Biedenkopf: Affenkunst wird ausgestellt („AffenBRUT“) - Über Kunst-Affen
Die Bilder der 3 Orang-Utans Sita, Sandra und Tilda können mutmaßlich ab 23. April in Biedenkopf zu sehen sein: In Kooperation mit den Zoos in Köln und Krefeld soll eine Schau „Affenbrut – von Affen und Menschen“ im Haus Markt 2 als Rathaus-Projekt Denkanstöße und Diskussionen bewirken. Seitherige Ausstellungen im Rathaus hatten leider kaum Publikum. Dies äußerte Biedenkopfs neue Kulturreferentin Birgit Simmler gegenüber der Presse. Bilder-Ausstellungen hätten nach der jeweiligen Vernissage wenig Beachtung gefunden. Ich kann dies bestätigen; bei einer Ausstellung der Künstlervereinigung Marburg Biedenkopf (an der ich damals teilnahm), kamen - auch wenn Künstler nach dem Vernissage-Termin in der Schau vor Ort waren und zum Gespräch bereit waren – nur wenige BesucherInnen. In der „Provinz“ Biedenkopf scheinen sich für für bildende KUNST (so wie sie das Rathaus Biedenkopf seither ausstellte) recht wenige Kunstfans zu interessieren. Vom Kaufen von Kunstwerken ganz zu schweigen.
Die Kulturfrau B.S. hat aber dennoch den hohen Anspruch, dass Kunst in Biedenkopf „die Leute zum Denken" bringen könnte; vielleicht auch zum Ausstellungs-Besuchen. Daher lautet „Kunst – was ist das?“ ihr Motto. Das soll über zukünftigen Ausstellungen stehen; ob es von Nutzen sein wird?!
Eine Bilderschau mit „äffischen“ Gemälden soll demnächst Fragen nachgehen wie: Ist Affen-„Kunst“ überhaupt KUNST? Was erzählen die äffischen Werke über uns selbst? Wie nah ist die Gefühlswelt dieser Säugetiere unserer eigenen? Kann KUNST ohne Bewusstsein entstehen?
Preise für Bilder der Affenkunst liegen zwischen 120 Euro für Bilder auf Papier – bis zu 840 Euro für Leinwandbilder. Dies war einem Bericht über eine „Affenbrut“-Ausstellung in Krefeld (Herbst 2008) zu entnehmen. Zwischen dem Krefelder Zoo und der Agentur für Kunstvermittlung Fundart 21 gibt es eine Kooperation. Seit 2006 haben Orang-Utans (zusammen oder allein) Bilder gemalt, die man vielleicht auch in Biedenkopf an den Mann bzw. die Frau bringen will.
Im Krefelder Zoo malte vorübergehend nur noch Sita, da die anderen zu Zoos wechselten. „Affenbrut“-Bilder werden auch im Internet vermarktet:
Neu ist, dass „Barito“ in Krefeld heute malt: Er ist zehn Jahre alt und begeistert sich für Pinsel und Leinwand. Ein Novum. Denn Kunst war im Affentropenhaus des Krefelder Zoos bis dato von rein weiblicher Provenienz, verbunden mit Namen wie Sita, Tilda und Sandra. Nun also auch Barito ... Weitere Infos findet man unter: http://www.affenbrut.de/
Auf der Website wird auch hierüber informiert (auch mit Bildern):
Die 'Galerie SAW Gallery' im kanadischen Ottawa präsentierte vom 1. August bis 26. September Tierkunst. Titel der groß angelegten Ausstellung: 'Animal House: Works of Art Made by Animals'. Sita und Tilda waren mit jeweils einer Arbeit vertreten.
Über die Geburtsstunde der Affenmalerei à la "Krefelder Schule" liest man:
Das Krefelder AFFEN BRUT-Projekt ("affen Brut" – Begriff in Anlehnung an „art Brut“ – rohe, unverfälschte Außenseiter-Kunst) sei konzipiert als Blick hinweg über die Gattungsgrenze in Sachen Kunst und Ästhetik. Einerseits. Andererseits habe es 'Fundraising'-Charakter. Die Verkaufserlöse kommen dem Bau einer Außenanlage für Gorillas zugute.
