur vergangenen documenta nicht teilen. Vielmehr halte ich die documenta2007 mit der Berücksichtigung vieler osteuropäischer Künstler für durchaus künstlerisch gelungen. Auch habe ich Zweifel, ob die von Ihnen vorgeschlagene Idee eines Kuratoriengremiums tatsächlich zu einer qualitativen Verbesserung führen würde, in meinen Augen hat sich das bisherige Verfahren durchaus bewährt.
Gleichwohl aber werde ich die von Ihnen genannte Mail und die Anregungen den zuständigen Kulturpolitikern zu Kenntnis geben und gerne in die Diskussion aufnehmen.
Mit freundlichen Grüßen Frank Gotthardt
Und Detlef RUFFERT (SPD) (WK I Marburg-Biedenkopf) antwortete am 17.01.09:
Sehr geehrter Herr Hahn,
die Organisation der documenta liegt in den Händen einer gemeinnützigen Gesellschaft, der "documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH". Gesellschafter sind die Stadt Kassel und das Land Hessen.
Ich kenne die Satzungen dieser Gesellschaft nicht und kann auch keine Aussage darüber treffen, ob und in welcher Weise der Landtag in der Lage sein könnte, hier reformierend und verändernd einzugreifen.
Das von Ihnen dargestellte Problem monokratischer gegenüber demokratischer Leitung der documenta ist, wie ich es einschätze, ein Dauerthema. Ich persönlich neige - wie auch in vielen anderen kulturellen, pädagogischen, sozialen oder politischen Bereichen - zu einer demokratischen Leitungsstruktur, weil ich diese für effektiver und effizienter halte.
Mit freundlichen Grüßen Detlef Ruffert
Hier die NR.1-Antworten:
Herr Jörg-Uwe HAHN (FDP) antwortete am 14.01.09:
Sehr geehrter Herr Hahn,
wie auch letztes Jahr plädieren Sie über www.kandidatenwatch.de für eine Reform der documenta.
Erneut, wie auch vergangenes Jahr, verweise ich Sie auf Ihren Austausch mit dem seinerzeit zuständigen Referenten meiner Fraktion, Sven-Gerrit Schellberg. Da Sie selbst seine Antwort dort eingestellt haben, ist sie für jedermann im online-Angebot der Zeitschrift "Die Zeit" verfügbar.
Nach wie vor maße ich mir keine künstlerische Kritik der documenta an. Nach wie vor meine ich aber, dass das derzeitige Intendantenmodell der documenta Vorzüge genießt. Erstens trägt es zu der Individualität der einzelnen documenta-Ausstellungen bei, dass sie jeweils durch einen Ausstellungsleiter geprägt werden. Zweitens führt diese Form zu einer besonderen inhaltlichen Kohärenz und drittens spricht ihre Praktikabilität für deren Beibehaltung. Ich fürchte nämlich, wenn wir der documenta pluralistische Gremien vorgäben, würden die Entscheidungswege verlangsamet und zudem gewönnen sach- und kunstfremde Aspekte Einfluss auf die Entscheidungen in der Führung der documenta.
Schließlich bemängeln Sie, dass die Kunstpolitik keine Rolle im Wahlkampf spielt. Hier möchte ich Sie in erster Linie auf unser Wahlprogramm unter www.fdp-hessen.de verweisen. Ihm können Sie entnehmen, dass wir - im Gegensatz zu Ihrer Annahme - umfangreiche programmatische Aussagen zu Kunst und Kultur veröffentlich haben, die zeigen, dass wir uns sehr wohl mit diesem Bereich auseinandersetzen. Hinsichtlich der documenta planen wir, die Idee einer documenta-Akademie ebenso weiter zu verfolgen, wie die eines documenta-Archivs. Zudem möchten wir die Ausstellung fördern, sie aber auch nutzen, in dem sie zugunsten Nordhessens kulturtouristisch noch besser vermarktet wird als bisher.
Mit freundlichen Grüßen Jörg-Uwe Hahn
Die Antwort der Nr. 1 der SPD - Thorsten SCHÄFER-GÜMBEL - lautete folgendermaßen. (Ein Jahr zuvor hatte Frau Ypsilanti zur Landtagswahl in Hessen die von mir an Sie gestellten Fragen zur documenta-Reform nicht beantworten wollen.)
Sehr geehrter Herr Hahn,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zur Kultur- und Kunstpolitik sowie zur documenta-Reform.
Die SPD beschäftigt sich intensiv mit den kultur- und kunstpolitischen Fragestellungen des Landes von Museen über Theater, Literatur und Soziokultur bis hin zu den Belangen der bildenden Künstler.
In den vergangenen Jahren hat sich die SPD-Landtagsfraktion auch in den Haushaltsberatungen für ein stärkeres finanzielles Engagement des Landes eingesetzt. Doch leider sind die beantragten zusätzlichen Haushaltsmittel von der CDU-Mehrheit im Landtag abgelehnt worden.
