Knacknuss
Das "Ziegenproblem" hat Anfang der 1990er Jahre die US-Nation gespalten.
Hier Auszüge aus dem damaligen SPIEGEL 34/1991.
"Im Fernsehstudio steuert die Show »Let''s make a deal« ihrem Höhepunkt entgegen. Der Kandidat hat die Endrunde erreicht, und damit beginnt ein Ritual, das ihm die Chance eröffnet, ein Auto zu gewinnen.
Der Supergewinn verbirgt sich hinter einer von drei Holztüren; hinter den beiden anderen ist, gleichsam als lebende Niete, jeweils eine Ziege angepflockt. Der Kandidat trifft eine erste Wahl zwischen den drei Türen; beispielweise entscheidet er sich für Tür Nummer eins. Seine Chancen, das Auto zu ergattern, stehen dabei eins zu drei.
Dann folgt der zweite Schritt des Rituals. Der Showmaster öffnet eine der beiden übriggebliebenen Türen - im gewählten Beispiel die dritte. Naturgemäß (da der Spielleiter weiß, was sich hinter jeder Tür verbirgt) erscheint kein Auto, sondern es meckert eine Ziege.
Einen weiteren Twist erfährt das Türenspiel im dritten Teil der Prozedur: Der Showmaster stellt dem Kandidaten frei, seine Wahl ("Tür eins") noch einmal zu überdenken und vielleicht die zweite statt der ersten Tür zu öffnen.
Soll er, oder soll er nicht? Kann er durch einen Wechsel seines Tür-Tips die Gewinnaussichten verbessern? Oder bleibt die Gewinnchance, egal auf welche der beiden Resttüren seine Wahl fällt, halbe-halbe?
Diese Streitfrage beschäftigt und entzweit seit Monaten die amerikanische Nation. Sie wurde in den Unterständen der US-Soldaten am Golf wie auf den Fluren des Geheimdienstes CIA, aber auch in den amerikanischen Eliteuniversitäten mit Leidenschaft diskutiert; auch deutsche Professoren ereifern sich mittlerweile in der Hamburger Zeit über Türen, Autos und Ziegen.
Der Zwist um die drei Türen wurde im September letzten Jahres angestoßen, als sich Marilyn vos Savant, 44, Verfasserin der Kolumne »Frag Marilyn« in der amerikanischen Illustrierten Parade, für die Wendevariante aussprach: Wechseln des Tür-Tips, erklärte sie, hilft.
Parade erreicht als Beilage von US-Sonntagszeitungen 70 Millionen amerikanische Zeitungsleser. Und Marilyn vos Savant ist nicht irgendeine Briefkastentante oder Klatschkolumnistin: Sie gilt mit ihrem Intelligenzquotienten von 228 Punkten, dem höchsten weltweit je ermittelten, als absolutes Superhirn.
Etwa 10 000 Zuschriften, schätzt Kolumnistin Marilyn, die mit dem Chirurgen und Kunstherzerfinder Robert Jarvik verheiratet ist, hat sie auf ihre Parade-Kolumne erhalten. Weitaus die meisten Briefeschreiber widersprachen. Zu den heftigsten Kritikern zählten Mathematiker und Wissenschaftler, für einige von ihnen war Kolumnistin Marilyn »selbst die Ziege«, »Auslöser erheblicher Lachsalven in der gesamten mathematischen Fakultät« oder auch nur eine »dumme Törin«, die mit ihrer Antwort die »nationale Krise der mathematischen Schulbildung« noch vertiefe...."
"...Was der IQ-Rekordhalterin vos Savant soviel gelehrten Widerspruch eintrug, folgt gleichwohl mathematischer Logik in drei nachvollziehbaren Schritten: Die Chancen des Kandidaten, bei der Wahl der ersten Tür das Auto zu gewinnen, liegen bei eins zu drei. Wenn der Quizmaster eine der Türen, beispielsweise die dritte, öffnet und eine Ziege freigibt, ändert sich die Trefferwahrscheinlichkeit für die erste Tür nicht; sie beträgt nach wie vor ein Drittel. Wenn nun aber (im Beispiel) Tür eins nach wie vor nur eine Drittelchance verspricht, die Sache mit Tür drei aber klar ist ("Ziege"), muß die Gewinn-Wahrscheinlichkeit für Tür Nummer zwei erhöht sein* - das Türchenwechseln befördert also die Chancen des Kandidaten.
* Sie beträgt zwei Drittel zu ein Drittel."
Bürgerreporter:in:Bea S. aus Gießen |
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