Es sei „irgendwann im Jahre 2006“ gewesen: Die Tiermalerin des Krefelder Zoos porträtierte im Affenhaus Orang-Utans. Dabei wurde sie aufmerksam vom Affenweibchen Sandra beobachtet. Und Sandra begann, mit kleinen Stöckchen Formen im Rinden-Mulch zu malen. Mehr zu „affen brut“ und Sandra - die Geburtsstunde der Affenmalerei à la "Krefelder Schule" - in: http://www.affenbrut.de/das_projekt0.html
Auch z.B. in: http://www.wz-newsline.de/?redid=178977
Menschen-Affen und Menschen-Kunst/Künstler (1)
Der AFFE ist ein polysemantisch sehr aufgeladenes Tier-Symbol: Mal stellt er die teuflische, mal die göttliche Signatur des Künstlers dar. Der Affe wurde als Maske des Ideals künstlerischer Genialität und gleichzeitig als Sinnbild animalischer Triebhaftigkeit aufgefasst. Auch als Symbol des genialen Dilettanten, des (selbst)ironischen Spötters sowie Nachäffers der Schöpfung gleichermaßen. Der Mensch als Künstler sei nichts weiter als der nachahmende Affe der göttlichen Schöpfung. (Siehe DARWIN-Karikaturen.)
Im europäischen Mittelalter wurden Affen meist mit negativem Symbolgehalt (oft mit einem Spiegel) wiedergegeben. Sie galten als Symbol für Eitelkeit, weltliche Begierde (Lüsternheit), Bosheit und den gefallenen Engel bzw. besiegten Teufel (z. B. Maria mit der Meerkatze von Albrecht Dürer). Affen werden wegen ihrer vielseitigen Fähigkeiten in Teilen des Orients als heilig verehrt. Im Fernen Osten gilt der Affe als Sinnbild für Weisheit. Wer kennt sie nicht: die oft wiedergegebenen drei Affen, von denen sich einer die Ohren, einer den Mund und der dritte die Augen zuhält. Die Darstellung entspricht der Devise des schintoistisch-buddhistischen Koschin-Festes: "Wir sehen, hören und sprechen nichts Böses."
Was für Beuys der Hase war, sollte für Jörg Immendorff der Affe sein: die zentrale Symbolfigur, der wir in seinen Werken immer wieder begegnen. Siehe Bilderreihe - The Rake`s Progress" Bild Mappe 1996. Immendorffs Wappentier war der Affe, Symbol des genialen Dilettanten und Nachäffer der Schöpfung gleichermaßen. Immendorf und die Affen wurden sich immer ähnlicher bis hin zum Zwitter. „Immendorff ist Affe, und die Affen sind Immendorff“, ist zu lesen. Siehe Ex-Kanzler Schröder im Porträt.
„Affenkunst“-Untersuchungen: Desmond MORRIS und Bernhard RENSCH
Der britische Zoologe, Verhaltensforscher und Künstler Desmond Morris, der bereits in seinem Buch "Der nackte Affe" die These vertrat, dass der Mensch ein Tier sei, vertrat die Ansicht: „Gern sähen wir uns als gefallene Engel, aber in Wahrheit sind wir Affen." Morris ließ Schimpansen Leinwände bemalen und stellte ihre Gemälde und Zeichnungen im Londoner Institute of Contemporary Arts aus. So waren auch Vergleiche zwischen Menschenaffen und Menschenkindern zu ziehen. (Mehr zu D.M.: http://de.wikipedia.org/wiki/Desmond_Morris .)
Dass der 1954 geborene Schimpanse „CONGO“ abstrakte Bilder malte, von denen einige in London in einer Kunstausstellung präsentiert wurden und von Kunstkennern zu hochrangigen Werken der abstrakten Kunst erklärt wurden, ist interessant. Nachdem bekannt wurde, dass es sich um Produktionen eines Schimpansen handelte, kam es zu hitzigen Diskussionen über die Kunstwürdigkeit solcher Arbeiten.
Eine ganze Affen-Herde beherbergte der Maler von Max zeitweise in seinem Sommerhaus. Er beobachtete und malte die Tiere, sezierte sie, wenn sie gestorben waren. Seine Bilder in der Frankfurter Ausstellung (Schirn, Kuratorin Dr. Kort) zeigten die Affen in menschlichen Rollen - am Klavier, lesend, als Theatertruppe und als Kunstrichter vor einem Gemälde.
Der als Historienmaler ausgebildete Gabriel von MAX - Professor von der Münchner Akademie - hatte sich 1870 einen Cebus-Affen gekauft, den er porträtierte. Später ersetzte von Max das Personal seiner Bilder komplett durch Affen, die in menschlichen Rollen agierten. (Mehr: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/wie-man-d... .)
Der Zeitgenosse Seurats malte auch zwei melancholisch wirkende Äffchen, von denen das ältere eine blonde Puppe, sie stellt ein kleines Mädchen dar, in seinem Schoß birgt, während das kleinere Äffchen die Puppe berührt (Gemälde mit dem Namen „Anthropologischer Unterricht").
