NAZI-Entartete-Kunst-Terror, EX-Expressionist E.L. KIRCHNER und der „Neue Stil“ (Teil 2)
Warum Ernst Ludwig KIRCHNER kein EXPRESSIONIST sein wollte und er sich 1938 bei Davos erschossen hat, diskutierte ich schon in Teil 1 des Doppel-Artikels. Der „Brücke“-Mitbegründer E. L. KIRCHNER war in der entarteten Nazi-Zeit von der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen worden und seine Werke wurden beschlagnahmt; siehe den Lebenslauf in Teil 1 (Anhang). Der großartige "Star-Maler" (studierter Architekt) hat Kollegen fälschlicherweise und in abwertender Absicht als „Juden“ bezeichnet. Aber „War er ein Antisemit?“, fragte ich in einem FAZ-Kommentar.
Das berühmte Gemälde E.L.K.s „Berliner Straßenszene“ aus dem Jahr 1913 macht/e als „causa Kirchner“ Schlagzeilen, worüber ich berichtet habe: 1936 unter dem Druck des Antisemitismus (Gestapo) verkauft, wurde dieses Bild ein Fall von „Raubkunst“. Die „Straßenszene“ wurde 2006 bei Christie’s (NY) für "nur" ca. 30 Mill. Euro versteigert. (Vgl. Bildergalerie-a&s-Bild in Teil 1.) Verrückt: 82 Millionen Euro wurden unlängst als höchste Summe, die je bei einer Auktion für ein Kunstwerk gezahlt wurde, ausgegeben: Für 106.482.500 Dollar (82 Millionen Euro) wechselte Picassos "Nu au plateau de sculpteur" (Nackte, Grüne Blätter und Büste) aus dem Jahr 1932 den Besitzer.
HITLER-Grüße als "Kunst"?
Die F.A.S. berichtete über ein Skizzenbuch-Bild (undatiert) des EX-Expressionisten, das einen Vorbeimarsch mit Hitlergrüßen (an einem NAZI-Funktionär Davos?) darstellt. (Vgl. (1).) Am 23. April 2010 kommentierte ich in der FAZ (2) weiterhin, dass der wichtige Städel-Rückblick für E. L. KIRCHNER – Nazis mit Hitlers “Entartetet Kunst“ schändeten E.L.K. - „Potential für die Zukunft“ habe.
„REVITALISIERUNG durch eine 2., 3., 4., 5. (…) MODERNE statt EVOLUTIONisierung?“, fragte ich. „Nerven für das Neue“ – Kunsterneuerung und kulturellen Symmetrie-„Bruch“ – fordert Eduard BEAUCAMP in der FAZ (8.1.10); darüber referierte ich im Web. Dass sich E.L.K. als ein innovativ-origineller Künstler „ständig“ über den „Stand der Moderne“ informiert hat, sah ich als „Selbstverständlichkeit“: „Forcierte Modernität“ als EVOLUTIONISIERUNGs-Merkmal im „Malerei-Stammbaum“ sei kunstgeschichtlich nötig. Kirchner sei der „Vorreiter einer zweiten und dritten Moderne“ titelte R.-M. Gropp (FAZ). E.L.K.s Abstraktionen mit „unentschieden aufgelöster Figürlichkeit, schrillen Farben und Kontrasten“ sind als evolutionäre Bifurkationen zu sehen, erklärte ich dazu. E.L.K.s Werk sei für das Zeitgenössische HEUTE relevant, meinte ich im Kommentar.
Eine reflexive 2. & 3. Modernisierung könne wohl als „kunstgeschichts-philosophisches Konstrukt zur Revitalisierung gedacht“ werden. Ist nach Heinrich KLOTZ’s 2. Moderne-Diskussion, die Postmoderne/Spätmoderne-Mutation ein Endpunkt im Kunst-Stammbaum oder „ist die Moderne ENDLOS?“, fragte ich.
In einem 2. Teil dieses DOPPEL-Artikels sollten die Themen „Warum hat E.L.K. den Freitod 1938 gesucht“ und „Zum rätselhaften Gemälde ‚Reiterin mit gestürztem Pferd’" näher erörtert werden, kündigte ich an:
In der F.A.S. (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) hatte zur gerade angelaufenen Kirchner-Ausstellung im Städel Dr. Peter RICHTER berichtet, dass es eine bislang unveröffentlichte Kirchner-Zeichnung gibt, die die F.A.S. auch veröffentlicht hat. (F.A.S. Nr.15 v. 18.4.10, S. 21/23 - „Deutsche Schüsse in Davos“ – vgl. www.faz.net (1).) Ich schrieb dazu vier in FAZ.Net publizierte Beiträge; siehe von mir colorierte Bilder zu den "Davoser Hitlergrüßen":
(A): Am 27. April 2010 kommentierte ich:
Vermächtnis E.L. Kirchners an den Staat: Kunstfreiheitsgarantie – Willkürverbot!
Schade: Das Kirchner-Skizzenbuch-Bild (undatiert; Vorbeimarsch mit Hitlergrüßen) fehlt im Retrospektive-Katalog. Zu lesen ist ebenda, dass E.L.K. noch 1935 glaubte, „dass die Ziele des Dritten Reichs eigentlich gut sind“. Der Verfemte, der kein „Expressionist“ sein wollte und Antisemitismus offenbarte, habe an seiner deutschen Identität festgehalten (als Dürer-Nachfolger). Er meinte, dass es sich bei seiner Ausgrenzung – seine Werke wurden als „entartet“ gebrandmarkt, verhöhnt, beschlagnahmt und auch vernichtet (Rauswurf aus der Akademie der Künste) -, um Missverständnisse handeln müsste. Zur Selbstmord-Tragödie sagte Lebensgefährtin Erna: „Die Diffamierung hat ihn zerbrochen, er hat sich in den letzten Wochen grauenhaft gequält (…)“. 1938 zerstörte E.L.K. - verzweifelt - vor seinem Tod Zeichnungen, verbrannte Druckstöcke und Holzskulpturen. Heute erinnert (nach der documenta-1-Rehabilitierung) das Gemälde „Sonntag der Bergbauern“ im Kabinettsaal des BRD-Kanzleramtes an die Angriffe der Nazis auf die Kunst. Ob sich die Kabinetts-Mitglieder eines mutierten Deutschland an die „causa Kirchner“ (Restitution …) erinnern und demnächst endlich KULTUR als Staatsziel im GG (Basis Willkürverbot, Kunstfreiheitsgarantie) verankern werden?
