EVOLUTION und AFFEN-Malerei: Gabriel von MAX im Lenbachhaus/Kunstbau München
Bis zum 30. Januar 2011 läuft eine KUNST-Ausstellung über Gabriel von Max (1840–1915): Der „Affenmaler“ war als Künstler, Spiritist und Darwinist eine außerordentliche Gestalt. Sein zentrales Interesse galt der Entwicklungsgeschichte des Menschen, dessen Ursprung, Wesen und Weiterleben. Der Salonmaler – 1900 vom König geadelt – malte auch gerne Frauen, die Visionen hatten & als Seherinnen und „Märtyrerinnen“ damals galten. Die Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München „strebt erstmalig eine spektakuläre und umfassende Zusammenschau von Max' Vorstellungswelt an; alle Facetten werden gezeigt: das künstlerische Œuvre wie auch die naturgeschichtlichen, ethnologischen und esoterischen Themengebiete“. So: Kuratorin: Karin Althaus in http://www.lenbachhaus.de/cms/index.php?id=58&tx_t...
In Max' Malerei, Forschungs- und Sammeltätigkeit spiegeln sich Kunst, Kultur und Wissenschaft der Zeit in enzyklopädischer Weise. Die Ausstellung erlaubt dadurch eine visuelle Begegnung mit verschiedensten Aspekten des 19. Jahrhunderts. Max betrieb das Malen als Wissenschaft. Er malte „Wissenschaft seiner Zeit“: Für Ernst HAECKEL – Künstler-Zoologe & Darwinist – malte G.v.M. 1894 eine Urmenschen-Familie: „Pithecanthropus Alalus“. Die FAZ-Feuilletonchefin & Kunstkritkerin Julia VOSS: „Auch hier galt Max’ Augenmerk dem Geistigen, der Seele nämlich, den er diesen affenartigen Menschen zusprach, weshalb er eine Träne im Auge der haarigen Eva glitzern ließ.“ (FAZ v. 3.11.10: „Kandinsky wäre neidisch“.)
Der in Prag, Wien und München ausgebildete Gabriel von Max wurde seit seinem Erfolg mit dem Gemälde „Märtyrerin am Kreuz“ im Jahr 1867 zu einem der einflussreichsten Künstler sowohl in der tschechischen wie der Münchner Kunst. Siehe Beitrag mit 13er Bilderstrecke in „art“: http://www.art-magazin.de/kunst/34667/gabriel_von_... / http://www.art-magazin.de/kunst/34669/gabriel_von_...
Historien- und Figurenbilder mit christlichen, literarischen und mythologischen Motiven folgten und trugen ihm große Bewunderung als „Seelenmaler“ ein, der sich vor allem Stoffen widmete, die um Liebe, Religion, Tod und Jenseits kreisen.
DARWINistische EVOLUTIONstheorie & Max’ Bildsprache
Zu aktuellen wissenschaftlichen Themen wie Medizin, Vivisektion und darwinistische Evolutionstheorie entwickelte Max eine neue Bildsprache. Gegen Ende des Jahrhunderts konzentrierte er sich zunehmend auf seine wissenschaftlichen Interessen und auf die Serie von AFFEN-Bildern (1), mit denen er große Erfolge feierte. Max' intensive Sammeltätigkeit in den Gebieten der Anthropologie, Zoologie, Ethnologie und Prähistorie mündete in einer über 60'000 Objekte umfassenden Sammlung, die heute größtenteils in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim aufbewahrt wird und von beeindruckender Breite und Qualität ist.
Die SCHIRN Kunsthalle zeigte schon viele AFFENbilder von MAX: http://www.schirn.de/ausstellungen/2009/darwin/dar... - Mit Kuratorin Pamela KORT ein Schirn-Video: http://www.schirn.de/filme/darwin.html - Rundgang durch die Schau „Darwin. Kunst und die Suche nach den Ursprüngen“ – hier Bilder auch des Affenmalers MAX. Frau Dr. KORT, die ich auf einem Schirn-Symposion vor der DARWIN-Ausstellung kennenlernte, schrieb mir nach der Schirn-Schau:
„In answer to your question about an exhibition dealing with your Ars Evolutoria, we can only respond that such a show at the Schirn after “Darwin” would not be possible for me to realize. At the moment funds are short and I am focusing on much smaller projects – which do not deal with the same issues – on one’s similar to them – as the Darwin Show. I am returning your interesting book as I suspect it is expensive. Thank you for letting me glance through it and in the last months spend more time with it. Quite impressive! I wish you all the best with your work and very much appreciate your compliments about the Darwin exhibition. All best Pamela Kort.”
