Volkslieder und ihre Geschichten
Von Kutschfahrten und Heideröslein
"Senioren-Bratpartie" - dieser Begriff hatte am vergangenen Samstag eine doppelte Bedeutung. Neben dem zu garenden Grillgut, wurde auch den Senioren tüchtig vom schwülen Wetter eingeheizt. Obwohl es Zeltgarnituren im Freien gab, verzog man sich lieber ins kühle Innere des Gemeindehauses, wo auch das fleißige Catering-Team der Kirchengemeinde leckere Salate angerichtet hatte.
Volkslieder singen und die Geschichten dazu hören, stand auf dem Programm des Nachmittags. Pfarrer Matthias Ullrich , der selbst ein Liebhaber dieser Lieder ist, wusste vieles rund ums Thema Volkslieder, ihre Entstehung und Besonderheiten, zu erzählen und zu erklären. Man durfte gespannt sein, was es da alles zu erfahren gibt:
Die Entstehung. Lange Zeit wurden die Texte nur mündlich weitergegeben. Erst 1870 begann der Dichter, Theologe und Schriftsteller Johann Gottfried Herder, sie zu sammeln und aufzuschreiben (so, wie auch die Brüder Grimm ihre Märchen zusammentrugen). Später kamen die Melodien dazu.
Interessant ist, dass die Liedtexte oft zwei Ebenen, also eine Doppelbedeutung, haben. Wie zum Beispiel das Lied "Hoch auf dem gelben Wagen" von Rudolf Baumbach. Da ist die Ebene der Alltagssituation, die Kutschfahrt. Aber auf der zweiten Ebene entdeckt man , dass der Text einen Lebenslauf beschreibt. Von der Jugend bis zum Alter wird jeweils anderes wichtig und als Metapher eingesetzt. In jeder Phase möchte man verweilen, aber der Wagen, der rollt - es geht immer weiter.
Volkslieder kann man in verschiedene Kategorien einteilen. Da gibt es die Frühlingslieder und die zu den Lindenfesten. Die Liebeslieder sind oft von Dichtern persönlich geschriebene Widmungen an die Liebste, die dann zu Volksliedern wurden, wie das "Heideröslein" von Johann Wolfgang von Goethe, oder das "Ännchen von Tharau von Simon Dach. Die Wanderlieder wiederum erzählen von den Handwerksburschen und ihrer damals üblichen, dreijährigen Wanderschaft. Da geht es auch schon mal derb zu, wie in "Es, es, es...", einem Handwerskburschen-Lied, das mündlich aus dem Frankfurter Raum überliefert ist.
Zudem gab es Volkslieder, die zu geistlichen Liedern, zu Kirchenliedern, wurden. Ebenso wurden aus geistlichen Liedern auch Volklieder, wie "Geh aus, mein Herz," von Paul Gerhardt.
Ihre Beliebtheit haben die melodischen Weisen über die Jahrhunderte hinweg nicht eingebüßt. Das konnte man auch in der Runde der Senioren erleben, die mit vollmundigem Gesang, zu Gitarrenbegleitung von Pfarrer Ullrich, die Lieder über die Dächer Erdhausens erklingen ließen. Ihr Charme, ihre Lebens-Weisheiten und ihr Herzschmerz berühren auch heute noch die Seelen der Menschen.
Den Abschluss des geselligen Beisammenseins machte das wunderbare Lied von Matthias Claudius "Der Mond ist aufgegangen" Da heißt es in einer Strophe:
"Gott, lass uns dein Heil schauen, auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun!
Lass uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein."
Das ist ein schöner Begleiter für die neue Woche.
Beeindruckend:
Das Lied in einem Konzert von Herbert Grönemeyer
Danke, Conny :)