(B): 28. April 2010:
Selbstdarstellung der BRD: Deutscher Nationalstil mit „Staatsnähe“ unerwünscht!
E. L. Kirchners „Hieroglyphen“ erinnern mich an „kühn hingestrichene, wild ausgetuschte“ grafische Formulierungen Goethes. Seit H. Schmidt und R. von Weizsäcker wurden Gemälde der „Brücke“-Künstler zum Mittel kultureller Selbstdarstellung der BRD; so Christian Saehrendt. Es gebe eine deutschtümelnde Wirkungsgeschichte der „Brücke“. Expressionistische Künstler gingen ein Bündnis mit der Kunstgeschichtsschreibung ein, die den Expressionismus zum integrativen „deutschen Nationalstil" deklarierte, mit Wurzeln zurück bis zur Gotik. Der Künstler wurde leider nicht mehr an den Maßstäben einer unerreichbaren Antike oder Renaissance beurteilt. Er gilt nun als Exponent des "Kunstwollens" einer ethnischen Gruppe (so H. Wölfflin & W. Worringer). Indem Werke der "Brücke" als Wiederkehr einer germanischen Gotik interpretiert wurden, berief sich E. L. Kirchner ausdrücklich auf Dürer. Kunstbetriebs-Leute versuchten im Dritten Reich Brücke-Künstler zu fördern – nun im völkischen Sinne. Sie seien „keineswegs vernegert" war die Argumentation, die Hitlers „Kunst“-Geschmack aber zurückwies; entartet (…). Der Kanzleramts-Kirchner „Sonntag der Bergbauern" erinnert daran? E.L.K.s „neuer Stil“ belegt Kirchners Anti-Sympathie für Nazi-&-Hitler-Kunst.
(C):
Kirchners Wandel vom Expressionisten zum „Neue-Moderne“-Maler (1)
In einer Streitschrift „Wie deutsch ist die deutsche Kunst?“stellte Werner Hofmann 1999 fest: Beim „zackbrüchigen“ „Brücke“-Stil handelte es sich nicht um einen “sinnlosen Archaismus oder um eine willkürliche Manier“ (so Otto Fischer): Ein zersplittender „Zackenstil“, der Unruhe, explosive Kräfte. Maßlosigkeit, stürmischer Bewegungsdrang ausdrücken sollte, „was der Welt als deutsch gelten soll“ (W.H.). Nicht-evolutionistische Mittel zur Steigerung des (nicht evolutionären) Dynamischen und Expressiven bestimmten den Formwillen der Brücke-Maler. E.L.K. äußerte ein subjektives Unbehagen gegen „kurvilineare Kürzel“ und „symmetrisch abstrakte Chiffren“, die als Schönheitslinien zum Generalbass der gesamten Erscheinungswelt (wie Hogarths S-Linie) gedeutet wurden. Einseitig-willkürlich liebte er spitz-eckige „Haken, Winkel, ein X oder durchgestrichene horizontale Zickzacklinien“ (W.H.). Derartige „nationale Mängel“ lassen sich als Nicht-Erneuerungsimpulse deuten, die E.L.K. mutatorisch durch den „neuen“ Stil überwinden konnte. Der Facettenreichtum seitheriger klassisch-einseitiger „Brücke“-Kunst evolvierte dank E.L.K. zu einer „Neuen Moderne“. Hitler, Goebbels und Rosenberg verhinderten eine Malerei-Evolution (zum „Neuen Stil“) nicht.
(D): 29. April 2010:
Zum Bild „Heil in Nierentischformen“: Kirchner als „Neue-Moderne“-Maler (2)
Der Retrospektive-Katalog berichtet über das fortschrittliche 1928/29-Gemälde „Reiterin mit gestürztem Pferd“: Dass Pferd & Mensch hier „aus amorphen Einzelelementen entwickelt“ wurden, liest man S. 282 (Kat. 138). Behauptet wird von SO, die richtige „beabsichtigte“ Lesart sei NICHT die umgekehrte Sicht á la Baselitz-Manier. Dies bezweifle ich. Durch 180-Grad-Drehung erkennt man ein gestolpertes „Pferd mit gestürzter Reiterin“. Das invertierte Bild verrät eine nicht sachsinnfreie Doppelblickartigkeit in einem subordinierenden Formen-Beziehungssystems. Die Evolution E.L.K.s vom Winkel-Maler zum „Schlängler“ (realitätsnahen „Undulisten“) machte den Maler m.E. „undeutsch“; Kreation einer dialogfähigen neu-modernen Syntax & Semantik: Mit dem Versuch einer l’art-pour-l’art-Überwindung! Es erklärt sich, warum E.L.K. kein „Expressionist“ mehr sein wollte. Er rückte dem Geist der Renaissance mit Albrecht Dürer – so wie er es betont hat – in der Tat näher. Dass Neo-Renaissance-Modernität im Spätwerk des Künstlers in der Städel-Retrospektive vorgestellt wird, ist lobenswert: Die kontrovers diskutierten Arbeiten im "Neuen Stil", die durch kompromisslose Flächigkeit und einen hohen Abstraktionsgrad überraschen, sind ars-evolutoria-verwandt. (Siehe Bildergalerie.)