Dass Franz MARC in der SCHIRN fehlte, der das Thema EVOLUTION in seinen Bildern behandelt hat, kritisierte ich im Web: In de SZ schrieb ich am 14.7.09 (2):
(…) Warum andere Große „jedenfalls in der Ausstellung wie im Katalog“ fehlen, hängt damit zusammen, dass die „alte Moderne“ auf die Tatsache der EVOLUTIONs-Mechanismen 100 Jahre lang eben noch keine Antwort(en) gefunden hat. Auch der bedeutende Max ERNST konnte mit seinem SURREAL-Traumhaften in vielen Werken, mit dem Zusammenfügen des Nichtzusammengehörigen, NICHT (!) EVOLUTION malen; er ist „kaum darwinistisch“ wie S.S. sehr richtig feststellt. Es war nicht „mehr als Materialgebrauch“. Das „Problem der Frankfurter Ausstellung“ ist, dass sie nur 100 Jahre „Kunst-Evolution“ im Blickfeld hat. Der unterstellte Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Großtheorie“ muss „auf diese Weise blass“ bleiben, weil erst in jüngster Zeit der sog. „Darwinismus“ für die bildende Kunst attraktiv wurde: siehe hierzu das Stichwort ARS EVOLUTORIA (bitte googeln – Bücher, Aufsätze, Kommentare etc.). Dass sich ARS EVOLUTORIA erst nach 1959 (Grenzziehungs-Jahr der Ausstellungs-Macher) entwickelt hat, verschweigen Ausstellung und Katalog (notgedrungen?), obwohl der Kuratorin mein Werk (Buch von 1998: Symmetry as a developmental principle in nature and art. Singapore) schon seit einem halben Jahr vor der Ausstellung bekannt gewesen ist. Darwins „Apostel Ernst Haeckel“ – er wird kunsthistorisch endlich geehrt - ist der wohl einzige in der Frankfurter Ausstellung, der erkannt (geahnt) hat, dass die Seiten im Buch der Natur doch in der Sprache der Mathematik (einer evolutionären Bifurkations-Geometrie) geschrieben sind. (Vgl. Bildtafeln aus HAECKELs „Kunstformen der Natur“; 1899 bis 1904.) Mehr Info mit Lob & Kritik zur SCHIRN-Schau siehe in Link „Vorstellung“ in www.art-and-science.de (Literaturangaben a.a.O.).
Die SCHIRN formulierte damals zu Recht:
Einer der Höhepunkte der Ausstellung dürfte jedoch eine Folge der Gemälde von Max von Gabriel (besser : Gabriel von MAX – W.H.) sein. Seit 1879 hat dieser Künstler in bösem Spott Menschen zu Primaten gemacht und in Zimmer und Szenerien seiner Zeit versetzt: Affen werden zum „Kunstrichter“, besuchen als Gruppe ein Maleratelier, oder sie lesen voll Interesse. Dass von Gabriel (von MAX – W.H.) daneben auch ein begeisterter Sammler ethnografischer, anthropologischer und prähistorischer Objekte war, belegt ein Kabinett: Die nackten Schädel, afrikanischen Masken und vorzeitlichen Werkzeuge stammen aus dem Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum.
Dass dem Malerstar von einst, der heute fast vergessen ist, das Münchner Lenbachhaus im Kunstbau (Zwischengeschoss U-Bahnhof Königsplatz) eine umfassende Ausstellung widmet, ist für das Thema EVOLUTIONISIERUNG der KUNST HEUTE von Bedeutung; vgl. ars evoutoria. Bedeutsam ist auch das Katalogbuch, das die erste Monografie des Künstlers (1840-1915) überhaupt ist. Bei „Malerstar, Darwinist, Spiritist“ handelt sich um eine fachübergreifende Schau: Denn es gibt nicht nur für unseren heutigen Blick „exotische“ Gemälde zu bestaunen, sondern auch anthropologische - Menschenschädel -, zoologische, prähistorische und völkerkundliche Sammlungskomplexe. Hier treffen sich also Kunst, Naturwissenschaft und Ethnologie. Dass von Max - wie Kuratorin Karin Althaus betont - aktiver Spiritist war, der Séancen abhielt, entlarvte ein Medium, das betrog. Gabriel von Max scherte sich nicht um ein Schubladendenken: Für ihn schlossen sich DARWIN, Transzendenz und Spiritismus nicht aus. Damit steht er in der Nachfolge von GOETHEs universellem Denken als Künstler-Forscher.
