Primitive Massenmedien – BOHLEN & die JUSTIZ - Kunstfreiheit
Dieter BOHLEN kann gewiss nicht mehr als „unterbelichtet, begriffsstutzig und primitiv“ hingestellt werden. Er wurde juristisch zum „Künstler“ erklärt: Dieter Bohlens flotte bis verletzende Sprüche bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) sind „Kunst“. Wer seine Sprüche im Gedächtnis hat, der glaubt es kaum. Höchstrichterlich ist es aber jetzt bestätigt. Für ihn und die anderen DSDS-Juroren müsse der Sender RTL daher Künstlersozialabgabe zahlen, urteilte am 01.10.09. das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az: B 3 KS 4/08 R).
Das „Kunst“-Verständnis der Richter des Bundessozialgerichtes (BSG) der documenta-Stadt Kassel ist GROß. Man lernte vom Erweiterten Kunstbegriff, der auf der documenta immer wieder gelehrt und durchgesetzt wurde: von BEUYS & Co – „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – auch dessen Scheiße kann Kunstwerk sein; z. B. in Dosen verpackt (siehe Bild) oder auf Fliesen gemalt. (1)
Selbst DIETER BOHLEN ist als „Kunstwerk“ anzusehen: Ist er „Kunst- und KULTUR-Schaffender“ in der BRD; auch mit RTL-Scheiß--Sprüchen? Die Kunstfreiheits-Garantie macht’s möglich (Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz). FREIE & arme KünstlerInnen aller Schattierungen (der NICHT-Kunst, Anti-Kunst, echten KUNST) freuen sich. Die QUALITÄT ihrer Arbeiten wird vom BSG nicht geprüft; die Künstlersozialkasse (KSK) braucht Geld – man dankt BOHLEN, der Sender ärgert sich. Verbale Gewalt & Herabwürdigung des Menschen und der KUNST gehören wohl zum gesellschaftlichen und kulturellen Niedergang – KULTUR-Sterben (2) – der BRD. BOHLEN-Sendungen & Castingshows haben „freie Fahrt“ für Angriffe auf Erniedrigte und Beleidigte.
Die von der KSK als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung geforderten Beiträge wollte RTL nicht zahlen: Behauptet wurde, die Jurymitglieder seien „Experten“, keine „Künstler“. Seit dem DUCHAMPismus (Readymades im Museum) und nicht erst seit der Fettecke von BEUYS sagen aber viele Leute, das sei gar KEINE „Kunst“. In der BRD haben wir einen – documenta geprägten - „offenen Kunstbegriff“. Es geht nicht um die QUALITÄT, sondern um den eigenschöpferischen Gehalt einer Tätigkeit. Im Fall von DSDS war zu prüfen: sind die Juroren „ Experten“ oder inszenieren sie sich als „Künstler“ selbst. Über die KSK erhalten (selbständige) „Künstler“ Zuschüsse zur gesetzlichen Renten-, Alters- und Krankenversicherung. Wenn RTL jetzt für Bohlen & Co. Beiträge nachzahlen muss, ist das GUT so. BOHLEN könnte jetzt den BEUYS machen; der Kunst-Markt braucht epigonale Talente. Schon 2008 musste RTL wegen BOHLENS herber Sprüche bei DSDS 100.000 E. Bußgeld zahlen. Siehe http://www.focus.de/kultur/medien/bohlens-derbe-sp... Oder BILD: http://www.bild.de/BILD/unterhaltung/TV/2008/07/09...
100.000 Euro Bußgeld fällt offensichtlich – wie die causa BOHLEN jetzt 2009 zeigt – den Nicht-Kultur-Machern nicht so schwer: 2008 hatte die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten ausgeführt (nach einer Anhörung des Senders natürlich): „Beleidigende Äußerungen und antisoziales Verhalten werden in dem TV-Format als Normalität dargestellt“. Dies sagte der Vorsitzende der Jugendschutzkommission, Wolf-Dieter RING. „So werden Verhaltensmodelle vorgeführt, die Erziehungszielen wie Toleranz und Respekt widersprechen. Das kann vor allem auf Kinder unter zwölf Jahren desorientierend wirken.“
Manche DSDS-User meinen: Für die Kandidaten-Weiterentwicklung sei es immer höchste Zeit für eine Begegnung mit Herrn BOHLEN: Richtig, dass er ihnen offenbar als Erster mal ganz respektlos sagt, was Realität ist und was Traum. Aber die RTL-BOHLEN-Kritik ist keine Lektion, für die jeder dankbar ist, sondern oft eine DEMÜTIGUNG. Man kann natürlich Kritik auch gut, verständlich und deutlich rüber bringen, ohne dass jemand gedemütigt und lächerlich gemacht wird. Das will indessen manch ein User von DSDS nicht. Eine konstruktiv kritisierte Person könnte sogar zwei Dinge fürs Leben lernen: 1. dass Scheitern zum Leben gehört und zu akzeptieren ist, und 2. dass deswegen die Welt nicht untergeht, wenn der andere fair bleibt. KRITIK wird gerade ernster aufgenommen und besser reflektiert, wenn diese eben sachlich und fair vorgetragen wird anstelle wenn Kandidaten der Lächerlichkeit Preis gegeben werden.