DOKUMENTATION:
E-MAILs an Dr. Peter RICHTER (F.A.S.) und Kurator Dr. Felix KRÄMER (Städel Museum)
„HALLO sehr geehrter Herr Dr. KRÄMER“, mailte ich am 5/5/10:
Nachfolgend übersende ich Ihnen den Text, den ich an Herrn Dr. RICHTER F.A.S. (Berlin) sandte. Herr Dr. R. meinte heute, ich sollte in der Sache vorerst doch mal mit Ihnen darüber reden. Telephonisch gelang mir das nicht; daher meine e-mail:
An die Redaktion des Feuilleton der F.A.S.:
Zu Hd. Herren Claudius Seidl und Volker Weidermann (verantwortlich); Dr. Peter Richter.
Sehr geehrte Herren:
Ich beziehe mich auf den F.A.S. Artikel (mit 1 Bild) und den FAZ.NET.-Beitrag:
RICHTER, Peter: Deutsche Schüsse in Davos. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung & FAZ v. 26.4.2010.
Ein veröffentlichter Kommentar von mir zum Artikel lautet
29. April 2010:
Zum Bild „Heil in Nierentischformen“: Kirchner als „Neue-Moderne“-Maler (2)
Der Retrospektive-Katalog berichtet über das fortschrittliche 1928/29-Gemälde „Reiterin mit gestürztem Pferd“: Dass Pferd & Mensch hier „aus amorphen Einzelelementen entwickelt“ wurden, liest man S. 282 (Kat. 138). Behauptet wird von SO, die richtige „beabsichtigte“ Lesart sei NICHT die umgekehrte Sicht á la Baselitz-Manier. Dies bezweifle ich. Durch 180-Grad-Drehung erkennt man ein gestolpertes „Pferd mit gestürzter Reiterin“. Das invertierte Bild verrät eine nicht sachsinnfreie Doppelblickartigkeit in einem subordinierenden Formen-Beziehungssystems. Die Evolution E.L.K.s vom Winkel-Maler zum „Schlängler“ (realitätsnahen „Undulisten“) machte den Maler m.E. „undeutsch“; Kreation einer dialogfähigen neu-modernen Syntax & Semantik: Mit dem Versuch einer l’art-pour-l’art-Überwindung! Es erklärt sich, warum E.L.K. kein „Expressionist“ mehr sein wollte. Er rückte dem Geist der Renaissance mit Albrecht Dürer – so wie er es betont hat – in der Tat näher. Dass Neo-Renaissance-Modernität im Spätwerk des Künstlers in der Städel-Retrospektive vorgestellt wird, ist lobenswert: Die kontrovers diskutierten Arbeiten im "Neuen Stil", die durch kompromisslose Flächigkeit und einen hohen Abstraktionsgrad überraschen, sind ars-evolutoria-verwandt.
Am 1.5. besuchte ich die Städel-Kirchner-Schau und habe mir das Gemälde von (angeblich) 1928/29 genau angesehen. Nun wollte ich nach neuen Entdeckungen einen weiteren Kommentar zum Artikel hinzufügen (FAZ.NET), stellte aber fest, dass die Kommentarfunktion abgeschaltet wurde. Ein Telephonat mit Herrn STAHNKE von der Online-Redaktion ergab, dass nach Abschalten der Funktion kein Rückgängigmachen der Funktion mehr möglich ist.
Herr Stahnke machte mir den Vorschlag, mich an Sie zu wenden.
Dass das Bild von KIRCHNER nicht (!) in der Baselitz-Manier gemeint ist, ergibt sich aus folgenden Indizien: Das Bild ist im "Neuen Stil" gemalt, hängt auch in einem dementsprechenden Raum im Städel. Ich entdeckte in der linken unteren Ecken ein kleines Loch im Bild, das in V-Form geschlitzt ist und durch Kratzen die Gestalt eines großen "K" ergibt. Der Buchstabe steht m.E. für Kirchner. Früher hat Kirchner Bilder mit E.L.K. signiert; z. B. im Bild der "Negertänzerin", das laut Katalog & Ausstellung mit "1910/20" datiert ist - aber auf dem Bild unten links mit "E.L.K. 05" signiert ist. Kirchner hat Bilder vordatiert, das weiß man. Die Gestalt des eines großen "K" ist auf dem Bild „Reiterin mit gestürztem Pferd“ vertikal gespiegelt gezeichnet, d. h. folgendes: Wenn man das Gemälde um 180 Grad dreht (auf den Kopf stellt), ergibt sich die Situation, dass das "K" nun in richtiger Gestalt (als K für Kirchner) oben rechts in der Ecke (über dem linken Ohr des Pferdekopfes) zu sehen ist. Möglicherweise hat E.L.K. das Bild nicht 1928/29, sondern später (evtl. kurz vor seinem Selbstmord) gemalt und auch (vielleicht !) vordatiert.
Ich interpretiere das brisante Bild so: Das gestürzte Pferd steht für E.L.K. und die Reiterin für ERNA (Lebensgefährtin). Kirchner hatte um 1938 Selbstmordabsichten und er wollte, dass Erna ihm in seinen Freitod folgt. Erna wollte aber leben. Das Schlitzen der Leinwand und seinem Namenskürzel "K" ist ein aggressiver Akt gegen sich selbst (Selbstverstümmelung - vgl. Boderlinestörung).
Im Maul des Pferdes hängen nach UNTEN (bei der gedrehten Ansicht - richtig!), die gerissenen "Zügel". In einer Gestalt, die das gestürzte - am Boden liegende Pferd - m.E. vielleicht hieroglyphisch symbolisieren. In der um 180 Grad gedrehten "richtigen Form" des Bildes fliegt "Erna" durch die Luft (Busen schräg nach links-unten gerichtet). Das Gesicht Ernas zeigt ein "Lächeln" mit herausgestreckter Riesen-Zunge, die gestaltmäßig im Brustbereich des Pferdes als Form widergespiegelt erscheint. Möglicherweise wiederholt sich auch das geschlitzte "K" gestaltmäßig im Kopf des Pferdes - 2 Ohren und Pferdemähne (mit verdecktem Auge). Unklar bleibt die helle flächige Hinterteilgestalt: vermutlich der Pferdesattel.