Durch Experimente mit „Affenkunst“ bewies ab 1954 auch der Biologe, Philosoph und Künstler Bernhard Rensch die Tatsache, dass Ästhetik - elementare ästhetische Empfindungen – auf niedrigem Niveau bei Säugetieren aktiv sind:
Rensch studierte mit näheren Untersuchungen das ästhetische Empfinden bei Tieren und entwickelte unter anderem Methoden, um die ästhetischen Lustgefühle der Affen nachzuweisen, und sie von dem beliebigen Spieltrieb der Tiere zu unterscheiden. Rensch ließ Affen malen (drei Schimpansen und einen Kapuzineraffen). Es amüsierte ihn sehr, als Kunsthistoriker Affenmalereien, die in Ausstellungen tachistischer Kunst eingeschmuggelt waren, nicht als solche erkannten, sondern als Kunst lobten. In einem humorvollen Gedicht hat er sich darüber geäußert.
Bernhard Rensch (2) konnte zeigen, dass Affen regelmäßige Formen den unregelmäßigen und Symmetrie der Asymmetrie vorziehen. Dieselben Muster werden von Menschen schon auf Kindheitsstufe ästhetisch höher eingestuft als regelose, unsymmetrische und nicht parallele Muster. Unsere Wahrnehmung bemüht sich, Ordnung in den visuellen Erscheinungen herzustellen. Bekannt ist: Bieten wir dem Auge für den Bruchteil einer Sekunde ein Dreieck, dem eine Spitze fehlt, dann sehen wir ein ganzes Dreieck. Asymmetrie und andere Unregelmäßigkeiten in einfachen geometrischen Figuren werden von der Wahrnehmung ausgeglichen. Wir ergänzen d.h. idealisieren in Richtung auf Regelmäßigkeit und Symmetrie.
Siehe hierzu auch in meinem Symmetriebuch – "Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst“ (deutsch 1989, englisch 1998) Abschnitt 11.8.7. zu Formgestaltungen von Kindern, Kinderzeichnungen – Entwicklung vom Nichtfigurativen zu Gestaltschemata; Assimilation & Akkomodation. In Kapitel 11.9.3. zu Rensch und Morris. Siehe auch zum Thema EISZEIT/STEINZEIT-Kunst-Entwicklung (3).
EXKURS:
Zum Thema Affen-Kunst und Kunst-Affen in der Kunstgeschichte
Albrecht Dürer zeichnete 1498 einen Affen in “The Madonna with the Monkey” und 1562 malte Pieter Bruegel der Ältere in der Größe 20x23 cm (Öl auf Holz) „Zwei angekettete Affen“. George Edwards (1694-1773) stellte in Farben Affendrucke her. Nachdem Georges Seurat mit Kreide Affenstudien zeichnete (für „La Grande Jatte“, 1884/85) und der Kolorist Paul Gaugin in „Anna La Javanaise“ Anna mit ihrem Lieblingsaffen gemalt hat (1893. 117x83 cm), rückten KUNST und WISSENSCHAFT näher zusammen: In Frankfurt demonstrierte ein Kabinett zu Gabriel von MAX - inmitten einer DARWIN-Ausstellung (Schirn 2009) - Vitrinen voll mit Totenköpfen, Knochen, Steinen, prähistorischem Werkzeug, Masken, seltsamen Kultfiguren und Tierpräparaten; die Studierstube des Malers, Kunstprofessors und passionierten Sammler, den besonders AFFEN fasziniert haben. Die er auch fotografiert hat; zum Malen nach Fotos.
In einem großen Urwaldbild von 1906 des Henri Rousseau (1844-1910) – „Glückliche Spaßmacher“ -, hocken mehrere Affen in der Vegetation. In einem Essay zu Franz Marc schrieb ich: „Ob MARC die „wissenschaftliche Sammlung“ und die Gemälde des G.v. Max (datiert „o. J.“ und um 1870, 1894, 1900, 1910, 1915) kannte, ist (mir) unbekannt. (Vgl. Katalog zur Ausstellung, S.188-211; der Poet des Darwinismus G.v.M, dessen Werk Arnold BÖCKLIN bewundert hat, begegnete 1892 Ernst HAECKEL!) Nur sporadisch tauchen Affen in der Bildwelt MARCs auf; so auch in einem Holzschnitt „Schöpfungsgeschichte I“ von 1914 (vgl. (…) „Affenfries (1911), „Das Äffchen“ (1912), „Der Mandrill“ (1913) und „Paradies“ (1912; Macke&Marc). Dass Franz Marcs „Affen“ hier etwa „evolutionistisch“ zu interpretieren wären, kann sicherlich verneint werden.“
Frida Kahlo hat Affen sehr geliebt und sich in Selbstporträts mit Affen gemalt (u.a. 1938/43 – vgl. Bilder http://wiki.res-ingold.de/index.php?title=Affe.)
