Nach einer wahren Begebenheit
Eduardo Hughes Galeano 1940-2015
Die Sprache der Kunst
In Havanna schlug sich Chinolope als Zeitungsverkäufer und Schuhputzer durch. Um der Armut zu entrinnen, ging er nach New York.
Dort schenkte ihm jemand einen alten Fotoapparat. Chinolope hatte nie eine Kamera in der Hand gehalten, aber man sagte ihm, dass es ganz einfach sei.
„Da musst Du durchschauen und da musst du drücken.“
Und so zog er los. Als er ein paar Meter weit gekommen war, hörte er Schüsse und lief in einen Friseurladen, hob die Kamera und schaute da durch und drückte da ab.
In dem Laden war der Gangster Joe Anastasia durchsiebt worden, als er sich gerade rasieren ließ, und das war das erste Foto in Chinolopes Karriere.
Man zahlte ihm dafür ein Vermögen. Dieses Foto war eine Wucht. Chinolope war es gelungen, den Tod zu fotografieren. Der Tod war da: nicht im Toten noch im Mörder. Der Tod war im Gesicht des Friseurs, der ihn sah.
Erzählt von Eduardo Galeano
(Das Buch der Umarmungen)
Einen habe ich noch - für heute🙂
Lob der Freundschaft/1
In den Vorstädten Havannas nennen sie den Freund mein Land oder mein Blut.
In Caracas ist der Freund mein Brot oder mein Schlüssel: Brot deshalb, weil das Brot, gutes Brot, auch den Hunger der Seele zu stillen vermag; und Schlüssel, weil...
"Warum Schlüssel, fragst du? Das ist doch klar" sagte Mario Benedetti.
Und er erzählt mir, dass er in Buenos Aires, in den Jahren des Terrors, fünf fremde Schlüssel bei sich trug: fünf Schlüssel zu fünf Wohnungen von fünf Freunden: die Schlüssel, die ihn retteten.