Fazit: Das Bild (Kat. Nr. 138) gehört m.E. umgedreht aufgehängt; es kündigt Kirchners Freitod von 1938 an.
Problem: Der Katalog zeigt eine Skizze 114d (S.193) zum Gemälde - Skizzenbuch 1921-23/25.
Ein Nah-Bild des "K" könnte ich Ihnen zusenden. Haben Sie Verwendung für meine Entdeckung/Interpretation? - F.A.S. Bericht / Leserbrief?
Schöne Grüße
W.H. (www.art-and-science.de.)
Soweit meine email an die F.A.S.
Ergänzend ist zu sagen, dass E.L.K. auch Bilder der Städel-Ausstellung rechts oben signiert hat: z.B. Kat. 10 (1909/10), Kat. 3 (1910), Kat. 96 (von 1917/ nach 1930). Vordatiert hat Kirchner häufig; dass er die Skizze des Skizzenbuchs (1921-23/25) erst später zu dem Pferdereiterinnen-Gemälde nutzte, ist m.E. durchaus möglich.
Es gibt ein weiteres Pferde-Reiterin-Bild, das in Salzburg ausgestellt wurde:
Ernst Ludwig Kirchner : [anlässlich der Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner, 31. Oktober 2009 - 14. Februar 2010, Museum der Moderne Salzburg] / [MdM Salzburg]. Lucius Grisebach. [Hrsg. Toni Stooss]. - [Köln] : DuMont, 2009. - S. 245 "Reiterin" 1931-32 (Kat. 41) - Öl Lw.:
Im "neuen Stil" gemalt: erinnernd an die Malerei einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen; Vorbilder: Trennung und Überlagerung eines Bewegungsablaufs - kinematographische Zeiterfahrung - Serienbilder (MUYBRIGDEs "Animals in Move",1899 u. Bragalia) - Dynamismus des Futurismus - mit z.B. Giacomo BALLAs Gemälde „Bewegungsrhythmus eines Hundes an der Leine“ (1912) u.a.m. (Duchamps Akt z.B.). Auch das im Städel-Katalog kommentierte Gemälde "Schlittenfahrt" 1927/28 (S. 208/281) ist analog neo-"futuristisch" interpretierbar.
Im Salzburg-Reiterinnen-Bild: Ansicht des Pferdes sowohl von hinten als auch von der Seite (schwarz/schattenartig) - Drehung um einen rechten Winkel. E.L.K. vergleicht das Pferde-Hinterteil (rosa) mit dem einer Frau; Pferdeschwanz (Nabel ?) weggelassen. (Siehe 180-Grad-Drehung in der Nackten der rechten Tafel des Bildes "Badende Frauen" (Triptychon Kat.73).)
"SO" (Sandra Oppmann) hat S. 282 von der dunkler grünen Fläche, die vom Kopf ausgeht, gesprochen (angeblich nicht zuordbar "in umgekehrter Perspektive"). Dieser wie ein Schatten wirkenden grünen Fläche ist die große gleichfarbige Grünfäche "oben im Bild" zuzuorden, die in/um den Körper von "Erna" verläuft. Von "Ernas" beiden Beinen müssten Schatten ausgehen. Im umgedrehten Bild ist die Grünfläche "harmonischer" ins Bildganze integriert perspektivisch zu sehen. Man meint, E.L.K. habe es "vergessen", die 3 orangefarbenen Flächen an der Pferdebrust und seitlich der Vorderbeine auszumalen. Der Steigbügel vor dem verschlungenen Hinterbeinpaar liegt beim "gestürzten" Pferd in umgekehrter Perspektive "richtiger"!
Mutmaßlich hat E.L.K. das dynamische Reiterinnen-Bild bewusst doppelt/multi-perspektivisch gemeint gemalt.
Schöne Grüße Werner Hahn
In einer ergänzenden MAIL schrieb ich an Kurator Dr. KRÄMER (Städel):
Ernst Ludwig KIRCHNERs Pferde-Reiterin (1931-32; Davos Kirchner Museum), das in Salzburg ausgestellt wurde, ist auch im Buch von Lucius Grisebach über KIRCHNER (Taschen Verlag, 1999) auf der Seite 186 abgebildet: Im Berner Ausstellungskatalog von 1933 schreibt E.L.K.: "Bei hellem Sonnenschein treten in der Fernsicht die Schatten als selbständige Formen aus dem Körper heraus und verbinden sich mit dem vereinfachten Umriss zu einer neuen Form. Die verschiedenen Ansichten, die beim Umgehen entstehen, sind zu einer einheitlichen Form verbunden." (Grisebach, S. 185. a.a.O.) Grisebach schreibt: "Während bei der Reiterin der Körper des Pferdes vor der Landschaft meisterhaft und intelligent in viele einander überschneidende Flächen aufgeteilt und zugleich in einer großen Flächenform zusammengefasst ist, verlieren sich die Figur der Reiterin und der Kopf des Pferdes in vielerlei motivischen Details - Augen, Lippen, Haare, ein Hütchen, zwei Arme und zwei Brüste -, die eben nicht abstrakt sind und daher wie Karikaturen wirken." G. verweist auf analoge "Widersprüche" im Bild "Farbentanz II" (1932-34 S. 187), das K. beschrieben hat (Zitat S. 185 Bildlegende).
Siehe auch Städel-BILD KAT. 152 "Farbentanz"!
