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Zum Fest der Hl. Familie

Wie viele Menschen wohl von der Not der Eltern Notiz genommen haben, die aufgelöst durch Jerusalem irren, auf der Suche nach ihrem verloren gegangenen Sohn? Die mitfühlenden unter ihnen höre ich mit Trauermiene sagen: „Die Armen!“ Die anderen sagten vielleicht aber auch: „Das geht mich nichts an!“ Oder „Der wird sich schon wiederfinden.“ Und: „Geschieht ihnen recht. Hätten sie ihn ordentlich erzogen.“ Davon aber, dass Menschen beim Suchen helfen, habe ich im Evangelium nichts gelesen...
Wer nimmt die Not der Familien wahr? Und wer nimmt sie ernst? Keine Frage: Die Corona-Pandemie verlangt allen viel ab. Die Liste der Personen, Berufe und Gruppen, die unter den Einschränkungen und den Folgen dieser beinahe schon zwei Jahre leiden, ist lang. Man kann die Not jedes Einzelnen ganz schlecht gegen die eines anderen aufwiegen und sagen: Deine ist nicht so schlimm wie meine. Jeder und jede hat auf eigene Art gelitten; und jeder und jede empfindet die Belastungen auf völlig unterschiedliche Weise. Am heutigen Fest der Hl. Familie aber drängt es sich nun mal auf, auf die Familien zu sehen. Wahrscheinlich können es nur die Familien tatsächlich beantworten, ob sie sich in den vergangenen Monaten wahr- und ernstgenommen gefühlt haben. Oft habe ich mir überlegt, wie es wohl unseren Familien mit den Maßnahmen geht und was diese Zeit mit ihren Herausforderungen besonders für sie bedeutet? Denn selten war die Familie so sehr als Schutzraum gefragt, wie zuletzt. Und gleichzeitig mussten sich die Familien zwischen Home-Office und Home-Schooling, zwischen einem neuen aufeinander Angewiesen sein und dem ständig beieinander sein müssen, neu finden. Das ist sicher manchen besser gelungen, manchen weniger gut. Aber wie soll man es in unsicheren Zeiten auch richtigmachen? Letztlich ging es den Familien darin auch wie allen: Es mussten neue Strategien her, wie man am Besten mit dem Unvorhersehbaren umgeht. Und die bewähren sich oft erst im Tun.
Ich habe den Eindruck, dass die neue Situation für Familien sowohl Chancen als auch Risiken in sich barg. Die Risiken sind vielleicht am deutlichsten sichtbar. Erschreckend in der Zunahme häuslicher Gewalt gegenüber Partnern und Kindern. Wenn der Druck zu hoch wird und keinen Ausgleich findet, entlädt er sich dort, wo er unheilbaren Schaden anrichtet. Auch ohne Gewalt stehen viele Lebenspartner vor einer Zerreißprobe, weil sie sich noch einmal von ganz neuen Seiten erfahren haben, die das Bild, das sie bisher voneinander hatten, gehörig durcheinander geworfen haben. Manche Familien sind sich bis zur Zerreißprobe uneinig, etwa was die Impfung angeht. Und auch die Sorge um die Zukunft nimmt für viele einen ungleich größeren Raum ein, als bisher: Wie geht es mit unseren Jobs weiter? Können unsere Kinder in der Schule noch mithalten? Was passiert, wenn alles teurer wird? Wie schützen wir uns wirkungsvoll? Mich wundert ja bei den Eltern Jesu schon, wie beherrscht sie angesichts ihrer Sorge bleiben, mit der sie zwei Tage im Ungewissen blieben. Wie sehr muss es wohl heute Mütter und Väter umtreiben? Doch selbst die größte Krise birgt Chancen. Manche fanden tatsächlich zu einer neuen Qualität des Miteinanders, zu einem mehr an Verständnis füreinander und einer Neuordnung ihrer Prioritäten im Leben. Was ist uns wirklich wichtig? Mir haben immer wieder Eltern erzählt, dass sie es durchaus genießen, so unerwartet viel von der Familie zu haben, viel mehr, als es ihnen zu „normalen“ Zeiten möglich gewesen wäre. Und auch im Blick auf die erweiterte Familie, die Großeltern und weiteren Verwandten, wuchs streckenweise ein neues Verständnis für das, was sie besonders benötigen. Ich denke z.B. an einen Enkel, der seiner Oma kurzerhand einen Online-Zugang eingerichtet hat, damit sie leichter Zugang zu den kirchlichen Angeboten hatte, die ihr so wichtig sind. Aber auch an die harten Kontaktbeschränkungen, die man jedoch auf sich nahm, um nicht zur Gefahr für seine Lieben zu werden. Und ich habe Familien erlebt, die neu für sich entdeckt haben, bei sich zuhause miteinander Glauben zu teilen, sich Zeit zu nehmen für Gebet und Gottesdienst. Die Jerusalem-Krise der Hl. Familie führt am Ende auch dazu, dass Maria und Josef besser nachvollziehen können, was Jesus umtreibt.
Ja, liebe Schwestern, liebe Brüder, ich glaube, es ist wichtiger denn je, gerade auch die Familien im Gebet mitzutragen, damit ihnen gelingt, was der Apostel Paulus an seine Gemeinde in Kolossä schreibt: „Bekleidet euch mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld. Ertrage einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Vor allem bekleidet euch mit der Liebe. Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen.“ Nichts davon fällt einem einfach so zu, sondern man muss sich Tag für Tag darum bemühen, egal in welcher menschlichen Gemeinschaft man lebt: ob in der Familie, in der Firma, in den Gruppen, Vereinen und Kreisen, oder auch in einer Pfarrgemeinde. Und selbst das beste Gebet kann es niemandem abnehmen, sich in diesen Werten zu üben und darum zu ringen, wie man in den unterschiedlichen Phasen eines Lebens daran festhalten kann. Doch gerade in der Familie wird der Grundstock dafür gelegt, ob wir später in der Lage sind, all diese Worte auch mit Leben zu erfüllen und tagtäglich in die Tat umzusetzen. Sie brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können.

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