Was für den Antikünstler Joseph Beuys der Hase war, wurde für Jörg Immendorff der Affe: die zentrale Symbolfigur, der wir in seinen Werken immer wieder begegnen: z.B. in „The Rake`s Progress" Bild Mappe 1996.
"Für mich war und ist der Affe einfach ein zweites Ich. Symbol für Ambivalenz der Künstlerexistenz, der Überzeugung und Selbstzweifel. Er ist albern und weise und steht für Gegensätze. Der Affe erscheint auf meinem Rücken sitzend, und vor mir ist das Bild, das ich male, das er angreift und dann etwas anderes malt oder mich bemalt." (Jörg Immendorff, 1992) Quelle: http://www.kirm.de/kirm/aktuell/aktuell_36_3.htm
Er und die Affen werden sich immer ähnlicher bis hin zum Zwitter. Immendorff ist Affe, und die Affen sind Immendorff.
Pablo Picasso gestaltete aus mitgebrachten Spielzeugautos einen "PAVIAN"; quasi synthetisch-postkubistisch. Der Maler und Ur-Surrealist und Kunstforscher Giuseppe ARCIMBOLDO (1526-1593) setzte schon Mitte des 16. Jahrhunderts Bildnisse wie Porträts – sog. Bizzarrerien - z.B. aus Gemüse-Pflanzen zusammen: eine Gurke stellte die Nase dar. Das Jahreszeitenbild hat er "Der Herbst" genannt.- vgl. Bilderserie zum Artikel. Picassos plastische "Pavian"-Strukturen habe ich in einer ars-evolutoria-Mutation verwandelt. (Skulptur-Ausschnitt, "Pavian mit Jungem," 1951.)
Anmerkungen & Literatur
(1) HAHN, Werner (08-01-2010): http://myheimat.op-marburg.de/beitrag/206488 Oder: http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/kunst-and...
(2) (2) RENSCH, Bernhard (1973): Ästhetische Grundprinzipien bei Tier und Mensch. In ALTNER, Günter (Hrsg.): Kreatur Mensch. Moderne Wissenschaft auf der Suche nach dem Humanen. München. Gedicht in: DÜCKER, Gerti & BERGER, Martin: 100 Jahre Bernhard Rensch. Biologe, Philosoph. Künstler. Berlin u.a. 2000. S. 73ff., 76 Zur Affen-Malweise, S. 78 Gedicht. (Vgl. http://books.google.de/advanced_book_search )
(3) HAHN, Werner (08-01-2010): http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/zur-evolu...
PS. Gedicht des Biologen und Künstlers Bernhard RENSCH:
Retour à la Nature
Wir wissen heut, dass selbst die Affen
Ganz diskutable Bilder schaffen,
War doch so oft in aller Welt
Dergleichen nun schon ausgestellt.
Erscheint auch Manches afrikanisch,
So ist es meist doch recht dynamisch,
Zeigt Rhythmus und auch Harmonie
Und zeugt sogar von Phantasie.
Nun hat man sich sogar verstiegen,
In Kunstausstellungen verschwiegen
Dies einzumogeln mal zum Scherz
In Schweden und auch anderwärts.
Doch in der Kunst geweihten Hallen
War es gar keinem aufgefallen,
Das unter der Tachisten-Schar
Nun auch einmal ein Affe war.
So manche Kunstexperten waren
Sich denn auch keineswegs im Klaren,
Was ihre Kunstkritik verriet,
Wenn sie ganz ohne Unterschied
Auch manche Affenbilder priesen
Und damit dann ganz klar bewiesen,
Dass der Tachisten Kunst vielleicht
Schon äffisches Niveau erreicht.
Das Urteil nasgeführter Männer,
Die ohne Zweifel gute Kenner,
Beweist, dass unsre Malkultur
Zurückgefunden zur Natur.
Affenbrut kommt von Art Brut:
Art Brut (franz. für unverbildete, rohe Kunst, auch etwa edelherbe Kunst) ist ein Sammelbegriff für autodidaktische Kunst von Laien, Kindern und Menschen mit geistiger Behinderung. Die Bezeichnung ging vom französischen Maler Jean Dubuffet aus, der sich eingehend mit einer naiven und antiakademischen Ästhetik beschäftigte. Art Brut ist weder eine Kunstrichtung noch eine Stilbezeichnung, sondern beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Kunstformen und -strömungen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum ist stattdessen der Begriff Outsider Art ("Außenseiter-Kunst") gebräuchlich.
(Wikipedia)