Interessant ist auch, was Hubertus FRONING im Katalog zur 1999er E-L-K.-Ausstellung im Davoser Museum/Folkwang Essen schreibt: "Reiterin" S. 140: Gosebruchs Ablehnung 1932: als indiskutabel - unzulänglich - peinlich - lächerlich (a.a.O. S. 106, 107). Ebenda auch zu analogen Stilmerkmalen, "Farbentanz" I & II.
Zum Thema Schlitzen der Leinwand - Namenskürzel "K" als aggressiver Akt gegen sich selbst: Im Grisebach-Buch steht auf S. 198 zum Freitod 1938: "Verschiedene Zeitzeugen behaupten, er habe auch auf seine eigenen Bilder geschossen."
Schöne Grüße W.H.
Soweit die MAILs an Herrn Dr. KRÄMER, der ja – wie in Teil 1 betont – im Web in die E.L.K.-Retrospektive anschaulich einführt: , siehe das Städel-Video http://www.staedelmuseum.de/sm/index.php?StoryID=8... (Mit Direktor Max Hollein und Kurator Dr. Felix Krämer.)
Bevor ich auf das Gespräch mit Dr. KRÄMER berichte, zuvor noch folgende Feststellungen:
In der FAZ schrieb ich über KIRCHNER (s.o. (D)): E.L.K.s Kreation einer dialogfähigen neu-modernen Syntax & Semantik zeige den „Versuch einer l’art-pour-l’art-Überwindung“: Es erkläre sich, warum E.L.K. kein „Expressionist“ mehr sein wollte. Er rückte tatsächlich dem Geist der Renaissance mit Albrecht Dürer – so wie er es betont hat – näher. Dass Neo-Renaissance-Modernität im Spätwerk des Künstlers in der Städel-Retrospektive vorgestellt wird, sei „lobenswert“: „Die kontrovers diskutierten Arbeiten im "Neuen Stil", die durch kompromisslose Flächigkeit und einen hohen Abstraktionsgrad überraschen, sind ars-evolutoria-verwandt“, schrieb ich in der FAZ.
Dazu ist zu ergänzen:
Da Kirchners „neuer Stil“ im Verborgenen gehalten wurde, war er mir beim Schreiben meines EST-Grundlagenwerks unbekannt (2); ansonsten wäre ich auf ihn gestoßen. Über den Kubismus & PICASSO und dessen Philosophie, dessen Werk den Maler E.L.K. bei der „Neue-Stil-Erfindung“ beeinflusst hat, schrieb ich ausführlich. E.L.K. verglich sich mit PICASSO; gleichzeitig wollte er – wie er in der Brücke-„Chronik“ von 1913 schreibt -. „unbeeinflusst durch die heutigen Strömungen, Kubismus, Futurismus usw.“ malen.
Mein Symmetriebuch-Sachregister enthält zu „Kubismus“ 13 Seiten-Einträge: Über Cézanne & Urformen & Mehrfluchtpunkt-Perspektivität sowie „Vom Irrtum der Kunstphilosophie des Cézannismus-Kubismus“: siehe Kap. 11.8, 11.8.1., 11,8.2. (Abb. 553-560). In 12.4. erörterte ich PICASSOs und BALLAs sowie DUCHAMPs Versuche, Bewegung/Dynamik in die Malerei zu bringen: Abb. 630 und 631 mit Polyperspektivität und Dynamismus im mit 3 ganzfigurig-isolierten Bewegungsphasen gemalten Ölbild von 1969 („Lionel Hampton-Porträt“; auch Farbtafel V). Hierzu auch Giacomo BALLAs Gemälde „Bewegungsrhythmus eines Hundes an der Leine“ (1912) – ars evolutoria mutiert in der Bildergalerie.
Zur Lösung des Problems, wie Bewegung zu malen war, nahmen die Futuristen Zuflucht zum Kubismus und der Fotografie. Die neue Technik des Röntgens, mit Bildern, auf denen undurchsichtige Körper durchsichtig wurden, förderte das Malen in kubistischer Transparenz und Überschneidung, die auch E.L.K. fasziniert haben muss. Bewegungsabfolgen einer Figur konnten die zeitliche Dimension in die räumliche übertragen. Der Körper hinterließ in der Luft eine Erinnerung an sein Vorübergehen; vgl. BALLA Hund-Bewegungsrhythmus mit Bildern des „Neuen Stils“ von E.L.K. Ars Evolutoria (evo-devo-art) löste das Bewegungs-Problem in der Evolution: Parallelisieren von Natur/Kunst-Evolutionisierung. Evolutionäre Dynamik war in wissenschaftlicher Natur-und-Kunst-Ästhetik endlich darstellbar; ein absolutes Novum in der Geschichte der Kunst (Malerei/Graphik).
Googelt man „ultramoderne transmoderne“ erscheinen am Monitor mehrere Hinweise zu a&s und der EST-Anthologie (2): Z. B. liest man: „Für eine objektive Künstler-Ästhetik warb ich in der EST-Anthologie: Evolutionäre Ästhetik forderte ich in ‚Antithese zu modernistisch-postmodernistischem Kulturkonservatismus’. Ich stellte dar (auch später in einer Vorlesung an der Uni Tübingen; siehe Bilderstrecke), dass „in Antithese zur Pop Art beispielsweise“, das Gedankengebäude einer NEO-MODERNE – ULTRA-MODERNE, TRANS-MODERNE – wirklich ein neues Konzept darstelle.“
(„Seurat versuchte EVOLUTIONISIERUNG: wissenschaftliche Ästhetik“, begründete ich: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/revolutio...; von einem Bemühen um „wissenschaftliche Ästhetik“ kann man bei E.L.K. m.E. nicht reden.)