Anmerkungen
(1) Vgl. die Artikel
http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/103308/z...
UND
http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/104560/z...
(2) A propos KULTUR-Sterben
Schwarz-gelbe KULTUR-Politik: Angie & Guido
Nun arbeiten sich auch die Feuilletons an den Wahlen ab und versuchen vor allem, den Aufstieg Guido WESTERWELLEs zu verkraften. Guido als KULTUR-Staatsminister? Kultur als STAATSZIEL wollte die FDP unbedingt mit anderen Parteien im Grundgesetz verankert sehen. Allein CDU/CSU blockierten. Merkel antwortete auf Fragen hierzu bei abgeordnetenwatch.de NICHT. Westerwelle und Bernd Neumann befürworteten ebenda das Ziel. Viele finden G.W. schon gar nicht mehr so unsympathisch (Kultur-Magazin „perlentaucher“). Die „taz“ meint, "es gab in den vergangenen Jahren für einen deutschen Künstler kaum etwas Peinlicheres, als von Guido Westerwelle toll gefunden zu werden." Und: WESTERWELLE habe in der gegenwärtigen Kulturszene „viel Anerkennung (…) eh nicht“ zu verlieren. DIE SZ glaubt, in Berlin hätten „Meinungsmacher, Produzenten, Galeristen, Künstler“ in der FDP eine „neue Heimat“ gefunden.“ H. NUTT sagt in er FR „Mach’s noch einmal, Bernd“ und meint, der Staatsminister für KULTUR Bernd NEUMANN (CDU) solle weitermachen. Der kulturpolitische Sprecher Hans-Joachim OTTO votierte angeblich schon für Neumanns Verbleib im Kanzleramt. Er habe „einen guten Job gemacht, ich werde nicht an seinem Stuhl sägen". Über die Finanzmarktkrise und das Drohen einer „unmittelbaren Kultursterbens“ liest man: Vermutlich werde es „knirschen im Getriebe, Neumanns souveräne Amtsführung könnte Kratzer abbekommen, wenn er erst einmal mehr Ansprüche ablehnen als bewilligen muss.“
Siehe mehr in
http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/129059/b...
Marcel Reich-Ranickis TV-General-Kritik: „Blödsinn, Unsinn, kompletter Dreck"
Über Fernseh-Qualität wurde einmal in der ZDF-Sondersendung „Aus gegebenem Anlass" gesprochen: es duellierten sich Marcel Reich-Ranicki (MRR (89)) & Thomas Gottschalk, wobei der „ZDF-Co-Intendant Gottschalk“ als wahrer Sieger hervorgegangen ist. MRRs Kritik an der Qualität des geistlosen Fernseh-Programms war mit einer Sondersendung belohnt worden, während Bücher-Versteherin Elke Heidenreich wegen ihrer harten Haltung vom ZDF an die Luft gesetzt worden ist.
Vieles, was nicht in den privaten Kanon des MRR passte, hatte beim Kritiker Gottschalk keine Chance. MRRs These: „Literatur und Theater sollten zwar unterhalten (…), aber nur die TV-Autoren Brecht oder Shakespeare seien gegenwärtig dazu in der Lage“, ist höchst welt- und TV-fremd.
Zum Fall BOHLEN & RTL hat sich MMR noch nicht öffentlich geäußert. Sein Urteil kann man sich denken: MMR übte Generalkritik am FERNSEHEN: „Blödsinn, Unsinn, kompletter Dreck" sei vieles. Aber den Einwand, dass es auch in der Literatur analog so sei, ließ der Literatur-Papst MRR nicht gelten. Für ihn stellt allein die Hochkultur das Reich des Wahren, Schönen und Guten dar. Eine Hypothese, aus der aber kein öffentlich-rechtlicher Programmauftrag ableitbar ist.
Marcel Reich-Ranicki hatte 2008 beim TV-Jahresrückblick (ZDF) Charlotte ROCHEs Debütroman „Feuchtgebiete“ so beurteilt: „Es ist gar keine Literatur, aber es ist ein pornographisches Buch! Die Frau hat keinen Stil, das ist kein schlechter Stil – es ist gar kein Stil!“