Affenmalerei & Franz MARC
Im Jahr 1880 wurde Franz MARC in München geboren, dessen Vater der akademische Maler Wilhelm MARC gewesen ist. Der Münchner Maler Gabriel von MAX (1840-1915), der eine ethnographische und archäologische Sammlung zur Entwicklungsgeschichte des Menschen zusammengetragen hat (momentan präsentiert im Lenbachhaus - Kunstbau bis 30.01.2011), ist als „AFFENMALER“ bekannt geworden. Diesen „echten“ Künstler-Forscher interessierte besonders die Verwandtschaft von Affe und Mensch. Hatte MARC seine 4 geliebten Rehe im Garten, so lebte in Max’ Münchner Villa eine kleine Affenherde, die er immer wieder als kluge und edle Tiere fotografiert und gemalt hat. Ob MARC die „wissenschaftliche Sammlung“ und die Gemälde des G.v.M. (datiert „o. J.“ und um 1870, 1894, 1900, 1910, 1915) kannte, ist (mir) unbekannt. Vgl. auch den Katalog zur Schirn-Ausstellung - S.188-211. Der Poet des Darwinismus G.v.M, dessen Werk Arnold BÖCKLIN bewundert hat, begegnete 1892 Ernst HAECKEL! Nur sporadisch tauchen AFFEN in der Bildwelt MARCs auf; so auch in einem Holzschnitt „Schöpfungsgeschichte I“ von 1914 („Affenfries“ (1911), „Das Äffchen“ (1912), „Spielende Affen“ (1912), „Der Mandrill“ (1913) und „Paradies“ (1912; Macke & Marc). Dass MARCs „AFFEN“ hier etwa „evolutionistisch“ zu interpretieren wären, kann sicherlich verneint werden. Zu einer EVOLUTIONISIERUNG der KUNST siehe MEHR in: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/wie-man-d... - Ebenda 20 Bilder. „DARWIN – KUNST UND DIE SUCHE NACH DEN URSPRÜNGEN“.
EVOLUTION - Affenmalerei - HAECKEL
Gabriel von MAX hatte Kontakt zu dem 1919 in Jena gestorbenen Naturwissenschaftler Ernst HAECKEL gesucht, der auch als der „deutsche Darwin“ bezeichnet worden ist. G.v.M. malte 1894 eine Urmenschen-Familie: „Pithecanthropus Alalus“ für E.H.; siehe weiter oben. Dass Kunst und Wissenschaft damals zusammenrückten, demonstrierte ein Kabinett zu von MAX - inmitten der Schirn-Ausstellung in Frankfurt (Kuratorin Pamela KORT): Vitrinen voll mit Totenköpfen, Knochen, Steinen, prähistorischem Werkzeug, Masken, seltsamen Kultfiguren und Tierpräparaten; die Studierstube von Gabriel von MAX. Den Maler, Kunstprofessor und passionierter Sammler hatten Affen, die er auch fotografiert hat (zum Malen nach Fotos), besonders fasziniert. Eine ganze Affen-Herde beherbergte der Maler zeitweise in seinem Sommerhaus. Er beobachtete und malte die Tiere, sezierte sie, wenn sie gestorben waren. Seine Bilder in der Frankfurter Ausstellung zeigen die Affen in menschlichen Rollen - am Klavier, lesend, als Theatertruppe und als Kunstrichter vor einem Gemälde. Erstmals machte eine zeitgenössische KUNST-Ausstellung (!) die Bedeutung des Zoologen HAECKEL als KÜNSTLER deutlich: Natürlich hat man in Frankfurt dem Zeichner & bedeutenden Evolutionsforscher HAECKEL in der SCHIRN zwei Ausstellungswände und eine Vitrine widmen müssen: Seine vordergründig gesehen „ornamental“ wirkenden zoologischen Zeichnungen, die „Kunstformen der Natur“, sollen den Jugendstil und den Symbolismus beeinflusst haben. Die akribischen Naturzeichnungen des Naturwissenschaftlers HAECKEL mit den vielen Symmetrien beweisen ohne Frage das große zeichnerische Talent des Verfechters der Darwin’schen Theorie. Charles DARWIN (1809-1882) wusste die Bedeutung seines deutschen Kollegen zu schätzen. HAECKEL gilt als Vorkämpfer der Evolutionsbiologie auf dem europäischen Festland. MEHR: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/ernst-hae... .