Zum von E.L.K. gering geschätzten Franz MARC (siehe Teil 1) sagte ich: Sicher unbegründet notierte E.L.K. 1920 über den Tiermaler Franz MARC ins Tagebuch: „(…) MARC ist überhaupt indiskutabel. Kitsch á la KANDINSKY. Wie wenig müssen die Herren Kunsthistoriker sehen und fühlen, dass sie solches überhaupt ansehen können“. Ich verwies zu F.M., den über 2000 mal gelesenen Artikel vom 6.3.09: Zur Bedeutung F. MARCs für ars evolutoria (und auch E.L.K.s „neues Stil“!) ; siehe Bilder in der Bildergalerie; Pferdestudie F.M.
E.L.K.s modernes STIL-Empfinden ist zwar kein ars-evolutoria-Vorläufer-Stadium, aber die Bemühungen E.L.K.s der Motiv-Findung und Farben-Findung ähneln einander:
Für ein „international modernes Stilempfinden“ plädierte Kirchner 1933; er hatte bis 1934 eine Entwicklung zur Abstraktion durchgemacht, wie es Kirchner-Kenner Lucius GRISEBACH beschrieben hat (siehe Teil 1): L.G. erläuterte, wie sich der Prozess der Bildfindung bei Kirchner vollzogen hat: Autonome KUNSTFORM ist bei E.L.K. nicht „Widerspiegelung, sondern bildnerisches Äquivalent der Naturform, das sich aus der Logik des Bildes erklären muss“. Zeichnung als „Hieroglyphe“ (E.L.K. – „exstatisches“ Erfassen von Bewegung) transponierte der Maler in Malerei und Druckgraphik; ein Nicht-Abbilden-Wollen, das zum Baustein „freier Schöpfungen aus der reinen Phantasie“ werden sollte. Was E.L.K. als „Form höherer Ordnung, als abstrakte Form“ verstanden wissen wollte, analysierte L.G. am Beispiel der „REITERIN“ von 1931/1332 (200x150 cm Davos Kirchner Museum; S. 185f. Bild S.186 – siehe meine B.-Galerie und weiter oben Kommentar MAIL an DR: KRÄMER).
Kirchners Bild-Konstruktions-Weise zum von PICASSO ererbten Mehransichtigkeits-Abbilden – Verbinden von mehreren Bewegungsstadien im Bildganzen -, erläuterte GRISEBACH am Beispiel des „besonders gelungenen“ Trabergespann-Ölbildes von 1930 (Privatbesitz), zu dem es verschiedene Vorzeichnungen gibt: „Umrisslinien sind zu gleicher Zeit Bewegungslinien, das ganze Bild ein Wirbel von Beinen und Rädern.“ Eine Studie stelle ich a&s-colormutiert in einer Skizze vor. (Nach Feder/Tinte Zeichnung S. 240, Salzburg Katalog. Vgl. S. 246f.)
Der „abstrakte“ Stil zeige sich auch sehr gut in „Die Reiterin“ (1931-32 – Kirchner Museum Davos) – Ausritt einer „Davoser Dame“. Farbentanz I & II zeigen eine „symbolistische Komposition“ (L.G.), die m. E. E.L.K.s „Farbenlehre“ widerspiegelt. (Vgl. Städel Kat. 152, S. 286, Holzschnitt.) Nach L.G. war für Kirchner eine nicht im Wirklichkeitserlebnis veränderte Form (Malewitsch, Picasso) „offensichtlich nicht denkbar“ (ebenda S. 235f.). Motivisch sind die Farbentanz-Variationen auf PICASSOs „La danse“-Gemälde von 1926 zu beziehen, das E.L.K. 1932 in Zürich sah.
In „Le grand geste!“ – einer Schau zu „Informel und abstraktem Expressionismus, 1946-1964“ im museum kunst palast Düsseldorf (10.4.-1.8.10), belegt, dass E.L.K. gut reagiert hat, dass er den Weg in die volle Abstraktion gemieden hat. Es war die documenta 2, die 1959 eine gestisch-abstrakte Malerei präsentierte und der so genannten informellen Malerei einen gleichsam offiziellen (Kunstmarkt)Status attestierte. Die Bedeutung der „Abstraktion als Weltsprache“ hatte sich damals durchgesetzt und etabliert; heute ist sie evolutionär überholt. Siehe kritisch dazu http://www.museum-kunst-palast.de/UNIQ127324517201... und Hanno RAUTERBACH in DIE ZEIT v. 6.5.10. E.L.K. hätte es verabscheut, Farbe lediglich auf die Leinwand zu gießen und träufeln oder Malgründe zu zerkratzen!
RAUTERBACH vermutet in seiner Kritik "Und kübelweise Blau" (Nr. 19 DIE ZEIT, S. 58) richtig, dass die von der Gegenständlichkeit befreiten Maler "unfreier als die anderen" seien. Immer müssten sie ihre Bilder "aus sich selbst heraus leben" und zu spüren sei, dass "leicht das Pathos der goßen Geste umkippt in große Langeweile". (Siehe w.u. meine Web-Hinweise zu "Affen-Kunst"; Bildergalerie-Bild "Affenschule (...)".)
Kunstströmungen als KUNST-MODE, die dem STIL-Begriff GOETHEs nicht gerecht werden, bloß blickvernegend-manieristisch L’art-pour-l’art praktizier(t)en, wurden kreiert. Und: Radikale Avantgardisten mit Weltgeltungs-Kunst waren die deutschen Maler nicht, stellt Hanno Rauterberg fest. "Und das schon deshalb, weil viele Bilder der Deutschen nicht nur später entstanden, sondern auch schlechter gemalt sind als die der internationalen Kollegen."
Zu meiner Kritik an Gerhard RICHTERs STIL-loser Malerei mit Abstraktions-Phase:
Zum Darwinjahr 2009 schrieb ich u.a. Artikel über die SCHIRN-Schau „DARWIN, Kunst und die Suche nach den Ursprüngen“, 02. - 05. 09), die Retrospektive „Kandinsky - Absolut. Abstrakt" und zu G. Richters „Abstrakte Bilder" im Museum Ludwig Köln. In ART (Kunstmagazin) kommentierte ich mehrfach: http://www.art-magazin.de/kunst/11592/wassily_kand... (5-fach).