Im Hinblick auf die Organisation der documenta sind jedoch keine Änderungen geplant. Allerdings beabsichtigt die SPD die in der Tat geführte Debatte über eine documenta-Reform konstruktiv zu begleiten. In diesem Zusammenhang halten wir die Einrichtung eines documenta-Archivs sowie einer documenta-Akademie für diskussionswürdig.
Mit freundlichen Grüßen Thorsten Schäfer-Gümbel
Die Antwort der Nr. 1 von DIE LINKE lautete folgendermaßen.
Sehr geehrter Herr Hahn,
DIE LINKE tritt für eine Stärkung und Ausweitung demokratischer Mit- und Selbstbestimmungsrechte in allen Lebensbereichen ein. Das gilt auch für die Bereiche der Kunst und Kultur. Wir betrachten Kunst und Kultur als öffentliche Güter, zu denen alle unabhängig von ihrer finanziellen und sozialen Lage Zugang haben sollen. Wir wenden uns hier ebenso wie in anderen Bereichen gegen die Tendenz zur Privatisierung und zum Abbau öffentlicher Leistungen.
Kunst und Kultur sind für alle da, nicht nur für die Minderheit, die heute schon Museen, Ausstellungen, Theater und Konzerte besucht. Um den anderen den Zugang zu erleichtern, müssten – außer finanzieller Förderung und Subventionierung kultureller Einrichtungen – Kunst und Kultur in der schulischen Bildung und Ausbildung einen größeren Stellenwert bekommen. Auch die Vermittlungsformen müssten weiter demokratisiert werden, damit „Kultur für alle“ verwirklicht werden kann.
Die "documenta" als größte und populärste Kunstausstellung nicht nur Hessens muss sich an diesem Anspruch immer wieder messen lassen. Ob ihre Organisationsform im Sinne einer größeren Transparenz von Entscheidungs- und Auswahlprozessen verändert werden sollte, bedürfte einer Prüfung im Einzelnen. Eine solche Forderung würde ich jedenfalls unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen, Willi van Ooyen
Meine Frage zur documenta-Reform, die ich analog an die jeweilige NR.1 der zur Wahl stehenden Parteien – hier KOCH (CDU) und AL WAZIR (GRÜNE) - am 13.01.2009 gestellt hatte, wurden von den „Spitzenkandidaten“ von CDU & GRÜNE – aus welchen Gründen auch immer - NICHT BEANTWORTET.
Mehr TRANSPARENZ und Bürgernähe durch KW?
Wie SERIÖS die Internetplattform kandidatenwatch.de wirklich ist, möge jeder selbst beurteilen; hierzu meine Dokumentation (1). Die Kommunikationsplattform werde in der Fachwelt als „eine Art Frühwarnsystem“ ernst genommen, meinte der Politologe Wolfgang SCHRÖDER (Kassel; Interview v. 16.01.09 in mittelhessen.de). Aus der Sicht des Politikwissenschaftlers könnte KW dazu beitragen, „die Bürgernähe der Politik weiterzuentwickeln“; anders als bei herkömmlichen Meinungsumfragen. Politikverdrossenheit abzubauen ist eine potentielle Möglichkeit des KW-Systems, da hier Unmut öffentlich formuliert werden kann; ob meine documenta-Reform-Initiative über KW mit aufgeworfenen Problemen und Fragen zur documenta als „Frühwarnsystem“ für die Politik funktionieren ist die große Frage.
Wenn Politiker wie die von mir befragten KOCH und WAGNER von der CDU und AL WAZIR (GRÜNE) die Form der Kommunikation zum Fall documenta ignorieren, werden sie möglicherweise ein Problem bekommen. Sie verlieren wichtige Informations- und Kontaktmöglichkeiten, meint auch der Kasseler Professor SCHRÖDER. Der Politologe sieht auch die Gefahr, dass das Instrument KW geschickt zur Selbstdarstellung genutzt werden kann, wenn etwa „bestellte Fragen“ eingereicht werden, bei deren Beantwortung sich der Politiker so richtig gut profilieren kann. Wer sachlich „gut reagiert“ hat auf die von mir aufgeworfenen documenta-Probleme, kann jeder für sich beurteilen. Über die documenta-„Machthaber“ in Hessen (CDU, SPD und FDP) scheint eine nötige documenta-Reform derzeit unmöglich: eine TRAURIGE BILANZ.
Literatur:
(1) HAHN, Werner (2009): Traurige Bilanz: KANDIDATENWATCH, Hessenwahl 2009 & documenta-Reform. In: ZEIT Online v. 24.01.2009.
(2) HAHN, Werner (2009): KANDIDATENWATCH: ein nützlicher Chek zur Landtagswahl in HESSEN. In: myheimat.de v. 14.01.2009.
Anmerkung: die Formulierung in (2) „ein nützlicher Chek zur Landtagswahl in HESSEN“ möchte ich nicht mehr weiter aufrecht erhalten; die Erfahrungen mit KW wurden nach dem 14.01. sehr getrübt. Zu (1) siehe mehrere interessante Kommentare in ZEIT Online.
Bürgerreporter:in:W. H. aus Gladenbach |
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