Evolutionäre Ästhetik
Ernst HAECKEL hat in seinen „Kunstformen der Natur“ von 1899 – 1904 die Idee einer evolutionären Ästhetik zu einer Darstellung der Formevolution des Naturalen genutzt. Ihm zufolge war die Darstellung des Naturalen in der Evolution als eine Art von Selbstästhetisierungs-Programm zu begreifen. Die Diversifizierung der organischen Gestalten schrieb sich bei ihm in einer immer weiter führenden Differenzierung von SYMMETRIEN, einer fortlaufenden Spezifizierung von Blaupausen, worunter sich dann auch im kompliziertesten Naturalen nur die Fortführung in ein im Letzten ästhetisch zu konnotierendes Programm verstand. Haeckel versuchte denn auch aus dieser Perspektive DARWIN mit GOETHE zu vereinen. Wäre MARC nicht ein Opfer des 1. Weltkrieges geworden, seine künstlerische Entwicklung hätte ihn möglicherweise zu einer derartigen Auffassung von EVOLUTIONÄRER ÄSTHETIK hingeführt, so dass auch er eine ARS EVOLUTORIA entdeckt haben könnte, die sich als Erkenntnis-Kunst Gedanken auch um Außerirdisches (Exoformen) macht. MEHR mit 34 Bildern in http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/wie-kuens... . (3)
Anmerkungen:
(1) „AFFEN-Bilder“ meint hier Malerei mit der Darstellung von Affen: NICHT ist gemeint, was ich als Thema auch intensiv behandelte - „Affenkunst wird ausgestellt („AffenBRUT“) - Über Kunst-Affen“: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/biedenkop... - „Affenkunst“-Untersuchungen wie sie Desmond MORRIS und Bernhard RENSCH gemacht haben, hatte von MAX nicht unternommen, warum eigentlich?. MAX’ Liebe zur Kunst und sein naturwissenschaftliches Interesse trafen in Affen-Werken zusammen, mit denen er die größte Berühmtheit erlangte; die Evolution der Affen hätte den Maler-Forscher mit Experimenten zur Bildnerei der Affen interessieren können. Wichtig auch mit 41 Bildern: Dem Denken der Menschenaffen auf der Spur – Zur Affen-Kunst-Schau - http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/dem-denke... - Dazu siehe auch ein Bericht im SPIEGEL http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46171217.htm...)
Der als Historienmaler ausgebildete Gabriel von MAX - Professor von der Münchner Akademie - hatte sich 1870 einen Cebus-Affen gekauft, den er porträtierte. Später ersetzte von Max das Personal seiner Bilder komplett durch Affen, die in menschlichen Rollen agierten. Siehe auch http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/in-der-af... -
UND Kritisches zum Thema auch in http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/kunst-and...
(2) In „Kunst nimmt sich, was ihr gefällt - Serie: 200 Jahre Darwin (3)“ v. 09.02.2009 – Stephan Speicher - Was bedeutete Charles Darwins "Entstehung der Arten" für die Künste? Das möchte zum Darwin-Jahr eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn herausfinden (…)
(3) Siehe „art“ Artikel mit Kommentaren von mir: Bilderserie http://www.art-magazin.de/kunst/34669/gabriel_von_... UND Artikel http://www.art-magazin.de/kunst/34667/gabriel_von_... (3 Kommetare W.H.)
Am 2.5.09 schrieb ich in „art“:
Der DARWINISMUS ist nicht zusammengebrochen. Im Gegenteil …:
Kreationisten hatten vom Zusammenbruch des Darwinismus zum 12.02.2009 gesprochen; Kommentar zum art-Artikel "Von Affen und Menschen" (Sandra Dannicke: http://www.art-magazin.de/kunst/14517/darwin_schir... ). Das Gegenteil trat ein. Siehe z.B. die folgenden Beiträge: HAHN, Werner (2009): EVOLUTIONÄR (Teil 1): Wie Künstler EVOLUTION malen – Kunst-EVOLUTIONISIERUNG. In ZEIT ONLINE v. 25.04.2009. Siehe dazu auch im WEB von Werner Hahn analog, aber mit 20 BILDERn: http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/90830/wi... HAHN, Werner (2009): EVOLUTIONÄR (Teil 2): „DARWIN – KUNST UND DIE SUCHE NACH DEN URSPRÜNGEN“. In ZEIT ONLINE v. 28.04.2009. Siehe dazu auch im WEB von Werner Hahn analog, aber mit 34 BILDERn: http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/91651/wi...