Ich vermerkte, dass Werner Spies in einer „Hinrichtung“ der ungegenständlichen Kunst (Kiefer-Laudatio; Friedenspreis Buchhandel) die Abstraktion generell heruntergestuft und verteufelt hat. Siehe: http://community.zeit.de/user/wernerhahn/beitrag/2... .
Innovativen Widerstand gegenüber dem Mythos Abstraktion zeigte KANDINSKY im Spätwerk in den amöbenhaft-organischen biomorphen Elementen des Bildes „Parties diverses" von 1940. Werner Hofmann hat schon 1953 in einem Beitrag zur „Morphologischen Kunsttheorie“ K. als Erforscher des Wachstumsrhythmus’ des Lebendigen (innerer „Notwendigkeit“) vorgestellt. Die theosophischen „Irrwege“ Kandinskys bei der Suche nach einem neuen „modernen“ eigengesetzlichen Natur- und Formbegriff sind historisch nachvollziehbar.
Dass sich Web-Ergebnisse zum Thema Kandinsky & Evolution von mir finden lassen, betote ich a.a.O.: Essays mit dem Titel: „Kandinsky – Malewitsch – Richter: Abstraktion & Evolution 2008/2009“ (ZEIT Online 13/11/08): http://community.zeit.de/user/wernerhahn/beitrag/2... (Ebenda mehr zu „Der janusköpfige Gerhard Richter als Chamäleon und seine arme Abstraktion“.) ZEIT-Blog auch: http://community.zeit.de/user/wernerhahn/beitrag/2...
Wichtig auch: „Rückkehr zur Renaissance: Kandinsky und Malwitschs Kunst-Evolution (Mutationen)“: http://community.zeit.de/user/wernerhahn/beitrag/2... - Siehe auch http://community.zeit.de/user/wernerhahn/beitrag/2... (mit 3 Kommentaren von mir).
Während ich in meinem zitierten „symbolistisch-surrealistischen“ Bild von 1969 „Lionel Hampton-Porträt“ (Abb. 631) „synthetisch Jazz (Musikharmonien) mit Farbe- und Formharmonien zu verschmelzen“ suchte (Bildlegende; erst später entwickelte ich in (2) eine innvative „musica evolutoria“ – Kap. 12.5.) hat E.L.K. in Farbentanz I & II und besonders auch im 1932/37er Gemälde „Tanzende Mädchen in farbigen Strahlen“ (Kirchner Museum Davos) seine „Farbenlehre“ in farbflächenhafter Gestaltung visualisiert dargestellt. Der Maler-Architekt Kirchner lässt alles Getrennte der Farben zur Einheit verschmelzen: mit Farben des 12-teiligen Farbenkreises; im Dreiklang orange-blaugrün-violett mit innig verschmolzenen Farb-Paaren/Paarungen (gelb/rot, blau/grün, rot/blau). Gelb, Blau, Rot sind die Grundfarben E.L.K.s. Anders als in den Tanz-Bildern von Henri Matisse und Picasso manifestiert sich E.L.K.s Farbentheorie in den „Tanzenden Mädchen“ / Variationen aus Gelb, Blau, Rot – den Grundfarben in E.L.K.s Lehre.
Am 6. Mai diesen Jahres wäre Ernst Ludwig Kirchner 130 Jahre alt geworden. Das Kirchner Museum Davos feierte den Geburtstag. Die meisten Werke, die eine neue Sicht auf Kirchners Werk aus seinem letzten Lebensjahrzehnt ermöglichen, lagerten bis jetzt in den Depots vor allem deutscher Museen oder befinden sich in verstreuten Privatsammlungen. Im Zusammenhang mit Kirchners Arbeit an Wandbildern für den Festsaal des 1927 neu errichteten Museums Folkwang in Essen hatte E.L.K. auch einen "Farbentanz" geplant, auf dem nach seinen eigenen Worten die Sonne "farbige Strahlen sendet, rot blau gelb auf die tanzenden Frauen und Blumenwiesen". Siehe dazu Bilder mit kontrapunktischen, einheitlich-rhythmischen Farben/Figur-SYMMETRIE-Anspielungen und den Farben-Lichter-Kreis der ars evolutoria.
Zum Licht/Farben-Problem siehe 5.4. in (2) – Brief an Prof. Dr. Werner HOFMANN (7.8.1975) – mit symmetrischen Klängen/Konstellationen (Skizzen Abb. 188). Zur Bedeutung (Theorie) der Farben/Lichter in der ars evolutoria (ETOE und EST) siehe den aktuellen 4-teiligen bebilderten Essay von mir:
1. Teil mit 26 Bildern: http://www.myheimat.de/gladenbach/natur/evolutiona...
2. Teil mit 35 Bildern: http://www.myheimat.de/gladenbach/natur/evolutiona...
3. Teil mit 42 Bildern: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/evolution...
4. Teil mit 79 Bildern: http://www.myheimat.de/gladenbach/natur/spektakula...
(Mit Kommentaren aber ohne Bildergalerie siehe das Artikel-Quartett in meinem BLOG DIE ZEIT: http://community.zeit.de/user/WernerHahn.)
FARBSINN: Auge-Gehirnsystem & Trichromatik bei Menschenaffen und Menschen
Die Welt erscheint uns und Meschen-AFFEN in einer schier unermesslichen Farbenvielfalt: Erstaunlich ist, dass nur drei verschiedene Lichtwellenlängen genügen, um daraus jede von uns wahrgenommene Farbe zu mischen. Sinnesphysiologen sprechen vom Trichromatischen Sehen. Da unsere Netzhaut (Retina) für das Farbensehen lediglich drei unterschiedliche Licht absorbierende Sehpigmente oder –farbstoffe benutzt (Pigmente für kurz-, mittel- und langwelliges Licht: Blauviolett/Grün/Rot), lässt sich auch auf einem Bildschirm allein mit roten, grünen und blauen Punkten oder Pixeln unser gesamtes Farbenspektrum darstellen. Siehe hierzu 11.6.8. und 11.6.9. in Hahns Symmetriewerk (2) zur polaren Struktur der Farbwahrnehmung und der Evolution der Trichromaten; auch Spektrum der Wissenschaft Nr.5/2010, S. 44-51. Vgl. ebenso:
http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/kunst-and... UND zur AFFEN-Kunst mit Bildergalerie: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/dem-denke...
Anmerken möchte ich abschließend, dass im Dritten Reich auch „Nicht-Entartete-Maler“ leiden mussten: Dazu ein Bild von Karl LENZ: In einem 48-Bilder-Beitrag über die Münchner Ai Weiwei Ausstellung sprach ich auch über „Entartete Kunst“ im Haus der Kunst: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/entnazifi... - Karl Lenz’ s "Trauernde" (Kreidestudie) für das Gemälde „Trauer um die Gefallenen“ von wurde von den Nazi-Ausstellungsmachern in München NICHT ausgestellt. Das 2.50 m große Bild von 1939/40 – nach München zum „Nazi-Tempel der Deutschen Kunst“ gesandt -, wurde abgelehnt; der Künstler zerstörte das Bild. Mehr dazu in einem Beitrag am 22.11.09 in der „Giessener Zeitung“: http://www.giessener-zeitung.de/giessen/beitrag/23... !
Zu KIRCHNERs „Reiterin mit gestürztem Pferd“ – Kurator Felix KRÄMER
Was mir Herr Dr. Felix KRÄMER (Kurator der wichtigen E.L.K.-STÄDEL-Retrospektive) zum rätselhaften Gemälde ‚Reiterin mit gestürztem Pferd’ sagte (Telephonat 6/5/10):
Mit dem Problem „Reiterin und Pferd“ hat sich das Städel-Team der E.L.K.-Retrospektive auch befasst: Es sei so, dass das „K“ von der Rückseite des Bildes eingetragen worden sei – dadurch erklärt sich die Spiegelung auf der Vorderseite. „Wir wissen nicht, ob das von Kirchner ist“, erklärte Dr. K. Wohl im Nachlass E.L.K.s, der nach Basel kam, sei es zur Einwirkung von hinten auf das Gemälde gekommen. Wie, wann und durch wen & warum das K-Loch entstanden ist, muss also noch erforscht werden. Dr. KRÄMER sagte mir, dass kein weiteres der Ölgemälde (E.L.K. schuf über 1000!) ein Loch zeige!
Das Skizzenbuch-Bild zum Gemälde sei im Katalog (K. 114d) nachweislich richtig abgedruckt. (Vgl. meine a&s-Malerei hierzu.) Es sei denn, dass Kirchner das Skizzenbuch auf dem Kopf stehend in die Hand genommen hätte und die Skizze gezeichnet hat. Das gute, auch Herrn K. faszinierende Gemälde, sei übrigens bisher nie ausgestellt worden, habe auch sonst keine Berücksichtigung gefunden. Es sei nie publiziert worden, obwohl ja das Werkverzeichnis vorliege und es dort nach 1925 als Bild des „neuen Stil“ enthalten sei.
Man habe aber bisher kein Interesse an dem Bild gezeigt. Das Thema Pferd & Reiterin taucht indessen mehrfach im Werkverzeichnis auf. KIRCHNER habe sicherlich mit der Möglichkeit des Umkehr-Sehens gespielt; also in der von mir postulierten Sicht-Weise. Doppeldeutigkeit stecke in der Semantik des Bildes wohl nicht, erklärte Herr Dr. KRÄMER seine Sicht der von mir aufgeworfenen Fragen & Bild-Interpretationen.
Zum NAZI-Aufmarsch-Bild sagte Dr. K.: Er sei zusammen mit Dr. RICHTER (F.A.S. siehe oben) in Davos gewesen: E. KORNFELD, dem das Blatt gehört – 22.000 Zeichnungen schuf E.L.K.! -, präsentierte das Bild beim Treffen. Ein „ambivalentes Verhältnis“ habe Kirchner zum Nationalsozialismus gezeigt. Auf 2600 Seiten sei Kirchners kompletter Briefwechsel erschienen, dort könne man nachlesen, wie E.L.K. sich zunächst den Nazis anbiederte; bis 1935 gehe dies so. In den letzen zweieinhalb Jahren: Kirchner, der kein Jude war, habe Angst und Panik-Attacken bekommen, als die Nazis in Österreich einmarschierten. Nicht alle fanden Kirchner damals gut. Das Persönlichkeits-Profil Kirchners komme in den Briefen deutlich zum Ausdruck.
LITERATUR & Anmerkungen
(1) RICHTER, Peter: Deutsche Schüsse in Davos. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung & FAZ v. 26.4.2010.
(2) HAHN, Werner (1989): Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst. Königstein. Gladenbach: Art & Science, 1995. HAHN, Werner (1998): Symmetry as a developmental principle in nature and art. Singapore. (Übersetzung des Originalwerkes von 1989, ergänzt durch ein 13. Kapitel – mit erweitertem Sach- und Personenregister sowie Literatur- und Abbildungsverzeichnis.) HAHN, Werner / WEIBEL, Peter (Hrsg.) (1996): Evolutionäre Symmetrietheorie: Selbstorganisation und dynamische Systeme. Stuttgart. Anthologie mit Beiträgen von 19 Autoren; mit Essay von Werner Hahn: „Evolutionäre Symmetrietheorie und Universale Evolutionstheorie. Evolution durch Symmetrie und Asymmetrie“.
Bürgerreporter:in:W. H. aus Gladenbach |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.